CSU-Parteitag

Kommentar zu Seehofers Wahl-Schlappe: Partei unterschätzt


Dass Horst Seehofer bei seiner Wiederwahl zum CSU-Vorsitzenden nur 87,2 Prozent der Stimmen hinter sich bringen konnte, das hätte er wohl kaum erwartet.

Dass Horst Seehofer bei seiner Wiederwahl zum CSU-Vorsitzenden nur 87,2 Prozent der Stimmen hinter sich bringen konnte, das hätte er wohl kaum erwartet.

Er sei auf alles vorbereitet, weil er schon so viel erlebt habe. Das mag man Horst Seehofer abnehmen. Doch dass er bei seiner Wiederwahl zum CSU-Vorsitzenden nur 87,2 Prozent der Stimmen hinter sich bringen konnte, das hätte er selbst wohl kaum erwartet. Dass bei 820 registrierten Delegierten überhaupt nur 788 zur Wahl schritten, kommt noch erschwerend hinzu. Den Wahlgang zum Vorsitzenden auf einem Parteitag kann man kaum verpassen, sodass auch diese 25 Delegierten, die gar nicht erst eine Stimmkarte abgaben, wohl ebenso wie die 98 Nein-Stimmen Vorbehalte gegen den Vorsitzenden hegen dürften. Seehofer hat vor dem Parteitag wenig Baugefühl für die Gemütslage seiner Partei bewiesen - das zeigt auch das Wahlergebnis.

Nun sind 87,2 Prozent kein Desaster, doch hatte Seehofer selbst einst die 90-Prozent-Schallmauer als Messlatte für den Erfolg beschrieben. Mit der einen oder anderen Handlung im Vorfeld des Parteitags hat Seehofer wohl mein manchem Fragen hinterlassen und unnötige Gräben aufgerissen, was sich nun bei der Wahl rächte.

Da ist etwa der Umgang mit der Bundeskanzlerin. Ihr Auftritt am Freitag und Seehofers Verhalten hatten wohl einige Delegierte verstört. Dabei zeigten sich in München durchaus zwei Lager. Die einen kritisierten Seehofer, der die Kanzlerin abgekanzelt und wie ein Schulmädchen habe aussehen lassen. Andere wiederum meinten, es sei wenigstens ehrlich, über Konflikte nicht einfach hinwegzugehen und auf eitel Sonnenschein zu machen. Immerhin hätte auch Angela Merkel etwas auf die CSU zugehen können. Doch das tat sie nicht.

Zwar will auch Merkel die Flüchtlingszahlen reduzieren, das Wort Obergrenze, wie es die CSU fordert, kommt ihr aber nicht über die Lippen. Genau in diese Wunde legte Seehofer seinen Finger. Man könne aber doch die Kanzlerin für diese missglückte Flüchtlingspolitik nicht auch noch loben, war vielfach zu hören. Vielen hätte schon gereicht wenn die Kanzlerin ein Gesprächsangebot unterbreitet hätte. Da half dann auch das viele Lob nicht, das Merkel für Bayern und die CSU ansonsten übrig hatte. Merkel und Seehofer haben sich jedenfalls am Freitag ihr Leben unnötig schwer gemacht.

Während er aber seinen Rückhalt für ein Bloßstellen der Kanzlerin überschätzt hatte, hat Seehofer wohl einen parteiinternen Rivalen unterschätzt. Markus Söder erhielt am Parteitag immer wieder Applaus und auch wenn Seehofer seinen Finanzminister erwähnte brandete auffallend viel Beifall auf. In Partei und Landtagsfraktion hat Söder offenbar bereits weit mehr Verbündete fest hinter sich, als Seehofer das bewusst war. Dass er Söder nach dessen Äußerungen in Folge der Anschläge von Paris wieder einmal vorwarf, nicht charakterfest zu sein und ihn maßregeln wollte, haben daher einige nicht für fair erachtet.

Immer wieder hatte Seehofer in letzter Zeit den Finanzminister hart rangenommen, im "Schmutzeleien" unterstellt und dessen charakterliche Eignung für das Amt des Ministerpräsidenten infrage gestellt. Doch der Söder-Block stand am Parteitag und das bekam auch Seehofer zu spüren.

Mit seinen Einlassungen zur Dritten Startbahn am Münchner Flughafen hat Seehofer offenbar ebenfalls Befremden ausgelöst. In den vergangenen Wochen hatte er immer wieder durchblicken lassen, dass er das Projekt - zumindest derzeit - für unnötig hält. Dabei steht gerade ein großer Teil der Landtagsabgeordneten klar hinter diesem Infrastrukturvorhaben. So mancher erinnert gar daran, dass zugunsten der Bahn immerhin der Donauausbau geopfert wurde, da man zwei "ökologisch umstrittene" Projekte auf einmal für nicht durchführbar gehalten habe. So war es zumindest ungeschickt von Seehofer, seine Zweifel so kurz vor seiner Wiederwahl zu äußern. 87,2 Prozent sind kein Beibruch, aber dennoch geht Seehofer angeschlagen in die kommenden zwei Jahre. Und die am Freitagabend so gedemütigte Kanzlerin dürfte sich ins Fäustchen gelacht haben. Also alle wieder quitt.

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