Missbrauchsskandal

Der Traunsteiner Prozess und Ratzingers Erbe

In etwas mehr als einer Woche soll vor dem Landgericht Traunstein eine Zivilklage um den Missbrauchsskandal gegen einen Täter und Kirchenverantwortliche starten. Eine wichtige Frage ist dabei noch ungeklärt: Wer erbt vom Papst?


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Eine Figur des früheren Papstes Benedikt XVI. hängt an einer Fassade.

Kurz vor dem Prozess um den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche vor dem Landgericht Traunstein ist der Umgang mit dem prominentesten Beklagten in dem Verfahren weiter unklar. Die entscheidende Frage: Wer erbt vom Papst?

Der Klägeranwalt spricht sich gegen eine Abtrennung des Verfahrens gegen den an Silvester gestorbenen Papst Benedikt XVI. aus: "Kardinal Ratzinger war und ist die "Ikone" des Verfahrens", sagte Rechtsanwalt Andreas Schulz der Deutschen Presse-Agentur in München. "Alle Beklagten gehören zusammen, deswegen wäre Abtrennung keine Option." Zuvor hatten Correctiv und der Bayerische Rundfunk darüber berichtet.

Das Landgericht Traunstein will am 28. März über die Zivilklage eines Missbrauchsopfers gegen den mutmaßlichen Täter sowie Vertreter der katholischen Kirche verhandeln. Diese sogenannte Feststellungsklage richtet sich gegen vier Beschuldigte: den Wiederholungstäter Priester H., das Erzbistum München und Freising sowie die früheren Erzbischöfe Kardinal Friedrich Wetter und eben Ratzinger. Nach dem Tod des emeritierten Papstes ruht das Verfahren gegen ihn allerdings bis klar ist, wer seine Rechtsnachfolge antritt.

Nach Angaben seines langjährigen Privatsekretärs und Testamentsvollstreckers Georg Gänswein hat Papst Benedikt keinen Erben eingesetzt - darum komme "die gesetzliche Erbfolge zum Zug", sagte er im dpa-Interview. "Diese richtet sich nach vatikanisch-italienischem Recht. Die Anschreiben an die möglichen Erben sind im Gange. Die Antworten der möglichen Erben stehen noch aus."

Nachdem Ratzinger Papst geworden war, hatten Medien über Cousins und Cousinen von ihm berichtet, von denen einige auch in Australien leben sollen. Ob es sich bei diesen Angehörigen um die möglichen Erben handelt, sagte Gänswein nicht. Sollten die möglichen Rechtsnachfolger das Erbe ausschlagen, würde es dann wohl an den Vatikan fallen. Die von Ratzinger in dem Verfahren beauftragte Anwaltskanzlei antworte auf eine entsprechende Anfrage nicht.

Sollte die Frage des Erbes nicht vor Prozessbeginn am 28. März geklärt werden können, spricht Schulz sich für eine Vertagung aus: "Warten ist besser als abtrennen." Über eine solche Vertagung müsste allerdings das Gericht entscheiden, das eine entsprechende Anfrage zunächst unbeantwortet ließ.

Bei dem Fall, der im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht, geht es um den wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Wiederholungstäter Priester H., der nach Vorwürfen gegen ihn in den 1980er Jahren aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern versetzt wurde - zu der Zeit, als Ratzinger Erzbischof von München und Freising war.

In seiner neuen Diözese wurde der Priester dann wegen sexuellen Missbrauchs in Grafing bei München rechtskräftig verurteilt und erneut versetzt - nach Garching an der Alz, wo niemand von seinen Taten wusste und wo der Priester erneut rückfällig wurde.

Der Traunsteiner Kläger gibt an, in Garching von dem Mann missbraucht worden zu sein, und sieht auch Vertreter des Bistums in der Verantwortung, denen er vorwirft, Fälle vertuscht und so weitere Taten erst ermöglicht zu haben.

Das Erzbistum will sich in dem Verfahren nicht auf Verjährung berufen und hat schon angekündigt, ein Schmerzensgeld und gegebenenfalls auch Schadenersatz zahlen zu wollen. Bislang hatte die Kirche Missbrauchsbetroffenen in erster Linie betont freiwillige Anerkennungsleistungen gezahlt.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht nun womöglich eine Klagewelle auf die Kirche zurollen: Jetzt würden "viele Opfer sexualisierter Gewalt den staatlichen Klageweg einschlagen", sagte er. Sollte es dazu kommen, sieht er vor allem ärmere Bistümer in finanzieller Bedrängnis.