Bayern

Glaube, Liebe, leere Bänke

Wie hat sich Ostern über die Jahre verändert und wie sieht die Zukunft der Kirchen aus? Zwei Münchner Pfarrer ziehen Bilanz und erklären, welche Gedanken auch für Nicht-Christen Hoffnung spenden können


Norbert Roth ist evangelischer Pfarrer in St Matthäus am Sendlinger Tor.

Norbert Roth ist evangelischer Pfarrer in St Matthäus am Sendlinger Tor.

Von Carmen Merckenschlager

München - Schokohasen in Goldpapier, Eier in Pink und Hasen aus Holz: An österlicher Ware mangelt es in den Supermärkten seit Wochen nicht. Am Ende ist Ostern dann doch das höchste Fest der Christenheit.

Zwei Münchner Pfarrer erinnern sich in der AZ an Zeiten vor der Pandemie, vor Veröffentlichung der Missbrauchsgutachten. Wie hat sich Ostern in München verändert? Und welche Botschaft ist für die Geistlichen dieser Tage besonders bedeutsam?


Die Kirchenaustritte sprechen für sich; spätestens mit dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle. Im Jahr 2022 traten 26 860 Münchner aus den Kirchen aus. Bis Anfang April 2023 verzeichnete das Kreisverwaltungsreferat 6116 Austritte.

Pfarrer Michael Schlosser in der katholischen Kirche Mariahilf in der Au.

Pfarrer Michael Schlosser in der katholischen Kirche Mariahilf in der Au.

"Für manche Menschen sind wir alle Kinderschänder", sagt Pfarrer Michael Schlosser (65). Seit rund zehn Jahren ist er in der katholischen Pfarrkirche Mariahilf in der Au tätig. Man merke, dass immer weniger Leute in die Kirche kommen. "Durch die Veröffentlichung der Missbrauchsgutachten wurde das verstärkt", sagt der Pfarrer.

Weniger Pfarrer, weniger Gottesdienste

Allein deshalb habe sich bei ihm in der Kirche schon einiges verändert. Die Erstbeichte finde bei Schlosser nicht mehr allein mit den Kindern statt, sondern in kleinen Gruppen. "Die Unbefangenheit ist weg, das hat sich verändert. Wir haben ein massives Glaubwürdigkeitsproblem", erzählt Schlosser. In Mariahilf sei die Kirche sehr groß. Eng würde es nur an Weihnachten. Schlosser: "Vor zehn Jahren war es auch bei uns noch voller."

Nicht nur deshalb gibt es mittlerweile eine Social-Media-Beauftragte im Dekanat. Einen Instagramaccount soll es bald geben.

Auch die Ökumene sei in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. "Wir sehen uns als Geschwister", sagt Schlosser.

Ein tolles Beispiel dafür sei das JoMa, ein ökumenisches Nachbarschaftscafé in der Au. Seit Mai 2022 hat es geöffnet und wird von den Kirchengemeinden St. Johannes und Mariahilf geführt.

Und wie wird es in zehn Jahren in Mariahilf und den Münchner Kirchen ausschauen? "Es wird weniger Gottesdienste geben, weil es immer weniger Pfarrer gibt", sagt Schlosser.

Gleichzeitig werde das Kirchenleben in Zukunft vielfältiger. "Der nächste Schritt wäre, dass Frauen taufen und Hochzeiten halten dürfen. Das hoffe ich - und halte das für machbar", sagt Schlosser.

Kirchenaustritte: "Wenn ich die Zahlen sehe, wird mir schlecht"

Auch in der evangelischen Kirche St. Matthäus am Sendlinger Tor sind die Gottesdienstbesucher über die Jahre weniger geworden, weiß Pfarrer Norbert Roth. Seit elf Jahren ist der dort. "Wenn ich die Zahl der Austritte sehe, wird mir jedes Mal schlecht", sagt Roth. Schön sei aber, dass sich das im Gemeindeleben kaum widerspiegele. Das sei weiterhin sehr lebendig.


Was dem Pfarrer auffällt: "Die Zahl der Beerdigungen nimmt stark ab. Viele gehen direkt zum Bestatter. Oft erfahren wir erst danach von dem Todesfall", sagt der 49-Jährige. Viele würden mittlerweile freie Trauerredner bevorzugen.

Ums Sterben gehe es auch an Ostern, sagt der Pfarrer: "Ich habe noch nie jemanden erlebt, der keine Angst vor dem Tod hatte." Und genau deshalb sei Ostern so ein wunderbares Fest. "Es zeigt uns, die Angst ist nicht das Ende, sondern auch nach dem Tod geht es weiter - Gott setzt sich immer durch", sagt Roth.

"Offen und ehrlich miteinander sprechen - davon kann jeder profitieren", findet Pfarrer Roth

Was Roth einem Heiden entgegnet? "Ich habe selber zu oft die metaphorische Auferstehung erlebt. Gerade in der Pandemie, wenn entzweite Familien zum Beispiel trotz aller Widrigkeiten wieder zusammengefunden haben", sagt er.

Wenn auch das nicht überzeugt? Das Heilsamste so oder so sei das ehrliche Sprechen über Dinge. Roth: "Kein Mimimi und Lamentieren oder stattdessen das Abtun von Problemen: Offen und ehrlich miteinander sprechen - davon kann jeder profitieren. Ob nun Christ oder nicht."