Regensburg/Passau

Handwerker sind Vorbilder bei der Integration


Bereits mehr als 200 junge Flüchtlinge lernen in Ostbayern einen Beruf - unter anderem als Elektriker. (Foto: obx)

Bereits mehr als 200 junge Flüchtlinge lernen in Ostbayern einen Beruf - unter anderem als Elektriker. (Foto: obx)

Während die Politik vielerorts noch nach Rezepten für die Integration sucht, packen mittelständische Handwerksbetriebe in Ostbayern bereits an und zeigen, wie besonders junge Asylbewerber schnell und unkompliziert eine Perspektive auf dem heimischen Arbeitsmarkt finden: Mehr als 200 junge Flüchtlinge hat die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz bereits in die Lehrlingsrolle eingetragen.

Viele Betriebe berichten von der riesigen Motivation der Neuankömmlinge, mit der sich auch sprachliche und schulische Hürden des Ausbildungsalltags meistern lassen. Die Bereitschaft, Flüchtlingen eine Chance zu geben, sei groß, sagt Ostbayerns Handwerkspräsident Dr. Georg Haber. In einer groß angelegten Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen in den beiden Regierungsbezirken haben nach Kammerangaben 900 Unternehmen ihr Interesse bekundet, Asylbewerber bei sich einzustellen.

Win-Win-Situation

"Vor Ort läuft es gut", weiß Handwerkspräsident Dr. Haber. Die Beispiele von der erfolgreichen Integration klingen im ersten Moment wie "Märchen aus 1001 Nacht": In Osterhofen im Landkreis Deggendorf geht der junge Pakistani Saqib Zaheer bei Traditions-Bäckermeister Walter Lorenz in die Lehre. Im Handwerksbetrieb von Paul und Christian Harlander in Landau an der Isar im Landkreis Dingolfing-Landau startete Hamid Raouf aus Afghanistan im vergangenen Herbst seine Ausbildung als Schreiner. Und im Meisterbetrieb von Gerhard Gröschl aus Lappersdorf bei Regensburg absolviert der 20-jährige Hussein Zamami, er stammt ebenfalls aus Afghanistan, seine Ausbildung zum Elektriker.

Solche Erfolgsgeschichten ließen sich noch viele weitere erzählen, zum Beispiel die von Nurudeen Adeboyejo aus Nigeria, der in Eggenfelden im Landkreis Rottal-Inn bei einem Fassaden-Spezialisten in die Lehre geht oder von Majid Haydari, der bei der HDF Kälte- und Klimatechnik in Neutraubling (Kreis Regensburg) den Beruf des "Mechatronikers für Kältetechnik" erlernt.

Nicht nur für die Flüchtlinge, auch für die Betriebe ist das eine Chance: Viele Handwerksmeister in der Region suchen seit einigen Jahren händeringend nach Auszubildenden. Es gibt nach den Zahlen der Kammer viel mehr offene Lehrstellen als Bewerber. "Es ist heute schon klar, dass wir zunehmend ein akutes Problem haben, was die Zahl der Fachkräfte angeht. Wir müssen uns einfach dessen bewusst werden, dass wir diese Leute brauchen", sagt beispielsweise Bäckermeister Walter Lorenz' Frau Monika. Ihr Mann führt den Familienbetrieb in der dritten Generation. Den heute 19-jährigen Pakistani Saqib führte ein Praktikum in der Backstube zur Lehrstelle. Die Erfahrungen sind positiv: "Vom Praktischen her ist er bisher unser bester Lehrling, auch weil er sehr selbstständig ist", sagt Monika Lorenz.

Problem Analphabetismus



Natürlich gebe es auch Herausforderungen: Saqib hatte in Pakistan keine Schule besucht und war daher Analphabet. Dazu kommt die deutsche Sprache. Über solche Erfahrungen berichten viele der Betriebe, die einen Flüchtling eingestellt haben. Gleichzeitig heben die Frau des Bäckermeisters und auch viele andere hervor: Die "Neu-Niederbayern" und "Neu-Oberpfälzer" sind äußerst motiviert. "Er ist sehr stolz, einen Beruf zu haben. Als die Berufsschule anfing, kaufte er sich sogar ein neues Hemd - so ein wichtiger Schritt war das für ihn", sagt Lorenz. Auch bei der Kundschaft in der Bäckerei kommt der Neue gut an: "Bei unseren Kunden wird er durchweg positiv angenommen. Und dazu muss man sagen, dass wir uns ja in einem nicht allzu großen Dorf in Niederbayern befinden."

Saqib ist inzwischen bestens integriert in Osterhofen: Er ist Mitglied im Lauf- und im Geflügelzüchterverein. In der Berufsschule war er bereits Klassenbester. In den nächsten Monaten, sagt seine Ausbilderin, wollen sie gemeinsam noch am Deutsch arbeiten. Die Bäckerei will den Neuankömmling im Anschluss an die Lehre gern übernehmen.

Herkunft spielt keine Rolle

"Die Frage, wieso ich mich für einen Flüchtling als Lehrling entschieden habe, hat sich mir so nie gestellt. Ich habe einen Lehrling gesucht, wo er herkommt, spielt für mich keine Rolle", sagt Karl Mayer, der in Geisenhausen im Landkreis Landshut einen Betrieb für Gas- und Wasserinstallationen führt. Eine Sozialarbeiterin der Caritas brachte ihn und den heute 24-jährigen Jaffari Reza aus Afghanistan zusammen. Nach einem einwöchigen Praktikum bot ihm der Unternehmer einen Lehrvertrag an. Jaffari unterschrieb und wird im Frühjahr 2019 seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Kältetechnik abschließen.

"Ich hoffe sehr, dass er in Deutschland bleiben darf", sagt Meyer, der auch Vorsitzender des Vereins "Buntes Miteinander Geisenhausen" ist. Die Gemeinschaft unterstützt die Neuankömmlinge bei der Integration.

Meyers Erfahrungen sind ähnlich wie die von Bäckermeister Lorenz: "Er ist bei uns im Betrieb inzwischen vollwertig integriert, sehr geschickt, aufmerksam und auch beliebt", sagt der Installateur. Die sprachlichen Hürden und das Manko durch die geringe Schulbildung macht er durch enormes Interesse und seine große Motivation wett. "In der Berufsschule gibt es teilweise noch sprachliche Probleme, aber hierfür und auch für mathematische Nachhilfe habe ich ihm einen Nachhilfelehrer organisiert und auch ich setze mich einmal die Woche mit ihm zusammen. Ich merke einfach, wie motiviert er ist und wie stark er das will", so der niederbayerische Handwerksmeister, dessen kleiner Familienbetrieb aus der Schlosserei seines Urgroßvaters entstand.

Auch er plant, "seinen" Flüchtling nach der Abschluss der Lehre zu übernehmen. "Ich sehe großes Potenzial in ihm und bin mir sicher, dass er in einigen Jahren auch seinen Meister schaffen kann. Sein Fazit, rund eineinhalb Jahre nach dem Ausbildungsstart Jaffaris in seinem Betrieb: "Wenn ich wieder einen neuen Ausbildungsplatz habe, dann würde ich jederzeit wieder gern einen Flüchtling einstellen", sagt Meyer. Es ist ein Satz, den man oft zu hören bekommt, wenn man in den Betrieben nachfragt, die jungen Flüchtlingen eine Chance geben.