Berlin

Türkei-Deal: Druck auf Merkel wächst


Wegen des EU-Türkei-Deals wächst der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel zusehends.

Wegen des EU-Türkei-Deals wächst der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel zusehends.

Im Streit um den EU-Türkei-Flüchtlingspakt wächst der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sich nicht von der türkischen Regierung abhängig zu machen.

Die SPD machte Merkel für die Einhaltung des Abkommens durch die Türkei verantwortlich. CSU-Chef Horst Seehofer sieht das Abkommen sogar als eine Ursache für das Erstarken der AfD an. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wies Vorwürfe zurück, die Bundesregierung nehme zu viel Rücksicht auf die türkische Regierung.

Das Interesse der Türkei an dem Abkommen und der damit verbundenen Visa-Freiheit dürfe nicht unterschätzt werden, sagte Steinmeier dem "Tagesspiegel" (Sonntag). "Die Türkei weiß, was zu tun ist." Der Ball liege im türkischen Spielfeld. "Ankara muss uns sagen, wie es gedenkt, die offenen Fragen zu beantworten."

Merkel reist am 22. Mai nach Istanbul. Beim ersten UN-Nothilfegipfel will sie einen Tag später eine Rede halten. Ob Merkel Präsident Recep Tayyip Erdogan trifft, stand noch nicht fest.

Seehofer: "Weniger Flüchtlinge wegen geschlossener Balkanroute"

Der Flüchtlingspakt sieht vor, dass die Türkei nach Griechenland übergesetzte Migranten zurücknimmt. Für jeden zurückgeschickten Syrer darf ein anderer Syrer aus der Türkei legal in die EU einreisen. Teil des Abkommens ist auch die Visumfreiheit für türkische Bürger in der EU. Die ist an eine Entschärfung der türkischen Anti-Terror-Gesetze geknüpft. Letzeres lehnt Ankara ab. Erdogan droht, das Abkommen platzen zu lassen.

Seehofer misst dem Flüchtlingsabkommen keine Bedeutung für den Rückgang des Asylbewerberzustroms bei. "Es kommen weniger Asylbewerber, weil die Balkanroute von Mazedonien und Österreich dicht gemacht wurde", sagte Seehofer der "Welt am Sonntag". Das von Merkel vorangetriebene Abkommen sei erst danach geschlossen worden. "Die Arbeit haben andere gemacht. Wir profitieren ausschließlich von den Entscheidungen Österreichs und der Balkanstaaten."

"Deal mit der Türkei hat der AfD geholfen"



Bis zum Abkommen waren immer noch Flüchtlinge aus der Türkei kommend nach Griechenland gelangt. Dieser Zustrom versiegte erst, nachdem die Türkei die Neuangekommenen zurücknahm.

Seehofer bekräftigte seine Warnung, sich in der Flüchtlingskrise zu eng an die Türkei zu binden. Er sei zwar nicht gegen Gespräche. "Aber ich halte es für gefährlich, sich so von Ankara abhängig zu machen." Der Deal mit der Türkei habe aber der rechtskonservativen AfD geholfen.

"Nicht vor Erdogan kuschen"

Die SPD erwartet nach den Worten ihres Vize-Chefs Thorsten Schäfer-Gümbel, "dass Angela Merkel die Bedingungen des Deals durchsetzt und nicht vor Erdogan kuscht". Es sei die Verantwortung der Kanzlerin, dass der Türkei-Deal funktioniert, sagte er der "Welt am Sonntag". "Wir müssen von Angela Merkel verlangen, dass die Punkte umgesetzt werden, und wir sollten uns vor einem allzu devoten Umgang mit Erdogan hüten", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dem "Spiegel". EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kündigte an, bei der Reform der Anti-Terror-Gesetze keine Abstriche zu machen.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber, warnte im "Spiegel", sollte die Türkei die Voraussetzungen für die Visumfreiheit seiner Bürger nicht erfüllen, könnten bestehende Erleichterungen etwa bei der Visa-Beantragung gestrichen werden.

"Deal hat EU erpressbar gemacht"

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der "Welt am Sonntag": "Der Deal hat die EU erpressbar gemacht. Die Kanzlerin trägt dafür maßgeblich Verantwortung." Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht machte Merkel in dem Blatt verantwortlich dafür, "dass Europa sich gegenüber dem autoritären türkischen Regime erpressbar gemacht hat". Erdogan fühle sich gestärkt, Menschenrechte mit Füßen zu treten.

Die Zahl der geschleusten Migranten stieg stark an. Im April seien 853 geschleuste Personen aufgegriffen worden, im Januar nur 90, so die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf die Bundespolizei. Zur Versorgung der Flüchtlinge wird der Bund bis 2020 rund 93,6 Milliarden Euro bereitstellen, wie laut "Spiegel" aus einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums (BMF) hervorgeht.