Brüssel

Schmutziger Deal? Brüssel weist Kritik zu Türkei-Bericht zurück


Nach der Übernahme der türkischen Mediengruppe Koza Ipek haben die staatlichen Treuhänder die Zeitungen des Konzerns auf Regierungskurs gebracht.

Nach der Übernahme der türkischen Mediengruppe Koza Ipek haben die staatlichen Treuhänder die Zeitungen des Konzerns auf Regierungskurs gebracht.

Von SRT Praktikant

Die EU-Kommission hat den Vorwurf der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bestritten, wegen der Parlamentswahl in der Türkei einen brisanten Bericht zurückzuhalten. Die Kommission sei derzeit rund um die Uhr mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise beschäftigt, sagte ein Sprecher in Brüssel.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird demzufolge einen angemessenen Zeitpunkt für die Veröffentlichung des sogenannten Fortschrittsberichts zu den EU-Beitrittsverhandlungen wählen. In ihm geht es auch um die Menschenrechtssituation in der Türkei.

Human Rights Watch: Probleme werden ignoriert

Human Rights Watch hatte am Vortag kommentiert, es sei kurzsichtig und skandalös, dass die EU die Probleme in der Türkei derzeit ignoriere. Dass die Veröffentlichung des Berichts auf einen Zeitpunkt nach den Wahlen "verschoben werde", deute darauf hin, dass die EU bereit sei, Menschenrechtsverletzungen unter den Teppich zu kehren, solange die Türkei sie dabei unterstütze, Asylsuchende und Migranten von der Einreise abzuhalten.

Ein Entwurf des Berichts enthielt scharfe Kritik an der Menschenrechtssituation in der Türkei, vor allem mit Blick auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Nach der Übernahme der türkischen Mediengruppe Koza Ipek haben staatliche Treuhänder die Zeitungen des Konzerns auf Regierungskurs gebracht. Die bislang regierungskritische "Bugün" erschien am Freitag mit einem staatstragenden Foto von Erdogan bei den Feiern zum Tag der Republik auf der Titelseite. Die "Millet" bildete Davutoglu ab, der weiße Tauben mit einer "brüderlichen Botschaft" in den Himmel steigen lässt. Die zwischenzeitlich abgeschalteten Fernsehsender des Konzerns - Kanaltürk und Bugün - zeigten Wohlfühlsendungen statt Nachrichten.

In Parlamentskreisen wird vermutet, dass die türkische Regierung für eine stärkere Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise verlangt hat, den Fortschrittsbericht erst nach der Parlamentswahl an diesem Sonntag zu veröffentlichen. Sie soll demnach die Befürchtung gehabt haben, dass der Bericht das Wahlergebnis für die islamisch-konservative Regierungspartei AKP unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan negativ beeinflussen könnte.

Lesen Sie mehr: Erdogan lässt TV-Gebäude stürmen - Kritische Sender abgeschaltet

Der EU-Abgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Knut Fleckenstein, sagte zur bisher nicht erfolgten Veröffentlichung des Fortschrittsberichts: "Das riecht nach einem schmutzigen Deal." Die Entscheidung sei nicht angemessen, wenn man erwarte, dass der Fortschrittsbericht ernst genommen werden solle.