Landshut/München

Mirskofener Blaulicht für Schwabing


In der Feuerwache 4 befindet sich Siegfried Kreitners Installation (teils im Hintergebäude zu sehen). Am vorderen Eck eine Arbeit der Künstlerin Gunda Förster: "Skala" besteht aus 20 Leuchtplatten. Je mehr Notrufe in der Leitzentrale eingehen, desto höher steigt die Anzeige.

In der Feuerwache 4 befindet sich Siegfried Kreitners Installation (teils im Hintergebäude zu sehen). Am vorderen Eck eine Arbeit der Künstlerin Gunda Förster: "Skala" besteht aus 20 Leuchtplatten. Je mehr Notrufe in der Leitzentrale eingehen, desto höher steigt die Anzeige.

Vor drei Jahren lud die Stadt München zehn Künstler zu einem Informationstreffen mit Feuerwehrleuten. Es ging um Kunst am Bau für die neue Feuerwache 4 an der Schwabinger Heßstraße, ein 85-Millionen-Projekt. Siegfried Kreitner sprach einen Feuerwehrmann auf das zentrale Arbeitsgerät Feuerwehrschlauch an. Der meinte bloß: "Schlauch sagt man bei uns nicht. Wir legen eine Leitung." Womit für Kreitner der Titel seiner Arbeit feststand.

In seinem Atelier in Mirskofen baute er einen Prototypen, reichte seine Arbeit ein und gewann den ersten Preis - zusammen mit der Berliner Künstlerin Gunda Förster, die mit einem Beitrag für den Außenraum gewann. Im Innenraum der vor kurzem eingeweihten Feuerwache ist nun an sechs Positionen Kreitners insgesamt 22 Meter lange "kinetische Licht-Installation" aus elf Einzelelementen zu sehen. Roberta De Righi, Kunstredakteurin der Abendzeitung, beschrieb die Wirkung der sechseckigen Elemente aus Aluminium, Stahl, Elektromotoren und LED-Leuchten bei der Eröffnung wie folgt: "Irritierend langsam und völlig lautlos heben und senken sich die Alu-Platten rund um eine innen verborgene Lichtschiene, so dass die ,Leitung' wirkt, als würde sie sich weiten und verengen. Das leuchtende Blau steht dabei für das lebensrettende Element des Wassers."

Minimalkinetik

Wasser, das durchs Gebäude gepumpt wird, ist eine Assoziation, die Kreitners "Leitung" weckt. Darüber hinaus weist der Titel der Arbeit auf den übergeordneten Charakter der Feuerwache, in der auch die neue Leitzentrale untergebracht ist. "Und weil das Gebäude außen komplett in Rot gehalten ist, habe ich das Blaulicht dazugeliefert", sagt der 48-Jährige, der seinen Arbeitsgrundsatz mit nur einem Wort zusammenfasst: Minimalkinetik.

Seiner Auseinandersetzung mit reduzierter Bewegungsenergie liegt der Gedanke der Entschleunigung zugrunde - der E-Motor der "Leitung" etwa leistet sich gerade mal eine bis vier Umdrehungen pro Minute. Spricht Kreitner über seine Objekte, verwendet er biologische Begriffe: "rankend" etwa, oder "atmend". Dadurch will er "einen versöhnlichen Blick auf die Technik" bieten, der immer auch belohnt wird: "Wenn man sich lange genug auf die Objekte einlässt, kann man immer auch sehen, wie sie funktionieren."

An der Mechanik lange getüftelt

Um wiederum diese Einblicke zu ermöglichen, strebt Kreitner für seine Arbeiten einfache Lösungen an. Wobei die Kunst der Einfachheit mit Aufwand verbunden ist. "An der Mechanik habe ich diesmal lange getüftelt", sagt Kreitner. Im Essenbacher Maschinenbaubetrieb Waltzschock fand er einen Partner, der ihm in einer "wunderbaren Zusammenarbeit" die Kleinteile für seine Installation hergestellt hat. Woraus schließlich - wie Kreitner amüsiert feststellt - "Kunst für technikaffine Männer" wurde, wie es in der Wettbewerbsausschreibung hieß. Bei der Münchner Berufsfeuerwehr gibt es nur eine einzige Frau.

Siegfried Kreitner, der 2005 einen Lehrauftrag für Kinetischen Objektbau an der Akademie der bildenden Künste München erhalten und unter anderem in der Dortmunder Zeche Waltrop ausgestellt hat, war für diesen Auftrag prädestiniert. Trotzdem: "Ich habe lange überlegt, was ich machen könnte." Gefordert wurde eine Arbeit für Menschen, die auch unterhalten werden wollen, wenn während einer 36-Stunden-Schicht kaum was passiert. Andererseits sollte das Werk darauf Rücksicht nehmen, dass Feuerwehrleute nach einem schweren Einsatz traumatisiert in die Wache zurückkehren können. Auf dem schmalen Pfad zwischen Unterhaltungswert und Zurückgenommenheit ist Kreitner schließlich bei seinen Zweimeter-Elementen aus Aluminium gelandet. Die Entscheidung für Einzelteile war durchaus kein Zufall. Weil es bei einem Wettbewerb möglich ist, dass mehrere Arbeiten ausgewählt werden, hat Kreitner seine "Leitung" nicht en gros angeboten, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Umfang der Arbeit flexibel gestaltet werden kann.

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Die "Leitung" taucht in der Feuerwache an sechs Positionen auf - in diesem Fall inklusive Treppaufwärtsperspektive.

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Siegfried Kreitner (rechts) mit Paul Waltzschock senior und junior.