Innenministerium

Extremismus, Kriminalität, Spaltung: Demokratie unter Druck


Die fortlaufenden Krisen stellen nach Ansicht von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die Demokratie auch in Bayern auf eine Belastungsprobe. "Extremisten jeder Art und ausländische Akteure versuchen aktuelle Krisensituationen zu nutzen, um Misstrauen gegen den Staat, seine Institutionen und Entscheidungsträger zu säen", sagte der CSU-Politiker bei der Vorstellung des bayerischen Verfassungsschutzberichtes am Montag in München. Die Grenzen unterschiedlicher Extremismusbereiche würden dabei zunehmend verschwimmen. Gleichwohl differenziert der mehr als 400-seitige Bericht zwischen einer Vielzahl an Bedrohungen.

Rechtsextremismus

Trotz zahlreicher Präventionsmaßnahmen bleibt die Zahl der Rechtsextremisten in Bayern auf hohem Niveau. "Von den aktuell 2590 Szeneangehörigen gehören rund 54 Prozent mittlerweile dem unstrukturierten Personenpotenzial an, sind also zum Beispiel als Internetaktivisten auffällig geworden", sagte Herrmann. Dagegen verzeichnet der Bericht weniger rechtsextremistische Straftaten (787/minus 55 Prozent) und Gewalttaten (23/minus 56,6 Prozent). Laut Herrmann gebe es aber auch viele Straftaten, bei denen ein Einfluss rechtsextremistischen Gedankenguts naheliege.

Sorge mache den Verfassungsschützern auch, dass die rechte Szene ihre Agitation gegen Migranten verstärke und versuche, Proteste gegen die Unterbringung von Asylbewerbern zu beeinflussen, so Herrmann. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es mittelfristig zu einem erneuten Anstieg von Straftaten gegen Migranten komme.

"Reichsbürger"

Die Szene der "Reichsbürger"- und Selbstverwalter wächst: "2022 hat das Personenpotenzial mit 5360 einen neuen Höchststand erreicht", sagte Herrmann. Dies sei zum einen krisenbedingt, gehe aber auch auf das konsequente Handeln der Sicherheitsbehörden zurück, "die jedem noch so kleinen Hinweis auf reichsbürgertypische Aktivitäten nachgehen". In dieser Szene zeige sich ein großer Hang zur Verschwörungstheorien, ein erhebliches Radikalisierungspotenzial sowie eine steigende Gewaltbereitschaft. "Die Sicherheitsbehörden stufen aktuell rund 450 Personen als gewaltorientiert ein. Auch ist die Gesamtzahl der Straftaten von 425 auf 699 gestiegen."

Islamisten

Auch die Zahl der Islamisten im Freistaat verharrt stabil bei rund 4200 Personen. Zu den mitgliederstärksten Gruppierungen gehört neben der "Milli Görüs-Bewegung" (rund 2290 Mitglieder) der Salafismus. Hier sank die Zahl der Mitglieder bis Ende 2022 auf 690 (2019: 770 Personen), von denen etwa 18 Prozent als gewaltbereit gelten.

Linksextremisten

Rund 800 gewaltorientierte Personen werden vom Verfassungsschutz in der linksextremistischen Szene verortet. Verglichen mit dem Vorjahr ist dies ein Plus von 50 Personen. "Übergriffe werden gezielter, persönlicher und professioneller. Immer häufiger sind Einzelpersonen Ziel enthemmter Gewalt", sagte Herrmann. Auch wenn die Gesamtzahl der linksextremistischen Straftaten von 471 auf 364 (2022) gesunken sei, sei der Anteil der Gewalttaten an der Gesamtzahl auf 11,5 Prozent gestiegen (2021: 47, 2022: 42). "Der Anteil von gewaltbereiten Personen am Gesamtpersonenpotenzial liegt mittlerweile bei 27,5 Prozent. Dies deutet auf eine fortschreitende Radikalisierung hin."

AfD

Die AfD ist nicht im Bericht enthalten, weil er vor dem jüngsten Urteil des Münchner Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Beobachtung des Landesverbandes auf Basis offen zugänglicher Informationen in den Druck ging. Der Chef des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Burkhard Körner, erklärte aber auf Nachfrage, dass sich die AfD gezielt auf Plattformen im Internet bewege, die versuchten, die Gesellschaft zu spalten. Auch würden einzelne Mitglieder und Teile der AfD aus Sicht der Behörde die Menschenrechte von Ausländern und Bürgern mit Migrationshintergrund verletzen, etwa indem ihnen pauschal vorgeworfen werde, Straftaten zu begehen. Ferner verstoße die AfD auch gegen das Demokratieprinzip, was sich in Formulierungen wie "Systempresse" und "Kartellparteien" zeige.

Klimaaktivisten

Anders als auch von konservativen Politikern gerne behauptet, sind die meisten Gruppen der Klimaaktivisten wie "Last Generation" nach Angaben Körners kein Fall für den Verfassungsschutz. Möglicherweise würden Akteure dieser Gruppen zwar Straftaten begehen, diese seien aber nicht gegen die Demokratie gerichtet. Die meisten Gruppen seien nicht durch Mitglieder aus dem Linksextremismus geprägt, sondern durch ein bürgerliches Umfeld.

Ausland

Sorge bereite den Verfassungsschützern wachsende Bedrohung durch Cyberangriffe, Desinformationen und auch Spionage infolge des russischen Angriffskriegs - sowohl virtuell als auch real. "Verschwörungstheorien, Fake News, Hass und Hetze vor allem im Internet haben viele Überschneidungspunkte mit extremistischen Ideologien. Über dieses Einfallstor können sich demokratiefeindliche Vorstellungen leichter in der Gesellschaftsmehrheit verbreiten", sagte Herrmann. Erschwerend komme die große Dynamik oftmals zufälliger Vernetzungen in den sozialen Medien hinzu. All das stelle die Verfassungsschützer vor neue Herausforderungen. Auch bayerische Unternehmen müssten immer mit Cyberangriffen rechnen, so Herrmann.