Ministerpräsident

Söders neue Südost-Strategie: Abwerben unter Freunden

1200 Kilometer Luftlinie trennen Bukarest von München. Trotz einer großen Armut in dem EU-Land ist es für Ministerpräsident Söder wichtig. Denn in Bayern wachsen Klagen über fehlende Fachkräfte.


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Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, steht während seiner Reise im Präsidentenpalast.

Es klingt paradox: Obwohl es in Rumänien und Albanien wie auf dem übrigen Balkan einen akuten Personalmangel - etwa im Gesundheitswesen - gibt, setzt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für seinen Kampf gegen den Fachkräftemangel im Freistaat gezielt auf Menschen aus Südosteuropa. Bayerns Wirtschaft sucht seit Jahren zunehmend verzweifelt und händeringend nach Arbeitskräften in vielen Bereichen. Kein Wunder, dass Söder das Thema acht Monate vor der Landtagswahl zur Chefsache macht und in Tirana gar davon spricht, Brücken bauen zu wollen, um Europa zu stärken.

Nachdem Söder jüngst mit seiner innerdeutschen Abwerbestrategie für Lehrer in anderen Bundesländern viel Kritik einstecken musste, fühlt er sich an diesem Montag bei seiner Reise nach Rumänien und Albanien willkommen: "Wir sind hier zu Besuch bei Nachbarn und Freunden und wollen die alten Beziehungen vertiefen", sagte Söder nach seinem Gespräch mit Ministerpräsident Nicolae Ciuca. Dieser spart das Thema übrigens in seinem kurzen Statement vor Journalisten völlig aus.

Dagegen lobt ihn Albaniens Regierungschef Edi Rama in höchsten Tönen: Bayern sei Tor des Balkans nach Deutschland. Bereits jetzt würden rund 10 000 Albaner in Bayern leben und arbeiten. Er sehe es langfristig als Mehrwert, wenn junge Menschen nach Bayern gingen, um dann mit einer guten Ausbildung und neuen Erfahrungen zurück zu kommen, sofern sie dies wollten. "Nicht nur Bayern profitiert von der Verbindung", es sei eine Win-Win-Situation auch für Albanien.

Laut einer Studie herrscht etwa in Rumänien akuter Personalmangel im Gesundheitswesen. Sichtbar war dies zuletzt vor allem während der Corona-Pandemie, als in den Krankenhäusern zahlreiche zusätzlich bereitgestellte Betten nicht belegt werden konnten, weil es die dazugehörigen Ärzte und Pfleger nicht gab. Aktuell fehlen wegen massiver Abwanderung etwa 50 000 Krankenpfleger, heißt es in der Studie, die Rumäniens größte Krankenpflegerschule "Carol Davila" in Bukarest in Auftrag gab und Ende 2022 veröffentlichte.

Laut der Studie bringt dies die Gesundheitsversorgung in Rumänien in eine Risikozone - zumal die Bevölkerung des Karpatenlandes statistisch immer älter und kränker wird. Die Zahl der Rentner wachse stetig und liege nun um 20 Prozent höher als die der unter 14-Jährigen. Für bestimmte Branchen, vor allem das Bauwesen, holt Rumänien inzwischen Gastarbeiter aus dem Fernen Osten, wie etwa aus Nepal. Auch Söders nächste Station Albanien leidet unter massiver Abwanderung junger, qualifizierter Bürger.

Auf Nachfrage erklärte Söder, er sehe nicht, dass Bayerns Suche in Südosteuropa Kritik hervorrufe: "Das Werben um Fachkräfte bedeutet umgekehrt auch immer das Angebot von Investitionen." Bayern sei das wirtschaftlich stärkste Land in Deutschland und daher sehr attraktiv für die Menschen auf dem Balkan. Bayerns Wirtschaft habe auch Investitionen zu verteilen, daher "ist es kein einseitiger, sondern ein Kanal in beide Seiten, der da vorangeht. Der hilft dann beiden."

Auch in Bayern wurde Söders Engagement gelobt: "Tausende Kräfte aus dem Ausland werden dringend gebraucht, um die pflegerische Versorgung in Bayern sicherzustellen", sagte der bayerische Landesvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Kai A. Kasri.

Neben den Investitionen aus Deutschland dürfte in den Ohren von Söders Gesprächspartnern in Rumänien - neben Ciuca traf er sich noch mit Präsident Klaus Iohannis - und Rama in Albanien, etwas anderes als Fachkräfte abwerben nachhallen: Söders Unterstützung für die EU-Wünsche beider Länder. Rumänien will dem grenzkontrollfreien Schengen-Raum beitreten, Albanien EU-Mitglied werden.

Mit seinen EU-Unterstützungsaussagen betritt Söder kein politisches Neuland: Auch die Bundesregierung unterstützt Rumäniens Forderung. Probleme machten da bisher die Niederlande und Österreich. Er werde sich daher auch an Österreich wenden, um für Rumänien zu werben, so Söder. "Rumänien ist bei Schengen nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung", sagte er. Der Beitritt sei "mehr als akzeptabel".

Doch zurück zu den Fachkräften: Weil die Einreise von vielen Fachkräften nach Deutschland wegen überlasteter Visa-Stellen in den deutschen Botschaften scheitert, setzt Söder abseits der bayerischen Attraktivität auch auf eigene Mitarbeiter und ein eigenes Büro auf dem Balkan - genauer gesagt in der albanischen Hauptstadt Tirana. Söder hofft, auf diese Weise eine "Fast-Lane", also beschleunigte Visa-Verfahren im Eilverfahren, für Fachkräfte ermöglichen zu können.

Zumindest eine Idee nimmt Söder aus Tirana mit nach Hause - die Einrichtung eines Hauses der bayerischen Kultur. "Diese Idee könnte von mir sein", sagte er zu Rama. Vielleicht sei dies eine Initialzündung für eine neue Form des bayerischen Brückenbauens.