Schwarzbuch 2021

Krasse Fälle von Steuerverschwendung in Bayern


Dieses etwa zwölf Quadratmeter große "stille Örtchen" im Markt Gaimersheim im Landkreis Eichstätt kostet rund 230.000 Euro.

Dieses etwa zwölf Quadratmeter große "stille Örtchen" im Markt Gaimersheim im Landkreis Eichstätt kostet rund 230.000 Euro.

Von Ralf Müller und mit Material der dpa

Während der Corona-Krise sind die Staatsausgaben enorm gestiegen. Da tut jeder zu viel ausgegebene Euro besonders weh. Doch negative Beispiele gibt es dem Steuerzahlerbund zufolge in Bayern einige.

Keine Probleme, das diesjährige Schwarzbuch zu füllen, hatte der Bund der Steuerzahler (BdSt) in Bayern. Von einem überteuerten Toilettenhäuschen, universitäre Tagungen in Venedig und eine aus dem Ruder gelaufene Restaurierung einer Hinterlassenschaft des Märchenkönigs bei Schloss Linderhof reicht diesmal die Auflistung der Fälle, in denen in Bayern nach Ansicht der Steuerzahler Geld aus dem Fenster geworfen wurde. Am teuersten kam den Angaben des BdSt zufolge den Steuerzahlern der Kauf eines Grundstücks für die Ansiedlung der Technischen Universität (TU) Nürnberg.

Überteuerter Grundstückserwerb: Was letztlich der Ankauf eines rund 37 Hektar großen ehemaligen Bahngrundstücks an der Brunecker Straße in Nürnberg dem Freistaat gekostet hat, konnte auch das Schwarzbuch nicht genau benennen. Die Rede ist von "rund 90 Millionen Euro". Klar ist, dass der Gutachterausschuss der Stadt Nürnberg den Wert der Immobilie auf 46 Millionen Euro taxiert und der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) den Grundstückskauf gerügt hatte. Auch der Hinweis des bayerischen Bauministeriums, dass der Grundstückserwerb für die neue TU Nürnberg "alternativlos" gewesen sei, erregte das Misstrauen des Steuerzahlerbundes.

Grotte als Millionengrab: Eine ungewöhnliche Hinterlassenschaft von Märchenkönig Ludwig II. kommt dem bayerischen Volk jetzt noch einmal teuer zu stehen. Die Kosten für die Sanierung seiner Venusgrotte bei Schloss Linderhof wurde ursprünglich auf 24,8 Millionen Euro veranschlagt und soll jetzt an die 60 Millionen Euro kosten. Auch die Fertigstellung der künstlichen Tropfsteinhöhle mit Wasserfall wird sich um weitere zwei Jahre verzögern. Zwei Jahre - nämlich von 1876 bis 1877 - benötigte man, um für den König eine beispiellose Illusionsarchitektur in der Nähe des Schlosses Linderhof zu errichten. Deren Sanierung dürfte nun weit mehr als vier Jahre in Anspruch nehmen.

Schiefer Turm vom Tegernsee: Denkmalpflege kommt auch am Tegernsee teuer - allerdings in wesentlich kleineren Dimensionen. Eine neue Dacheindeckung der Kapelle St. Quirin musste wieder demontiert werden. Der Grund: Bei den Sanierungsarbeiten wurde der schiefe Kirchturm begradigt, was die "Kraftschlüssigkeit" des Bauwerks beeinträchtigte. Es müsse die Frage erlaubt sein, aus welchen Gründen der seit Jahrhunderten schiefe Turm der Kirche begradigt werden musste, fragt der Steuerzahlerbund: "Es käme doch auch niemand auf die Idee, den schiefen Turm von Pisa gerade rücken zu wollen." Übrig blieb eine Fehlinvestition in Höhe von 30.000 Euro.

Dolce Vita an der LMU: Hauptsächlich in den Jahren 2008 bis 2017 ließen es einige an der renommierten Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) krachen. Steuergelder in erheblichem Umfang seien verprasst worden, so das Schwarzbuch. Von einem sparsamen und wirtschaftlichen Reisekostenwesen habe man offenbar nicht viel gehalten, als man eine "interne Strategietagung" sowie ein "Projektmanagement" nach Venedig verlegte. Dafür fielen rund 32.000 Euro Reisekosten an. Ein einziger Beschäftigter habe sich gar 64.000 Euro für Taxifahrten vom Dienstort nach Hause erstatten lassen. Etwa 21.000 Euro an Bewirtungskosten für Speisen in teils gehobenen Restaurants seien verursacht worden. Auch das stieß bereits beim ORH auf Missfallen.

Überteuertes Toilettenhäuschen: Dagegen nehmen sich einige Tausend Euro, die in Gaimersheim (Landkreis Eichstätt) buchstäblich ins Klo gespült hat, vergleichsweise bescheiden aus. 230.000 Euro für den Bau einer zwölf Quadratmeter großen Toilettenanlage mit überdachtem Wartebereich am Bahnhofsgelände erscheinen dem BdSt als weit überdimensioniert.

Greensill-Pleite mit Folgen: Ziemlich ins (Steuer-)Geld droht die Bremer Greensill-Pleite wegen "risikobehafteter Finanzgeschäfte" einiger Kommunen zu gehen. Anfang März hatten nach Angaben des BdSt etwa 40 deutsche Gebietskörperschaften "auffällig" renditestarke Einlagen bei der Bank, darunter die bayerischen Gemeinden Vaterstetten (5,5 Millionen Euro), Pöcking (fünf Millionen Euro), Oberschleißheim (fünf Millionen Euro), die Stadt Puchheim (zwei Millionen Euro), die Gemeinde Denkendorf (eine Million Euro) sowie die Stadt Landshut mit 440.000 Euro. Es sei offen, ob durch Zahlungen aus der Insolvenzmasse, Schadensersatzforderungen oder Versicherungsleistungen der Schaden minimiert werden kann.

Zahlungen ohne Rechtsgrund: Locker saß der Steuerzahler-Euro auch bei der Stadt Bamberg, die laut Schwarzbuch in den Jahren 2011 bis 2017 insgesamt rund eine halbe Million Euro an Mitarbeiter für nicht nachgewiesene Überstundenpauschalen oder Mehrarbeit gezahlt habe. Einzelne Mitarbeiter hätten zudem Leistungsprämien erhalten, obwohl die hierfür notwendigen Begründungen gefehlt hätten.

Erweiterte Kostenexplosion: In oberfränkischen Lichtenberg (Landkreis Hof) wurde die "Villa Marteau", eine Musikbegegnungsstätte, um einen Konzertsaal und zusätzliche Räumlichkeiten erweitert. Am Ende sind nach BdSt-Angaben nicht nur höhere Kosten angefallen als erwartet auch der Fertigstellungstermin sei gehörig überzogen worden. Die Kosten seien immer wieder nach oben korrigiert worden: Von ursprünglich veranschlagten 3,32 Millionen Euro auf rund 5,1 Millionen Euro.

Druck-Sog-Wirkung unterschätzt: Von Planung und Ingenieurskunst keine Spur war bei Lärmschutzwänden zu bemerken, die in den Jahren 2004 bis 2006 entlang der ICE-Bahnstrecke München-Ingolstadt zwischen München-Obermenzing und Rohrbach errichtet wurden. Weil man die Druck-Sog-Wirkungen der vorbeifahren Hochgeschwindigkeitszüge unterschätzt hatte, mussten mehr als 100.000 Quadratmeter von Aluminium-Lärmschutzwänden nach zehn Jahren ausgetauscht werden. Die DB Netz AG, ein Tochterunternehmen der im Eigentum des Bundes stehenden Deutschen Bahn AG, zahlte dafür 45,7 Millionen Euro. Ursprünglich war der Austausch der Lärmschutzwände auf 30 Millionen Euro veranschlagt worden.

"Verplante" Klinikgruppe: Ein "Millionengrab" wittert der Steuerzahlerbund bei dem länderübergreifenden Modell einer kommunalen Zusammenarbeit im Fall des 2008 gegründeten bayerisch-thüringischen Klinikverbunds "Regiomed Kliniken GmbH". Gesellschafter der GmbH sind der Krankenhauszweckverband Coburg, der bayerische Landkreis Lichtenfels sowie die thüringischen Landkreise Sonneberg und Hildburghausen. Ins Zwielicht geraten ist laut Schwarzbuch die Klinikgruppe, als sie vor einigen Jahren mit einem Betriebsdefizit im unteren zweistelligen Millionenbereich (2018: rund 25 Millionen Euro) von sich reden machte. Im Fokus standen dabei Rechts- und Beratungskosten in Höhe von rund 17,5 Millionen Euro, die zwischen den Jahren 2013 bis 2018 angefallen waren. Fragwürdige Projekte seien zudem angestoßen worden, unter anderem die neue Zentralküche in Lichtenfels. Sie wurde für 21 Millionen Euro viel zu groß und überdimensioniert ausgelegt, heißt es in dem Schwarzbuch. Die Planung eines Seniorencampus in Coburg kostete 480.000 Euro wurden und wurde nicht umgesetzt. Zu guter Letzt habe "Regiomed" etwa vier Millionen Euro für Planungen eines Gesundheitscampus "verbraten", die nicht verwendbar seien.

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Ansicht eines Teils der Baustelle des 37 Hektar großen Areals im neuen Nürnberger Stadtteil Lichtenreuth, auf dem auch die 1,2 Milliarden Euro teure neue Technische Universität Nürnberg entsteht.

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Auf diesem Grundstück ist die Technische Universität Nürnberg geplant. Der Freistaat Bayern soll fast doppelt so viel gezahlt haben als es wert war.

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Das Dach der Kapelle St. Quirin musste wieder abgedeckt werden.

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Immense Kosten verschlingt die Sanierung der Venusgrotte in Ettal.