Meinung

Seeon

Der Shitsorm trifft den Falschen


Von Dr. Gerald Schneider

Alexander Dobrindt hat viel Kritik einstecken müssen. In einem Gastbeitrag für die Welt forderte der CSU-Landesgruppenchef eine "bürgerlich-konservative" Wende und beklagte eine Art Meinungsdiktat von alt '68-ern.

Dobrindt analysiert, dass die Mehrheit der Deutschen bürgerlicher denke und lebe als dies so manche Kommentarspalte widerspiegeln würde. Ob Deutschland nun einem linken Meinungsdiktat unterworfen ist, darüber mag man streiten. Doch ein Vorfall aus Seeon scheint Dobrindt recht zu geben.

Manfred Weber, CSU-Vize und Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, erlebt gerade einen Shitstorm in den sozialen Netzwerken. In Seeon sagte er: ?Das zentrale europäische Thema ist die finale Lösung der Flüchtlingsfrage.? Angefangen mit Spiegel online ging ein Sturm der Entrüstung los. So mancher fühlte sich an Nazi-Jargon erinnert, so mancher legte Weber gar den Begriff "Endlösung" in den Mund.

Ausgerechnet Weber! Er gilt als Ausgleicher, als Nicht-Scharfmacher, als einer, der Politik eher ebenso bedächtig wie bedacht angeht. Das kann man mögen oder nicht. Aber Weber nun zu unterstellen, er bediene sich eines Nazi-Jargons und wolle etwa mit Flüchtlingen so umgehen wie die Nazis und sie gar ins KZ schicken. das ist völliger Blödsinn.

Es grenzt eher an Boshaftigkeit. Es geht nicht darum, einfach mal einen Politiker, der Unsinn von sich gegeben hat, zu verteidigen. Aber der Vorwurf, dem Weber sich ausgesetzt sieht, ist einfach abwegig und niederträchtig.

Zu recht wies Weber die Kritik an seiner Aussage zurück, die nicht nur völlig aus dem Kontext gerissen ist? Nein, selbst der Vorwurf ist Quatsch. Von einer "Endlösung" hat er nun eben nicht gesprochen. Gut, vielleicht hätte er sagen sollen, er wolle die Migrationsfrage in diesem Jahr "ein für alle mal" klären. Aber aus dem Begriff "final" schon Nazi-Sprech zu machen, das geht bei aller gebotenen kritischen Betrachtung von Politikern zu weit.

Hat Dobrindt also doch recht? Gibt es einen vom linken Denken geprägten Mainstream, dem es nicht um die Sache, sondern nur um eine Art des Denunziantentums und um Rufmord geht und alle treffen soll, die sich nicht diesem "Mainstream" unterordnen? Immerhin war Weber auch in Seeon einer der wenigen, der europäische Solidarität im Umgang mit Flüchtlingen forderte, insbesondere mit Blick auf den Klausurgast Viktor Orban, den ungarischen Regierungschef, der sich genau dem "zugegeben mit Verweis auf die europäische Rechtslage" verweigert.

Alle, die Dobrindt für sein bürgerlich-konservatives Manifest kritisieren, sollten sich den Fall Weber mal genau vornehmen. Politiker darf und muss man kritisieren. Man muss sie auch dafür zur Rechenschaft ziehen, was sie sagen und wie sie es sagen. Das ist das eine. Nur dieser Fall taugt nicht als Beispiel. Jemanden reinzulegen und vorsätzlich falsch zu interpretieren, ist das andere. Oder wollen wir Politiker, die noch mehr als ohnehin schon, vor sich hin schwurbeln und aus lauter Angst nur noch völlig entleerte Worthülsen absondern? Der Shitstorm trifft den Falschen.