Exklusiv-Interview

Bundestrainer Marco Sturm: „Wir sind alle gefordert“


Bundestrainer Marco Sturm.

Bundestrainer Marco Sturm.

Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm spricht im Interview über die Probleme in der Nachwuchsförderung.

Er glaube eher nicht, dass er einmal als Trainer im Profibereich arbeiten werde. Keine zwei Jahre ist es her, dass Marco Sturm diese Antwort auf die Frage zur Karriere nach der Karriere gab. Gut, dass sich der gebürtige Dingolfinger anders entschied. Seit Juli 2015 ist der 37-Jährige Bundestrainer der Eishockey-Nationalmannschaft, erst vor kurzem schwärmte DEB-Präsident Franz Reindl von der Strahlkraft, die von Sturm ausgeht.

Das deutsche Eishockey steckt in der Krise - und dort herausführen soll es der Mann, der nach seinen ersten beiden Profi-Jahren beim EV Landshut von 1997 bis 2012 für insgesamt sechs Teams in 1.006 NHL-Partien die Schlittschuhe schnürte. Das klappt nicht von heute auf morgen, das weiß auch Marco Sturm. Im Interview mit der Sportredaktion der Landshuter Zeitung spricht er an, was sich ändern muss, damit Deutschland international wieder wettbewerbsfähig wird.

Herr Sturm, viele sagen, es gibt zu viele Ausländer-Lizenzen in den DEL-Teams. Sie sind anderer Meinung, haben sich gegen eine Reduzierung der Kontingentspieler ausgesprochen. Warum?
Marco Sturm: "Die Überschriften klangen ein wenig anders, als das, was ich gesagt habe. Ich denke, das entscheidende Wort ist ,momentan'. Momentan fehlt dafür einfach die Breite an deutschen Spielern. Es muss erst in anderen Bereichen stimmen, bevor man die Ausländer reduziert."

Woran denken Sie konkret?
Sturm: "In der Vergangenheit haben wir vieles schleifen lassen. Es gab einige Dinge speziell im Nachwuchsbereich, wo wir ein wenig locker waren, andere Nationen dagegen mehr gemacht haben als wir. Das Resultat sieht man jetzt und das hab' ich auch bei der U 20 gesehen: Wir sind selbst in der B-WM mittlerweile kein Favorit mehr. Das aufzuholen geht nicht von heute auf morgen, das dauert, das ist ein Projekt von mehreren Jahren."

Das Problem ist hausgemacht. Zumal nur etwa die Hälfte aller DEL-Vereine vernünftige Jugendarbeit betreibt und in der Deutschen Nachwuchs-Liga vertreten ist.
Sturm: "Ich glaube, es fängt immer von unten an. Deswegen müssen wir alle speziell die Kinder begeistern, damit wir von der Breite her besser aufgestellt sind. Die Zuschauerzahlen in den Stadien haben wir ja, also müssen wir jetzt die Kinder wieder mehr pushen. Da sind die Vereine gefordert, und das sollen nicht immer dieselben Vereine sein wie in der Vergangenheit, sondern da sind alle gefordert. Und natürlich müssen dann die Kinder besser trainiert und die Trainer besser ausgebildet werden. Das ist ein Kreislauf, und in diesem Bereich müssen wir alle mehr tun. Es gibt schon einige sehr, sehr gute Standorte, aber wenn man sich das ganze Bild anschaut, dann ist das einfach zu wenig. Ich kann mich nur wiederholen: Wir sind alle gefordert, mehr zu tun, wenn wir wieder oben mitspielen wollen."

Sie haben es angesprochen: Es sind immer dieselben Vereine, wie Mannheim, Berlin, Köln, Düsseldorf oder Krefeld. Dazu die bayerischen Traditionsvereine Landshut, Rosenheim, Kaufbeuren, Bad Tölz, Riessersee oder Füssen. Nur: Die Zweit- und Oberligisten können den immensen finanziellen Aufwand auf Dauer nicht stemmen. Hier ist auch der DEB gefordert.
Sturm: "Bisher gab's den so genannten Reindl-Pool. Nun wurde das Fünf-Sterne-Konzept eingeführt, das war schon mal ein sehr guter Start, der in den letzten Monaten bereits einige Früchte getragen hat. Hier müssen die Vereine etwas tun, sonst bekommen sie keine Sterne und in der Folge auch weniger Förderung. Ziel muss grundsätzlich sein, dass wir flächendeckend ein einheitliches Niveau im Nachwuchs hinbekommen."

Ist das System mit den Förderlizenzen noch zeitgemäß? Viele DEL-Clubs holen junge Spieler, lassen sie mittrainieren, versprechen ihnen bei Zweit- oder Oberligisten Spielpraxis - und lassen sie dann auf der Tribüne schmoren.
Sturm: "Da sind wir wieder am Anfang, weshalb ich so viel Wert auf das Wort ,momentan' lege. Es geht nicht immer nur um die Ausländer, sondern um die vielen Baustellen drumherum. Das fängt mit den Förderlizenzen an. Das passt aktuell nicht zusammen. Ich hätte es nicht besser sagen können. Die DEL ist ein schwieriger Standort, um junge Spieler auszubilden. Es herrscht enormer Druck, man muss punkten, die jungen Spieler kommen nicht zum Einsatz. Man muss andere Wege finden, um sie auszubilden."

Das ganze Interview mit dem Bundestrainer - was er zu den Landshuter NHL-Profis Tobias Rieder und Tom Kühnhackl sowie die Ziele bei der anstehenden WM sagt - lesen Sie in der Wochenendausgabe der Landshuter Zeitung.