CSU, FW und Co.

Aiwanger-Affäre bestimmt Polit-Auftritte bei Gillamoos-Fest

Die Flugblatt-Affäre um Bayerns Regierungsvize Aiwanger hat für ein politisches Beben gesorgt. Das zeigte sich auch beim politischen Gillamoos.


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Hubert Aiwanger beim Gillamoos auf der Bühne. 

Von dpa

Bei den traditionellen Politiker-Auftritten auf dem Gillamoos-Jahrmarkt in Abensberg (Landkreis Kelheim) war vor allem Hubert Aiwanger das bestimmende Thema - mit Ausnahme von Markus Söder und Aiwanger selbst. Hier ein Überblick über Aussagen der Parteivertreter.

Aiwanger sieht Demokratie "in höchster Gefahr"

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat bei seiner Rede vor einer politischen Spaltung des Landes gewarnt. "Dieses Land wird derzeit politisch tief gespalten bis hin zu einer Situation der Regierungsunfähigkeit", sagte Bayerns Vize-Ministerpräsident. Als Beispiel nannte er Umfragen in ostdeutschen Bundesländern, in denen "Randparteien" mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinten. "Dann ist die Demokratie in höchster Gefahr", sagte Aiwanger.

Seine Partei wolle deshalb "ein Angebot der vernünftigen Politik" an Wähler der Mitte machen, sagte Aiwanger. Sie habe dabei die Pflicht, "Fehlentwicklungen ganz deutlich zu benennen". Mit Blick auf seine umstrittenen Äußerungen zum Heizungsgesetz bei einer Kundgebung im oberbayerischen Erding sagte der Freie-Wähler-Chef: "Ich sah mich in keiner anderen Situation als diese Dinge beim Namen zu nennen, damit die sehen, dass die Bevölkerung diesen Weg nicht mitgeht."

Aiwanger hatte bei der Kundgebung unter anderem gesagt, dass eine schweigende, große Mehrheit die Demokratie wieder zurückholen müssen. Vertreter anderer Parteien hatten Aiwanger dafür scharf kritisiert und ihm Populismus vorgeworfen.

Ebner-Steiner: Aiwanger ist Teil des Systems Söder

Katrin Ebner-Steiner, AfD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, sieht Freie-Wähler-Politiker Hubert Aiwanger indes als Teil des "Systems Söder". "Aiwanger spielt nur Opposition", sagte sie beim politischen Gillamoos. Er habe "die Aufgabe, die Stimmen der kritischen Bürger ins System reinzuholen und dort zu neutralisieren". Allein diese Funktion sichere ihm das politische Überleben, so Ebner-Steiner. "Aiwanger ist der brüllende Bierzelttiger, der als Schmusekätzchen bei Söder auf dem Arm landet." Die CSU wiederum sei "eine der Hauptverantwortlichen des ganzen Wahnsinns, der heute unser Land befallen hat".

Hubert Aiwanger steht seit gut einer Woche wegen der Flugblatt-Affäre in der Kritik. Am Sonntag teilte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit, an seinem Stellvertreter und an der Koalition mit den Freien Wählern festhalten zu wollen.

Söder verspottet Bundesregierung als "Hampel-Ampel"

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat eine Koalition mit den Grünen erneut kategorisch ausgeschlossen. "Die Grünen passen mit ihrem Weltbild nicht zu Bayern, und deswegen wird es keine Grünen in der bayerischen Staatsregierung geben. Auf gar keinen Fall", sagte Söder in seiner Rede.

Den Namen Aiwanger nannte der CSU-Vorsitzende in seiner Rede nicht ein einziges Mal, auch den Koalitionspartner Freie Wähler erwähnte er nicht. Auf die Vorwürfe gegen den Freie-Wähler-Chef rund um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten ging er ebenfalls nicht explizit ein. Er spielte nur kurz auf seine Entscheidung vom Sonntag an, Aiwanger trotz allem im Amt zu belassen – als er sagte, am Ende komme es eben auf den Ministerpräsidenten an, dass aus einem "Durcheinander" aus Meinungen und Stimmungen eine Handlung erfolge.

Söder attackierte dagegen die Bundesregierung: "Die Hampel-Ampel ist die schlechteste Regierung, die Deutschland je hatte", sagte er. "Woche für Woche Streit", kritisierte er. "Woche für Woche Hin und Her." Nach der Bundestagswahl 2025 werde die Union die Ampel ablösen, sagte er optimistisch voraus. "Die Ampel wird das Jahr 2025 nicht mehr erfolgreich als Regierung bestreiten. Die lösen wir gemeinsam ab." Er warnte aber ausdrücklich vor zu vielen Stimmen für die AfD bei der Landtagswahl am 8. Oktober: "Das schadet unserem Land."

Merz: Söder hat Affäre um Aiwanger bravourös gelöst

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für die Aufarbeitung der Affäre um Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gelobt. Söder habe in den vergangenen Tagen eine verdammt schwierige Aufgabe gehabt, und die habe er bravourös gelöst, sagte Merz am Montag bei einem gemeinsamen Bierzelt-Auftritt mit Söder auf dem Volksfest Gillamoos im niederbayerischen Abensberg. "Sehr gut, genauso war's richtig, das so zu machen", sagte Merz. Söder hatte am Sonntag seine Entscheidung mitgeteilt, Aiwanger am Ende trotz aller Vorwürfe rund und ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten im Amt zu belassen.

Merz attackierte in seiner Rede die Ampel-Regierung zur Halbzeit der Legislaturperiode in scharfen Worten. "Wir sind fest entschlossen, es spätestens in zwei Jahren besser zu machen als diese Regierung", sagte Merz. Deutschland habe eine bessere Regierung verdient. "Fachkräftemangel haben wir in erster Linie in der Bundesregierung – und nicht bei den Ingenieuren in Deutschland." Merz warf SPD, Grünen und FDP unter anderem schwere Fehler in der Energie- und in der Migrationspolitik vor. Die Abschaltung dreier funktionierender Atomkraftwerke kritisierte er als "Dämlichkeit" und "Schwachsinn".

SPD-Landeschef: Söder hat sich an Aiwanger "gekettet"

Der bayerische SPD-Landeschef Florian von Brunn hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Führungskraft abgesprochen. In der Flugblatt-Affäre habe sich gezeigt: "Söder hat keinen Einfluss", sagte er am Montag. Söder habe sich an den Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger "gekettet, er ist auf ihn angewiesen". Von Brunn eröffnete auf dem Volksfest Gillamoos im niederbayerischen Abensberg (Landkreis Kelheim) den politischen Frühschoppen der SPD.

Dabei attackierte er Aiwanger erneut: Ein antisemitisches Flugblatt sei keine Jugendsünde - "nein, es ist eine Sauerei". Er kenne viele, die Unsinn in der Jugend gemacht hätten. "Aber ich kenne niemanden, der so üble Flugblätter in der Tasche hatte. Das ist kein dummer-Jungen-Streich. Das ist rechtsradikal und nichts anderes."

Söder hatte am Sonntag erklärt, dass er trotz der Vorwürfe rund um ein antisemitisches Flugblatt an Wirtschaftsminister Aiwanger festhalten wird. Eine Entlassung wäre aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig. Zudem hatte Söder bekräftigt, ungeachtet des Umgangs der Freien Wähler mit der Flugblatt-Affäre an der Koalition nach der Wahl am 8. Oktober festhalten zu wollen.

Grüne kritisieren Söder und Aiwanger scharf

Die bayerischen Grünen-Fraktionsspitzen kritisierten im Gillamoos-Weinzelt die Staatsregierung hinsichtlich der Aiwanger-Affäre erwartungsgemäß scharf. Fraktionschefin Katharina Schulze sagte, Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder habe "es versäumt, für Klarheit zu sorgen und weiteren Schaden von Bayern abzuwenden." Sie forderte von Söder: "Erst das Land, dann die Partei." Aiwanger warf sie vor: "Wenn Hubert Aiwanger sich jetzt aber selbst zum Opfer einer Kampagne stilisiert, dann ist das einfach nur schäbig." Aiwanger habe mit seinen Antworten auf Söders Fragekatalog in der Flugblatt-Affäre nur auf dem Papier Reue gezeigt, im Bierzelt klinge er anders.

Grünen-Spitzenkandidat und Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann sagte: "Markus Söder hat sich für Taktik entschieden, nicht für Haltung." Allein der Anschein von Antisemitismus schade dem Land. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, heuer von den Grünen als "Stargast" geladen, konzentrierte sich in seiner Bierzelt-Rede eher auf Aiwangers Einlassungen bei einer Demonstration im Juni in Erding: "Wenn ein stellvertretender Ministerpräsident sagt, man müsse sich die Demokratie zurückholen - die ihn selber an die Macht gebracht hat, nämlich die schweigende Mehrheit in der Wahlkabine - dann stimmt was nimmer, und dann ist das gefährlich. Und das ist nimmer lustig", sagte Kretschmann. "In Krisen polarisiert man nicht, treibt nicht immer alles auf die Spitze", betonte der Grünen-Politiker und nannte als Beispiel Aiwangers Aussage, die Grünen propagierten das "Insekten-Fressen".

Mehring: "Menschen in Bayern mögen keine Denunzianten"

Der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler in Bayern, Fabian Mehring, hat die Vorwürfe gegen Parteichef Hubert Aiwanger als Kampagne "mit dem Ziel, der Ampel den Weg zu bahnen", bezeichnet. Die Opposition habe den Vize-Ministerpräsidenten "aus wahltaktischen Gründen in den Dreck ziehen wollen", sagte Mehring beim Volksfest Gillamoos. "Es ist jedem in Bayern klar, was da gerade passiert."

Stattdessen werde Aiwanger nun gefeiert "wie nie ein Politiker zuvor". "Die Menschen in Bayern mögen keine Denunzianten", sagte Mehring. "Die Menschen in Bayern mögen keine Roten und keine Grünen in der Landesregierung." Ähnlich äußerte sich Bayerns Umweltminister und Mehrings Parteifreund Thorsten Glauber. Schule sei ein geschützter Raum, es sei ein "Skandal", dass nun daraus Vorwürfe gestrickt würden. "Wer da das Denunziantentum unterstützt, der hat in diesem Land nichts verloren", sagte Glauber.

Klingbeil: Söder hat "den Buckel gemacht vor dem Aiwanger"

SPD-Chef Lars Klingbeil hat dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder vorgeworfen, in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt vor seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger eingeknickt zu sein. "Der hat den Buckel gemacht vor dem Aiwanger", sagte Klingbeil am Montag auf dem Volksfest Gillamoos im niederbayerischen Abensberg.

Ministerpräsident Söder hatte am Sonntag entschieden, trotz der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Aiwangers Schulzeit an seinem Stellvertreter von den Freien Wählern festzuhalten. Klingbeil kritisierte den Umgang des CSU-Chefs mit der Affäre scharf. "Wenn er hier in Bayern ein ernsthaftes Problem hat, dann schwimmt er, dann laviert er, dann duckt er sich weg", sagte der SPD-Vorsitzende. "Der guckt nur auf sich selbst, aber nicht auf dieses Bundesland."

Die Äußerungen Aiwangers zu der Affäre habe er nicht als ernsthafte Entschuldigung wahrgenommen, sagte Klingbeil. Stattdessen habe sich der Vizeregierungschef in Bierzelten als Opfer einer Medienkampagne dargestellt. "Das ist unanständig, da wird der politische Diskurs verschoben, da verschwindet Anstand aus der Politik, sagte Klingbeil. "Hubert Aiwanger und Markus Söder sind spätestens seit diesem Wochenende keine Vorbilder mehr für junge Menschen, die in der Politik was erreichen wollen."

Weidel attackiert Ampel-Koalition bei Gillamoos-Volksfest

AfD-Co-Chefin Alice Weidel hat die Bundesregierung beim politischen Gillamoos-Volksfest scharf angegriffen und den Anspruch der AfD betont, auf Ebene der Bundesländer künftig regieren zu wollen. Das Land stecke in einer tiefen Krise, die Regierung reite es immer weiter hinein, rief Weidel den AfD-Anhängern bei ihrer Rede zu. "Wir werden von Wahnsinnigen regiert und von Idioten!" Die AfD sei angetreten, das Land zu retten. Mit Blick auf aktuelle Umfragewerte für ihre Partei in Sachsen (35 Prozent), wo im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt wird, sagte Weidel: "Die Zeit ist reif für die erste AfD-Landesregierung."

Der Bundesregierung warf sie eine Politik der Verbote und Vorschriften "am Fließband" vor. Weidel kritisierte die geplante Cannabis-Legalisierung. Das von der Ampel-Koalition eingeführte Bürgergeld sei ein "Migrationsmagnet" und Deutschland das Sozialamt der Welt. Die AfD-Chefin attackierte auch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und bezeichnete ihn als "Selbstdarsteller und Wendehals".