CSU-Parteitag

Asylfrieden schon wieder passé: Seehofer demütigt Merkel


Mit versteinerter Miene hört sich die Kanzlerin an, wie CSU-Chef Seehofer auf offener Parteitagsbühne die Gegenposition zu ihr bezieht.

Mit versteinerter Miene hört sich die Kanzlerin an, wie CSU-Chef Seehofer auf offener Parteitagsbühne die Gegenposition zu ihr bezieht.

Mit versteinerter Miene hört sich die Kanzlerin an, wie CSU-Chef Seehofer auf offener Parteitagsbühne die Gegenposition zu ihr bezieht. Doch auch in ihrer CDU beharren einige auf der Forderung, die sie für unerfüllbar hält: einer Begrenzung der Zuwanderung.

Wie die CSU beharrt auch der CDU-Wirtschaftsrat auf seiner Gegenposition zur Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Es sei überfällig, die Zuwanderungszahlen durch eindeutige Maßnahmen und Botschaften nachhaltig deutlich zu begrenzen, sagte der Verbandspräsident Werner Bahlsen der "Welt" (Online; Print: Samstag). Offensichtlich mit Blick auf Merkels Entscheidung, die Grenzen unter dem Druck der Flüchtlinge zu öffnen, fügte er hinzu: "Die spezielle Sogwirkung nach Deutschland ist auch Ergebnis von hier ausgesendeter Signale."

Erst am Freitagabend hatte es auf dem CSU-Parteitag in München fast einen Eklat gegeben. Merkel lehnte die Forderung der Schwesterpartei nach einer Obergrenze für die Aufnahme neuer Flüchtlinge erneut ab - und CSU-Chef Horst Seehofer pochte, noch während sie auf der Bühne neben ihm stand, genau darauf. Während die Rede der Kanzlerin nur höflich beklatscht wurde, erhielt der bayerische Ministerpräsident für seine Replik kräftigen Applaus. Am Ende verließ Merkel grußlos die Bühne und den Saal, keine Hand rührte sich zum sonst üblichen Abschiedsbeifall.

Nach dem Drehbuch der Parteitagsregie hatten die gut 1000 Delegierten bereits vor Merkels Gastrede nahezu einstimmig den Leitantrag beschlossen, der eine nationale Begrenzung der Flüchtlingszahl im nächsten Jahr verlangt. Merkel setzte dem eine internationale Lösung entgegen, unter anderem mit einem stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen und einer Vereinbarung über legale Migration mit der Türkei. "Mit diesem Ansatz, so die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, schaffen wir es - im Unterschied zu einer einseitig festgelegten nationalen Obergrenze -, im Interesse aller zu handeln", sagte sie.

"Verheerend", resümierte ein Mitglied der CSU-Spitze. Ein Abgeordneter klagte: "Sie ist uns nicht einmal ein kleines Stück entgegengekommen." Seehofer wird am zweiten Tag des Parteitags am Samstag seine Grundsatzrede halten und sich anschließend zur Wiederwahl stellen. Seit Jahresbeginn sind in Deutschland nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) mehr als 900 000 Flüchtlinge registriert worden.

Ein kontroverses Thema war die Flüchtlingspolitik auch auf dem zeitgleichen Parteitag der Grünen in Halle an der Saale. Parteichefin Simone Peter warf Merkel vor, nach der richtigen Entscheidung zur Grenzöffnung für Flüchtlinge im Sommer nun auf Druck der CSU Schritt für Schritt nachzugeben. Dennoch schlug die Parteispitze differenzierte Töne an. Obergrenzen auf nationaler oder europäischer Ebene wurden zwar weiter abgelehnt. In einem durchaus umstrittenen Antrag heißt es aber auch: "Dabei ist klar, dass nicht alle, die in Deutschland Asyl beantragen, auch bleiben können." Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte seine Partei zu Realitätssinn auf: "Dort, wo es notwendig ist, müssen wir auch unangenehme Maßnahmen durchführen."

Der Chef der nicht mehr im Bundestag vertretenen FDP, Christian Lindner, rechnete in scharfen Worten mit Merkel ab. Von ihren vielen Fehlern seit 2013 sei "das von ihrer Regierung angerichtete Chaos in der Flüchtlingspolitik der folgenschwerste", sagte Lindner dem "Münchner Merkur" (Samstag). "Die Bundeskanzlerin sollte öffentlich erklären: Deutschland ist solidarisch, aber die Grenzen unserer Möglichkeiten sind erreicht. Die Menschen, die sich noch nicht auf den Weg gemacht haben, müssen das wissen."