Landshut/Taufkirchen

Trotz Tötungsabsicht: Gericht spricht Psychiatrie-Patienten frei


Die Kammer verurteilte den Angeklagten zu einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Die Kammer verurteilte den Angeklagten zu einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

"Es ist dem Angeklagten nicht vorzuwerfen, dass er darauf reagiert hat, sondern wie." Für die erste Strafkammer des Landgerichts war am Donnerstag nach zwei Verhandlungstagen festgestanden, dass der angeklagte Badshah M. am 14. Februar auf dem Flur der Station A2 des Isar-Amper-Klinikums Taufkirchen von einem Mitpatienten "massiv drangsaliert und provoziert" worden war. Bei dem "wie" sah die Kammer unter Vorsitzendem Richter Markus Kring juristisch allerdings den Tatbestand des versuchten Totschlags erfüllt. Der Prozess endete für den 35-jährigen Afghanen dennoch mit einem Freispruch. Nachdem M., der an einer paranoiden Schizophrenie leidet, zur Tatzeit einen akuten psychotischen Schub hatte, war er nicht zu verurteilen. Die Kammer ordnete statt dessen, wie von Staatsanwalt Klaus Kurtz beantragt, die Unterbringung von Badshah M. in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Wie berichtet, hatte Badshah M. seinen Kontrahenten Nahib N. gewarnt. Sollte dieser ihm noch einmal in Gesicht schlagen wie gerade eben, so werde er ihn umbringen. Nahib N., der vor Gericht von dem Pflegepersonal als aufbrausend und provokant beschrieben worden war, schlug erneut zu. So griff Badshah M. zu einem 3,5 Zentimeter breiten Ledergürtel und schlang diesen N. um den Hals. Zwei Tage später bekundete Badshah M. einem Assistenzarzt gegenüber "klipp und klar seine Tötungsabsicht", wie Richter Kring in der Urteilsbegründung sagte. Dass er dabei "klar bei Verstand" gewesen sei, zeige die Tatsache, dass er während des Gespräches auch problemlos den Ausführungen des Assistenzarztes zu Anträgen auf Sozialversicherung habe folgen können. "Damit hat er die Bedeutung seiner Tat sehr wohl erkannt, aber nicht eingesehen", so Kring. Damit liege juristisch ein versuchter Totschlag vor, der aber aufgrund der Schuldunfähigkeit zur Tatzeit des Angeklagten - die vor Gericht von einem psychiatrischen Sachverständigen bestätigt wurde - nicht zu verurteilen sei.

Dem blitzschnellen Eingreifen des Pflegepersonals war es zu verdanken, dass der 35-Jährige seinen Gegner nicht tötete. Ob der Angeklagte den Gürtel selbst losgelassen hat, als die Pflegekräfte dazu kamen, oder ob das Personal ihn entfernte, konnte in der Beweisaufnahme nicht mehr definitiv geklärt werden. Man habe den Gürtel "relativ zügig" weg bekommen, hatte ein Krankenpfleger vor Gericht gesagt. Das habe nur ein paar wenige Sekunden gedauert. Allerdings sei der Gürtel zunächst derart fest um den Hals geschlungen gewesen, "dass kein Daumen mehr dazwischen gepasst hat", so der 24-Jährige. "Der hat schon richtig zugezogen." Staatsanwalt Kurtz erinnerte in seinem Plädoyer zudem an die von Zeugen beschriebenen roten Striemen am Hals von Nahib N. und sein Röcheln nach dem Angriff: Dies alles zeuge von einer "intensiven Aktion" des Angeklagten, schloss Kurtz und kam damit zum Tatbestand des versuchten Totschlags. Verteidiger Andreas Martin hingegen hatte in seinem Plädoyer einen Tötungswillen bei seinem Mandanten bezweifelt. Dem Sachverständigen gegenüber habe Badshah M. angegeben, er sei von N. attackiert worden und habe mit dem Gürtel nur den Angriff abwehren wollen. "Möglicherweise kann man daher von Notwehr ausgehen." Bei den Ermittlungen habe es immer wieder Übersetzungsprobleme gegeben und nachdem der Geschädigte Angaben zu dem Vorfall verweigert habe, sei letztlich "alles nicht mehr zu eruieren", sagte Martin. Sein Fazit: "Ein Anlass für eine Unterbringung liegt nicht vor."

Dies sah die Kammer anders. Eine Unterbringung von Badshah M. sei unabdingbar, da er unbehandelt eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen würde, so Kring. Im Fall des 35-Jährigen sei die Unterbringung aber überschaubar. Dem Gutachter zufolge kann Badshah M. möglicherweise bereits in einem Jahr entlassen werden - vorausgesetzt er zeige sich kooperativ und der Behandlung gegenüber aufgeschlossen. "Momentan ist der Angeklagte auf einem guten Weg."