Bozen

Manfred Weber am Brenner: Hier wird Streit um Flüchtlingspolitik deutlich


Manfred Weber ist überzeugt: "Europa kann großes schaffen, wenn wir zusammenarbeiten."

Manfred Weber ist überzeugt: "Europa kann großes schaffen, wenn wir zusammenarbeiten."

Kein leichter Spagat: Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament hat dieser Tage viele Interessen auszugleichen.

Am Montag unternahm er eine Reise zum Brenner und nach Bozen. An dem Grenzübergang auf dem Alpenpass errichtet Österreich derzeit eine Kontrollstelle. Sollten sich nach der Schließung der Balkanroute die Flüchtlinge wieder andere Routen suchen, so fürchtet Österreich, dass wieder das Mittelmeer und Italien zum Haupteinfallstor werden könnten - und will sich dagegen bereits wappnen. Zu sehen ist am Brenner im Schatten eines großen Outlet-Einkaufszentrums noch nicht viel. Aber dem Nachbarn Südtirol passt das Vorhaben und die Aussicht auf lange Staus an der Grenze ganz und gar nicht. Sowohl die in Tirol regierende ÖVP, als auch die Südtiroler Volkspartei (SVP) gehören Webers Fraktion im Europaparlament an - allerdings sind auch sie sich intern nicht immer einig.

Und auch in seiner CSU hat Weber, der immer wieder das Europa der freien Grenzen hochhält, derzeit keinen leichten Stand - Parteichef Horst Seehofer fordert von der deutschen Bundesregierung nationale Maßnahmen, wie eben Grenzkontrollen oder gar Schließungen, um den Zustrom von Flüchtlingen nachhaltig zu verringern. Der bayerische Ministerpräsident lobt ausdrücklich Österreichs Vorhaben.

Für Weber ist der Brenner "keine normale nationale Grenze", wie er am Montag sagte, sondern ein "historischer Fehler", der aber inzwischen durch den Wegfall der Kontrollen zu einem Symbol für das grenzenlose Europa geworden sei. Für Tiroler im Norden oder Süden sei es heute fast egal, in welchen Land sie leben, weil die Staatsgrenze keine Rolle mehr spiele. Diese europäischen Errungenschaften will Weber auf jeden Fall bewahren und warnt daher vor nationalen Alleingängen. "Europa kann großes schaffen, wenn wir zusammenarbeiten." Doch müssten die EU-Mitglieder auch ihre Hausaufgaben erledigen, sagte er im Schneegrieseln auf dem Brennerpass. Daher müsse Europa zusammenstehen, "damit aus Sterzing kein Idomeni II wird". Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) bemühte sich bei einem Treffen mit Weber in Bozen, die Fassung zu wahren. Grenzkontrollen sind für ihn keine Lösung. Er fürchtet nicht nur, dass Flüchtlinge, die über das Mittelmeer Italien erreicht haben und auf dem Weg in Richtung Norden an der Brennergrenze abgewiesen werden, in seinem Land stranden könnten. Lager für Flüchtlinge - obwohl Südtirol für die Unterbringung nach eigenen Angaben bereit ist - möchte Kompatscher gerne verhindern. Immer wieder hat er zuletzt die "Kampfrhetorik" der österreichischen Minister Hans Peter Doskozil (Verteidigung) und Noch-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (Inneres) kritisiert, die mit einer Vollsperrung der Grenze gedroht hatten. Ihnen wirft der Südtiroler mangelnde Sensibilität vor, da sie die Bedeutung der "Unrechtsgrenze" zwischen Südtirol und Österreich ignorierten, zumal sich Südtirol noch immer mehr Österreich verbunden fühlt, als Italien.

Und auch für den Tourismus schwant Südtirol mit Grenzkontrollen nichts Gutes. Ausflügler auch aus Deutschland könnten künftig einen Bogen um die Urlaubsregion Südtirol machen, weil sie ihre knappe Zeit nicht in Staus an der Grenze verbringen wollen - mit fatalen Folgen für die südtiroler Tourismusbranche. Aus diesem Grund hofft Kompatscher auf eine europäische Einigung mit dem Ziel, dass Grenzkontrollen nicht nötig werden.

Weber skizzierte sodann im sonnigen Bozen, wie so eine Lösung aussehen könnte. Und hierbei sei Italien gefordert, das den österreichischen Plänen so gar nichts abgewinnen kann. Italien müsse seine Außengrenze schützen und die EU insgesamt "auch mit Gewalt" gegen Schlepperbanden in Libyen vorgehen. "Wir können uns von Verbrechern nicht auf der Nase herumtanzen lassen", sagte Weber. Italien müsste ankommende Flüchtlinge aber konsequent registrieren und dürfe sie nicht einfach weiterschicken. Danach müsse Europa die Menschen per Quote verteilen, da man Italien nicht alleine lassen dürfe. Das wolle er am Dienstag und Mittwoch auch seinen Gesprächspartnern, darunter Innenminister Angelino Alfano, bei seinem Besuch in Rom deutlich machen. Verbündete dafür hat Weber in Südtirol jedenfalls gefunden. Elisabetta Gardini, Leiterin der Forza-Italia-Delegation in der EVP-Fraktion, betonte auf der Passhöhe: "Wir müssen den Geist von Schengen (offene Binnengrenzen) erhalten, damit der Brenner nicht zum Lampedusa des Nordens wird." Die Mittelmeerinsel wurde zum Symbol des Versagens der EU-Flüchtlingspolitik, weil vor der Küste im Jahr 2013 Hunderte Migranten ertranken.

Herbert Dorfmann, SVP-Europaabgeordneter, sorgt sich außerdem um die praktische Umsetzung. Von den alten Kontrollstellen aus der Vor-Schengen-Zeit sind keine Spuren mehr geblieben. Österreich plane nun mehrere Abfertigungsspuren. Doch bei zehn Millionen Fahrzeugen pro Jahr, die sich über den Brenner quälen, werde dies zu praktischen Schwierigkeiten und langen Staus führen, die Europa bereits für überwunden hielt, gab Dorfmann zu Bedenken. EVP-Vorsitzender Manfred Weber steht nun noch viel Überzeugungsarbeit bevor. Doch für ihn ist klar, dass es sich lohnt "für die europäischen Errungenschaften zu kämpfen".