Asylpolitik

Keine „Wunderwaffe“, keine Obergrenze


Die Proteste auf der Straße gegen die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel nehmen zu. CSU-Chef Horst Seehofer fordert einen schärfen Kurs und ist mit einem Gesprächsangebot bei der Opposition im Landtag auf jetzt offene Ohren gestoßen.

Die Proteste auf der Straße gegen die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel nehmen zu. CSU-Chef Horst Seehofer fordert einen schärfen Kurs und ist mit einem Gesprächsangebot bei der Opposition im Landtag auf jetzt offene Ohren gestoßen.

Von Manfred Fischer / Onlineredaktion

Einhellige Zustimmung aus der Opposition - ein ungewohntes Gefühl für Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit ausließ, für einen schärferen Kurs in der Asylpolitik zu werben.

Doch die Einladung des Regierungschefs an die Fraktionsvorsitzenden der Opposition im Landtag zu einem gemeinsamen Gespräch über die Flüchtlingskrise am Freitag in einer Woche in der Staatskanzlei kommt parteiübergreifend gut an. "Die Menschen im Land erwarten Dialogfähigkeit der politischen Akteure", sagte gestern der Oppositionsführer, SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, unserer Zeitung: "Wir werden in großer Ernsthaftigkeit besprechen, wie wir die Flüchtlingsbewegung nach Bayern in geordnete Bahnen lenken, verlangsamen und die Zugangszahlen verringern." Daneben werde es aber auch "um funktionierende Integrationskonzepte für die weitere Zukunft gehen", kündigte er an.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger findet das Treffen "gut, um konstruktive Vorschläge einzubringen". Man müsse sich darauf konzentrieren, den Kommunen möglichst viel an Kosten abzunehmen, "damit die Leute nicht zu knauserig sind mit dem Personal", forderte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Er werde auch erneut mehr Richterstellen an den Verwaltungsgerichten einfordern, um den Rückstau an offenen Asylverfahren abzubauen. Seehofer werde um jeden Vorschlag aus der Praxis froh sein, sagte er.

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Grundsätzlich unterstützt Aiwanger den Kurs Seehofers in der Asylpolitik. "Ich werde ihn durchaus bestärken. Wir sind auch der Meinung, dass geltendes Gesetz endlich einmal konsequent angewendet werden muss." Es gehe weniger um neue Regeln als darum, "die Möglichkeiten, die wir in Bayern haben, auch voll auszuschöpfen, und hier den gesellschaftlichen Grundkonsens herzustellen", damit Seehofer "nicht wieder den Vorwurf kriegt, inhuman zu sein, wenn er konsequenter abschiebt". In Transitzonen für Flüchtlinge sehen die Freien Wähler laut Aiwanger keine "Wunderwaffe" - sie lehnen sie aber auch nicht rundweg ab. Wenn diese Zonen dazu dienten, den Grenzübertritt in geordnete Bahnen zu lenken, seien sie begrüßenswert, sagte er. Dann müssten sie aber auch an der Grenze eingerichtet werden und nicht weit im Landesinneren, etwa in Feldkirchen bei Straubing.

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann fordert, Seehofer solle "endlich Verantwortung übernehmen und sie nicht länger an den Bund oder die EU abschieben". "Wir erwarten, dass er bei dem Gespräch ganz konkret über Maßnahmen redet, wie wir die Landkreise an der Grenze zu Österreich entlasten können", sagte er unserer Zeitung. "Wir müssen es hinbekommen, dass die Flüchtlinge zügiger verteilt werden."

Vorwurf: "Abschottungs-Rhetorik"

Aber eine Abschottung werde es mit den Grünen nicht geben, fügte Hartmann hinzu. "Das ist überhaupt keine Frage. Für Geflüchtete aus Bürgerkriegs- oder Kriegsgebieten gibt es für uns keine Obergrenze." Die Grünen würden in dem Gespräch mit Seehofer auf Integrationsmaßnahmen und Deutschkurse in verschiedenen Ausgangssprachen pochen, kündigte er an. Man müsse den Kommunen unter die Arme greifen, Bürokratie abbauen und Ehrenamtliche stärker unterstützen. Außerdem setze man sich für die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge ein. Das bedeute weniger Arbeit für die Kommunen.

Seehofer habe wohl erkannt, dass Stammtisch-Parolen keine Lösung seien, mutmaßte Hartmann: "Mit Abschottungs-Rhetorik, wie sie Seehofer in den vergangenen Wochen betrieben hat, lösen wir keine einzige Herausforderung. Damit greift die CSU keinem Ehrenamtlichen, aber auch keinem Landrat unter die Arme, die die Arbeit ja vor Ort machen müssen. Auch die Bundespolizei wird so nicht entlastet. Das ist wohl ein Grund dafür, dass Seehofer jetzt das Gespräch mit den Oppositionsparteien sucht."

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Seehofer selbst hofft auf eine Einigung über Integration und Begrenzung der Zuwanderung. Ein solcher Konsens solle dann auch ein Zeichen in Richtung Berlin sein. "Wir haben große Krisen schon bewältigt durch parteiübergreifende Initiativen", sagte er gestern in München. "Ich glaube, wir sollten uns bemühen, bei der aufgewühlten Stimmung in der Bevölkerung ein bundesweites Signal zu setzen." Er wolle mit den Fraktionschefs besprechen, "was ist verhandlungsfähig und was ist nicht verhandelbar".

Außerdem richtet die Staatskanzlei einen Sonderstab für die Flüchtlingskrise ein. Leiter wird der bisherige Pressesprecher Rainer Riedl, wie die Münchner Regierungszentrale mitteilte. Der Stab soll innerhalb der Staatsregierung die Koordinierung gewährleisten, da mehrere Ministerien mit den Flüchtlingen beschäftigt sind - hauptsächlich Sozial- und Innenressort. Riedl werden 15 Mitarbeiter zugeordnet.

Die Grünen kritisieren die Kosten. Im Nachtragshaushalt für 2016 seien dafür 1,2 Millionen Euro eingeplant, sagte die Finanzpolitikerin Claudia Stamm - und sprach von einem "großen Fragezeichen".