Moosburg

"Ich dachte, der muss tot sein": Autofahrer (49) wegen versuchtem Totschlag vor Gericht


Wegen versuchtem Totschlag muss sich ein 49-jähriger Autofahrer jetzt in Landshut vor Gericht verantworten. (Symbolbild)

Wegen versuchtem Totschlag muss sich ein 49-jähriger Autofahrer jetzt in Landshut vor Gericht verantworten. (Symbolbild)

Knapp drei Jahre liegt der schreckliche Verkehrsunfall in der Thalbacher Straße in Moosburg jetzt zurück. Das Opfer überlebte nur durch viel Glück, der Unfallfahrer muss sich seit heute vor Gericht verantworten.

"Wie ein Verrückter" ist der Mann im roten Golf gefahren. Der Schnee spritzte nur so hoch, sagte die ihm mit deutlichem Abstand folgende Autofahrerin heute vor Gericht. Nur wenige Sekunden später sah sie "ein schwarzes Teil durch die Luft fliegen". Sie habe sich noch gedacht, es wäre ein Stück Abdeckplane, weil es die Nacht zuvor stark geschneit hatte; auf dem Rücksitz lärmten die beiden Kinder, die sich auf einen Nachmittag beim Schlittenfahren freuten. "Da hat sich eine Hand aus dem schwarzen Teil erhoben." Der Mann überlebte schwer verletzt. Der Fahrer des roten Golfes muss sich seit heute wegen versuchten Totschlags vor der ersten Strafkammer des Landgerichts verantworten.

Die Staatsanwaltschaft legt dem 49-jährigen Ismail I. (Namen von der Redaktion geändert) fahrlässige Körperverletzung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und dieses in Tateinheit mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen zur Last. Laut der von Staatsanwalt Klaus Kurtz vertretenen Anklage fuhr der Rentner am 13. Februar 2013 gegen 14.15 Uhr in Moosburg auf der Thalbacher Straße in südöstlicher Richtung stadteinwärts. Plötzlich fuhr I. auf den Fußgängerweg und erfasste Fatih F. frontal mit seinem Auto. Dem unfallanalytischen Sachverständigengutachten zufolge betrug die Geschwindigkeit bei der Kollision etwa 40 bis 54 Stundenkilometer. "Der war deutlich schneller unterwegs", sagte die Unfall-Zeugin.

Nach dem Unfall einfach weitergefahren

Durch den Aufprall wurde Fatih F. mit der Hüfte beziehungsweise seinem Kopf auf die Motorhaube und Windschutzscheibe des Golfs aufgeworfen und von dort schließlich auf den Bordstein geschleudert. F. blieb schwer verletzt mit einer Riss-Quetsch-Wunde oberhalb der rechten Augenbraue, einer Lungenkontusion, einer Fraktur beider linksseitiger Unterschenkelknochen und Schürfungen im Bereich beider Knie liegen - Ismail I. fuhr - laut Zeugin "ohne auch nur ansatzweise zu bremsen" - weiter.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, dass ihm unmittelbar nach dem Unfall bewusst gewesen sein muss, einen Menschen angefahren zu haben, und er es dennoch unterlassen hat, Hilfe zu leisten. Angesichts des erheblichen Aufpralls und des Umstands, dass das Unfallopfer mit massiver Wucht gegen das Fahrzeug geprallt ist - das Auto wurde bei dem Anstoß stark beschädigt -, hätte I. klar sein müssen, dass der Geschädigte lebensgefährliche Verletzungen davongetragen haben konnte. "Bei Verlassen der Unfallstelle fand sich der Angeklagte damit ab, dass der Geschädigte ohne sofortige Hilfe versterben hätte können." Ismail I. hingegen gab bei der Polizei an, von dem Unfall "nur ein bisschen" mitbekommen zu haben.

"Keine Brille getragen und zu besoffen"


Wie einer der Polizeibeamten, die Ismail I. gegen 20 Uhr in seiner Wohnung antrafen, vor Gericht sagte, habe der 49-Jährige angegeben, bei dem Unfall keine Brille getragen zu haben und "besoffen" gewesen zu sein; er habe am Vormittag drei Pils getrunken. Vor Gericht sagte I. - der ansonsten zu den Tatvorwürfen keine Angaben machte -, "ich habe keine Brille". Auch seine damalige Aussage, er sei betrunken gewesen, mutet seltsam an in Anbetracht der Tatsache, dass ein Alkoholtest 0,0 Promille ergeben hatte. Ein Drogenschnelltest verlief dem ermittelnden Beamten zufolge ebenfalls negativ. Den roten Golf fanden die Polizisten nicht vor. Er habe das Auto zu einer längst fälligen Reparatur bringen wollen, habe es aber auf einem Tankstellenparkplatz abgestellt, nachdem die Werkstatt bereits geschlossen gehabt habe, so Ismail I. am 13. Februar 2013. Die fehlenden Nummernschilder erklärte er später damit, dass er diese wegen eventueller Diebe abgeschraubt habe. Eines der Kennzeichen war allerdings bereits am frühen Nachmittag auf der Thalbacher Straße liegen geblieben.

"Der muss tot sein"

Das Opfer habe sehr schwer verletzt ausgesehen, sagte ein Polizist, der als erster am Unfallort eingetroffen war. "Der muss tot sein", habe sie sich gedacht, so die Unfall-Zeugin. "Der flog ja so hoch wie eine Laterne." Die Frau suchte ein paar Monate später erneut die Polizei auf, um von einem Gespräch mit einem Bekannten zu berichten. Ihre damaligen Angaben schwächte sie heute allerdings als "Biergartentratsch" ab. Man habe sich noch einmal über den Unfall unterhalten und dabei die Idee gehabt, dass es sich um eine Fehde zwischen türkischen Familien handeln könne. Ihr Bekannter habe aber nichts Konkretes gewusst, nur gesagt, dass sich "die Neufahrner und die Moosburger noch nie mögen haben".

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann soll auch der psychiatrische Sachverständige Dr. Gregor Groß Stellung zu der psychischen Verfassung des Angeklagten zur Tatzeit nehmen. Wie am Rande der Verhandlung zu vernehmen war, leidet Ismail I. wohl an einer psychischen Krankheit und nimmt dementsprechende Medikamente.