AZ-Serie zu den Kultlöwen

Olaf Bodden: Der Mann, der das Bierofka-Ende voraussagte


Olaf Bodden stürmte mehrere Jahre lang für die Löwen.

Olaf Bodden stürmte mehrere Jahre lang für die Löwen.

Von Michael Schleicher / Online

Der nächste Kultlöwe in der AZ-Serie ist Olaf Bodden, der in den 90ern einige der erfolgreichsten Jahre beim TSV 1860 mitprägte. Bis die Krankheit kam, die alles verändert hat.

München - Über seine Krankheit will Olaf Bodden schon lange nicht mehr reden. Weil schon so viel geschrieben worden sei über sein Leiden, sagte er kürzlich, aber nie so wirklich richtig, und weil es für einen Laien Monate dauern würde, sich in die Materie komplett einzulesen.

Karsten Wettberg, Boddens enger Freund und Vertrauter, erzählte einmal, dass es so sei wie bei einer nie endenden Grippe. Kopfweh, Müdigkeit, Schmerzen, das volle Programm, mag sein, dass es das am besten trifft. Tatsache aber ist in jedem Fall, dass Olaf Bodden seit vielen Jahren ein Pflegefall ist und ein bettlägeriger kranker Mann.

In den seltenen Interviews, die er zuletzt gab, sprach er weniger über seinen Zustand jetzt als viel lieber über Sechzig damals. Wie er 1994 zu den Löwen kam und dort einige der erfolgreichsten Jahre der Klub-Historie mitprägte.

Olaf Bodden (r.) zuhause mit seinem guten Freund Karsten Wettberg.

Olaf Bodden (r.) zuhause mit seinem guten Freund Karsten Wettberg.

Bodden schoss die Löwen im Alleingang ab

Bodden kam von Hansa Rostock, in der blauen Aufstiegssaison spielte er in der Zweiten Liga zwei überragende Partien gegen die Löwen, gleich am allerersten Spieltag Ende Juli schoss er drei Tore beim 4:0 gegen Sechzig, ein Spiel, das Schlimmstes befürchten ließ nach dem Aufstieg aus der Bayernliga, ein Spiel, nachdem man nie für möglich gehalten hätte, dass am letzten Spieltag Pacult in Meppen den Klub in die Bundesliga schießen würde. Das vierte Tor damals erzielte übrigens Jens Dowe. Auch er kam später zu Sechzig.

Und spätestens, als Bodden auch beim Rückspiel im Grünwalder ein Tor beim 2:1-Sieg erzielte, stand er auf dem Wunschzettel von Werner Lorant. "Eigentlich wollte er mich mit Jens Dowe schon im Sommer holen", erzählte Bodden vor einigen Monaten, "aber Werner sagte zu mir: 'Wir haben kein Geld, wir können dich erst holen, wenn wir im Olympiastadion Geld verdienen.'"

Das taten sie dann auch, und weil sie die ersten Spiele der neuen Saison am Oberwiesenfeld austragen mussten, konnten sie sich Bodden dank der Zuschauereinnahmen dann auch leisten. Bodden kam im Oktober, mitten während der Hinrunde, ein Transferfenster gab es damals nicht, und wenn, dann war es immer offen.

Bodden-Transfer mitten in der Saison

"Es war eine Nacht-und-Nebel-Aktion", erinnerte sich Bodden über die abenteuerlichen Begebenheiten rund um seinen Wechsel. "Weil wir im Osten damals kein Telefon hatten, hatte ich mit Werner Lorant in der Telefonzelle in Graal-Müritz, einem Ort rund 30 Kilometer von Rostock entfernt, alles klar gemacht. Am nächsten Tag bin ich in Hamburg in den Flieger gestiegen und nach München geflogen." Als Bodden kam, hatte Sechzig nach acht Spieltagen 2:14 Punkte und war Tabellenletzter.

Dann debütierte er beim 2:2 in Bochum, traf bei der Heimpremiere gegen Freiburg zum 3:0, Endstand 4:0. Fast zwei Spielzeiten lang wirbelte er im Angriff der Löwen, zusammen mit Peter Pacult und Bernhard Winkler, in der Saison 1995/96 erzielte er 14 Treffer, Bodden wurde immer besser, er war 28, in der Form wäre sogar die Berufung in die Nationalmannschaft ein Thema gewesen.

Dann aber erkrankte er 1996 am Pfeifferschen Drüsenfieber, fiel bis April 1997 fast komplett aus, versuchte dann ein Comeback, und als er beim 3:2 in Bielefeld dreimal traf, war die Hoffnung groß, dass es aufwärts ginge und er das Gröbste überwunden hätte.

Schwere Krankheit: Im Dezember 1997 ist Schluss

Schaut man sich seine Leistungsdaten in seiner Zeit beim TSV 1860 auf transfermarkt.de chronologisch von oben nach unten an, werden die weißen Felder anfangs noch von vereinzelten roten Balken unterbrochen, rot bedeutet: nicht im Kader. Am Ende ist nur ein großer fetter roter Block zu sehen. Kein Weiß mehr, nirgends.

Im Dezember 1997, eine halbe Stunde noch, beim 0:1 gegen Bremen, das war's. Ab da: Ende, Krankheit, Leiden. Aus dem Drüsenfieber wurde das Chronische Erschöpfungssyndrom, Bodden versuchte es in seiner Verzweiflung auf eigenes Risiko in einer Studie mit Medikamenten, die Linderung versprachen, doch das Gegenteil war der Fall, das Präparat machte alles nur noch schlimmer.

2013 gab es ein Benefizspiel im Grünwalder, bei dem Bodden noch einmal ins Stadion geschoben wurde, auf einer fahrbaren Liege. Seitdem hat sich Bodden zurückgezogen, immer wieder bekommt er Besuch, von den engsten Gefährten wie Karsten Wettberg, der ihm Geld vorbeibringt, wenn auf dem für ihn eigens eingerichteten Spendenkonto wieder etwas eingegangen ist.

Olaf Bodden beim Benefizspiel.

Olaf Bodden beim Benefizspiel.

Bodden sagte Bierofka-Ende voraus

Fast prophetisch wirkte seine im März geäußerte Vermutung, Daniel Bierofka würde womöglich nicht mehr lange bei Sechzig bleiben. "Er ist nicht der Typ Mensch, der als Drittliga-Trainer in die Rente gehen will", sagte Bodden. "Wenn man Bierofka mit dem eingeleiteten Sparkurs nichts bietet, braucht keiner böse sein, wenn er 1860 verlässt." Dass möglicherweise noch andere Gründe für seinen Rücktritt eine Rolle spielten, war nicht zu ahnen.

Zu seinem Gesundheitszustand sagte Bodden noch: "Man gewöhnt sich über die Jahre daran und sagt sich: Jetzt muss ich damit leben!" Es bleibt nur die Hoffnung, dass er doch eines Tages auf die Beine kommt und irgendwann wieder bei einem Heimspiel der Löwen auf der Tribüne sitzt. Man würde das mehr feiern als all seine Tore zusammen.

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