Moosburg/Hallbergmoos

Segeln unter der Flagge der Mitmenschlichkeit


Navis-Vorsitzender Wolfgang Wagner (r.) mit den Gründungsmitgliedern (v. l.) Stephan Zobel, Helmut Unger, Max Braun und Michael Gmach.

Navis-Vorsitzender Wolfgang Wagner (r.) mit den Gründungsmitgliedern (v. l.) Stephan Zobel, Helmut Unger, Max Braun und Michael Gmach.

Von Karin Alt

Wenn ein Verein zehn Jahre alt wird, ist das an sich nichts Besonderes. Wenn er jedoch in diesem Zeitraum weltweit ehrenamtlich 32.000 Patienten versorgt und drei Millionen Liter Trinkwasser gefördert, aufbereitet und verteilt hat, wenn dazu 80 Tonnen Luftfracht bewegt wurden und alle Helfer stets wohlbehalten zurückgekommen sind - dann ist das wahrlich ein Grund zum Feiern. So geschehen am Freitag bei der Hilfsorganisation Navis.

Seit zehn Jahren segelt das Schiff (lat. navis) unter der Flagge der Mitmenschlichkeit um die Welt, eilt dorthin, wo sich nach Katastrophen wie Erdbeben, Tsunamis, Dürren oder Überflutungen Menschen in höchster Not befinden. Ehrenamtlich, schnell und effizient. Im Verein haben sich nämlich Profis aus allen Berufen zusammengetan, die zwar der humanitäre Gedanke antreibt, die diesen aber mit fast schon militärischer Präzision in die Tat umsetzen. Am Freitag erfuhren zahlreiche Ehrengäste bei der Zehn-Jahres-Feier im Sportpark Hallbergmoos, wie es dazu gekommen ist, was die Helfer bewegt, wie sie wo geholfen haben. Vor allem aber sagte Vorsitzender Wolfgang Wagner Dank an alle Helfer und Unterstützer, die "schnelle Hilfe ohne Grenzen" erst möglich machen. Und er zeichnete vier Mitglieder mit der Ehrenplakette in Bronze aus, die von Anfang an dabei sind: Max Braun, Michael Gmach, Helmut Unger und Stephan Zobel. Man mag es kaum glauben, aber die Männer der ersten Stunde versichern, all das Gute, was Navis getan hat, sei aus einer Wette heraus entstanden. Keimzelle war die Flughafenfeuerwehr: Ein kleiner Haufen von Enthusiasten beschloss angesichts der schrecklichen Tsunami-Bilder aus Südostasien, eine Hilfsaktion zu organisieren. "Groß waren die Pläne, die Welt schien auf uns gewartet zu haben", erinnerte sich Schatzmeister Michael Gmach schmunzelnd. Und es funktionierte tatsächlich - wie, das erzählte Charly Neumann. Er sei an Silvester in die Wache gerufen und gebeten worden, seine Beziehungen zu Wasser-Herstellern spielen zu lassen. Daraufhin habe er bei Schwester Theodolinde von Adelholzener und bei Petrus-Quelle innerhalb von 30 Minuten 50 Paletten (!) Mineralwasser organisiert. Um das dringendst benötigte Lebensmittel schnell nach Sri Lanka zu bringen, habe man Spender für Flug und Treibstoff gesucht und gefunden, Hipp habe palettenweise Babynahrung gespendet, bis der Flieger voll abheben konnte. "Da krieg ich heut' noch Gänsehaut", so Neumann.

Aus der Euphorie über den erfolgreichen Tsunami-Einsatz wurde am 15. Juni 2006 ein Verein, acht Gründungsmitglieder unterzeichneten im Moosburger Rosen-Café das Gründungsprotokoll. Ein halbes Jahr später hatte "Navis - schnelle Hilfe ohne Grenzen" bereits 73 Mitglieder. Was fehlte, war ein Einsatz: "Helfen wollen und helfen können sind zwei paar Stiefel", fasste Michael Gmach das in Worte. Eine schwierige Zeit habe die Hilfsorganisation da überstehen müssen, bis, ja bis im Januar 2009 in Haiti die Erde bebte. Sofort wurde beschlossen, den Opfern zu Hilfe zu eilen. Eine Trinkwasseraufbereitungsanlage wollte man mitnehmen, denn auf dem ohnehin von Armut geprägten Eiland in der Karibik fehlte es vor allem auch daran. Nur woher die nötigen 60.000 Euro nehmen ? Drei Navis-Mitglieder legten das Geld auf den Tisch, hafteten persönlich für die Summe ! Was folgte, ist für die Verantwortlichen "die eigentliche Geburtsstunde von Navis", denn es gelang, unter Einsatz von Leib und Leben unzählige Menschen in Haiti zu retten. Es folgten Einsätze in Pakistan, auf den Philippinen, in Deggendorf, Nepal und wieder Sri Lanka. Heute steht Navis sehr positiv da, hat überall einen guten Ruf und über 400 Mitglieder, dazu ein stattliches Vereinsvermögen - das jederzeit bereit steht, wenn sich wieder irgendwo eine Katastrophe ereignet. "Wir können zurecht stolz sein", betonte der Schatzmeister, zu verdanken sei dies der Tatsache, "dass wir zu 100 Prozent ehrenamtlich arbeiten, dass unsere Mitglieder ihre Zeit und ihr Know-how aufwenden und dass uns viele Spender unterstützen." "Sie haben Leben gerettet, Leid gemindert, waren zur Stelle, wo es notwendig war", bestätigte Landtagsabgeordneter Dr. Florian Herrmann: "Sie haben Not gewendet." Er lobte eine sehr beeindruckende Leistung auf hohem medizinischem und technischem Niveau. Respekt flöße ihm ein, "dass all dies ehrenamtlich geschieht". Navis sei wie ein Raketenschnellboot, aber auch technisch ausgefuchst wie ein U-Boot und ausgerüstet wie ein Flugzeugträger. Deshalb wünschte er den Verantwortlichen "immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel" und ging dann selbst an Bord, indem er einen ausgefüllten Mitgliedsantrag überreichte.

Von einem "Aushängeschild für den Landkreis" sprach Landrat Josef Hauner. Neun große Einsätze in zehn Jahren seien "stolzer Beweis Ihrer Leistungskraft, und das alles ehrenamtlich und nur mit Spenden". Das nötige ihm Respekt ab, erklärte der Landrat und reihte sich in die Geburtstagsspender ein. Navis erfülle den Begriff Solidarität mit Leben, meinte Bürgermeisterin Anita Meinelt, und erinnerte an das erste Gespräch mit Dr. Thomas Geiner, dessen Enthusiasmus sie mitgerissen habe. Schnell und unbürokratisch sei die Stadthalle als Lager zur Verfügung gestellt worden für die Hilfsgüter von Navis. Was die Helfer unter schwierigsten Umständen leisteten, verdiene Anerkennung und Bewunderung. Auch Meinelt hatte einen Scheck dabei, "denn Mitglied bin ich schon lange".

Ehrengast des Abends war Bonnie Estonville aus Leogane, jenem Ort auf Haiti, in dem Navis seinerzeit stationiert war. Monsieur Bonnie leitet dort eine Schule, die von Navis noch heute mit zweckgebundenen Spendengeldern unterstützt wird. Dass er vor Ort in Deutschland Dank im Namen der Kinder sagen könne, das sei für ihn ein Traum, ließ er wissen. Umso mehr, als seit Kurzem die Echinger Imma-Mack-Realschule Partnerschule von Leogane ist.

Es gäbe noch viel zu erzählen, streuten doch Wolfgang Wagner und Stephan Zobel zwischen die Grußworte immer wieder kleine Anekdoten und Informationen, etwa über die Partnerschaft mit den "Sternstunden" des Bayerischen Rundfunks oder über kreative und originelle Spendenaktionen wie etwa in Thonstetten, wo der Langenbacher "Schandbaum" stückweise zugunsten von Navis verkauft wurde. Nicht vergessen wurden die "Apotheker ohne Grenzen", denn die Zusammenarbeit mit dieser Organisation ist für Navis so etwas wie ein zweites Standbein geworden.