Moosburg/Freising

Glyphosat: Steigende Mengen und fragliche Neuzulassung


Ein ökologisch bewirtschaftetes Buchweizenfeld bei Haag. Es ist nicht komplett frei von Beikräutern, aber die Ernte ist gut und es wurde auf Glyphosat und andere chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichtet.

Ein ökologisch bewirtschaftetes Buchweizenfeld bei Haag. Es ist nicht komplett frei von Beikräutern, aber die Ernte ist gut und es wurde auf Glyphosat und andere chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichtet.

Als hätten die konventionellen Landwirte nicht schon genug Ärger: Der Milchpreis befindet sich auf existenzbedrohender Talfahrt, zudem empört sich die Öffentlichkeit über die gängige Praxis in Hühnerbrütereien, männliche Küken zu vergasen und zu schreddern. Nun ist auch noch die Wiederzulassung des tonnenweise auf deutschen Äckern versprühten Unkrautvernichters Glyphosat in Frage gestellt.

Zum zweiten Mal wurde in der EU die Entscheidung über die gesetzlich vorgeschriebene Wiederzulassung des umstrittenen Mittels, das verdächtigt wird, Krebs auslösen zu können, vertagt. Konventionelle Landwirte, Bauernverbandsvertreter und Mitarbeiter der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising verstehen die Welt nicht mehr.

"Keine Alternative zu Glyphosat"

Glyphosat, das in rund 80 Unkrautvernichtungsmitteln verschiedener Hersteller in steigenden Mengen auf die Äcker gespritzt wird, gehört zur Grundausstattung jedes konventionellen Betriebs. Das bekannteste Mittel ist "Roundup". Wie der Name schon sagt, vernichtet es zuverlässig alle wachsenden Pflanzen. Klaus Gehring, Chef der Arbeitsgruppe Unkrautbekämpfung an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising, geht davon aus, dass das Mittel doch noch für weitere sieben Jahre zugelassen wird. Denn zu Glyphosat gebe es keine Alternative. Wenn es nicht mehr zugelassen werde, müssten Landwirte ihre Bewirtschaftungsform grundlegend ändern und wieder vermehrt pflügen, so Gehrings Einschätzung. Die Vorteile des günstigen Unkrautvernichters, der unspezifisch alles, was wächst, abtöte, seien für konventionell wirtschaftende Landwirte unschlagbar. Glyphosat ermögliche, auf das Pflügen weitgehend zu verzichten, was wiederum die Böden schone und Kosten spare, so Gehring. Bevor im Herbst oder Frühjahr das neue Saatgut in den Boden komme, mache der Landwirt auf seinem Acker "reinen Tisch", indem er alle keimenden Unkräuter abspritze. Oftmals werde auch nach der Ernte das Stoppelfeld mit dem Wirkstoff behandelt.

Das Mittel werde von den grünen Pflanzenteilen aufgenommen, in der Pflanze abgebaut und entfalte sofort seine Wirkung, erläutert Helmut Tischner, Chef des Instituts für Pflanzenschutz der LfL. Im Boden werde Glyphosat, das als einen Baustein Phosphor enthält, gebunden und nicht ausgewaschen, schildert der Agraringenieur. Die "Umweltgefährdung ist relativ günstig einzuschätzen", so Tischners Ansicht. Jedes Jahr werde in Deutschland auf 40 Prozent der Felder mindestens ein Mal Glyphosat ausgebracht. Auch in Hausgärten oder in Gartenbaubetrieben komme das Mittel regelmäßig zum Einsatz.

Auch Gerhard Stock, Geschäftsführer des Bauernverbands Freising-Erding, hofft, dass Glyphosat doch noch für weitere sieben Jahre zugelassen wird, denn das Mittel sei hilfreich und vereinfache den Anbau. Sollte es vom Markt genommen werden, müssten die konventionellen Landwirte das Unkraut mechanisch oder mit anderen, teureren Chemikalien vernichten, was zusätzliche Arbeit und Kosten verursache, sagt Stock.

Für Biolandwirte kein Thema



Für Biolandwirte ist Glyphosat kein Thema, sie verzichten von jeher auf chemische Pflanzenschutzmittel. Glyphosat sei ein Gift, sagt Agraringenieurin Bernadette Lex, die in den Landkreisen Freising und Erding über 100 Hektar Ackerland biologisch bewirtschaftet. Bereits 1979 hat ihr Vater den traditionellen Betrieb auf Ökolandbau umgestellt. Sie würde es begrüßen, wenn das Mittel nicht mehr tonnenweise auf Äckern versprüht würde. Natürlich seien die sogenannten Ackerbegleitkräuter, wie Ökolandwirte das Unkraut bezeichnen, auch für Biobauern oftmals ein Problem. Man müsse immer hinterher sein, dass die Flächen sauber seien und nach milden Wintern wie dieses Jahr noch einmal extra die Felder hacken und mechanisch von den Unkräutern befreien, schildert Lex. Glyphosat sei verlockend einfach anzuwenden und konkurrenzlos preisgünstig, sagt die junge Frau. Noch während ihrer Lehre habe sie in der Berufsschule gehört, das Zeug sei so ungefährlich, das könne man trinken. Schon damals sei sie misstrauisch gewesen. Vor zwei Jahren habe die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft davor gewarnt, es mit dem Glyphosateinsatz zu übertreiben, und Landwirten geraten, das Mittel nur dann einzusetzen, wenn es wirklich nötig sei, erinnert sich die Agraringenieurin. Der Verbrauch steige trotzdem immer weiter an.

Mit Glyphosat lassen sich Bewirtschaftungsfehler schnell und billig ausgleichen. Der Biolandwirt braucht eine weite Fruchtfolge, Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Wenn die Beikräuter, beispielsweise die Distel, im Bestand überhandnehmen, hat er mehr Arbeit. Dafür ist er von Produkten von Bayer, Monsanto und Co. unabhängig.