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20-Jährige wollte sich Jura-Studium durch Kokain finanzieren


1.800 Gramm Kokain sollte Nicole G. nach Amsterdam schmuggeln - doch in München war für sie Endstation.

1.800 Gramm Kokain sollte Nicole G. nach Amsterdam schmuggeln - doch in München war für sie Endstation.

Jura wollte Nicole G. studieren. Bedenken, sich das Studium mit dem Schmuggel von 20.000 Ecstasy-Pillen zu finanzieren, scheint die 20-jährige Brasilianerin zumindest im vergangenen Sommer keine gehabt zu haben.

Die "Galera" mache das seit zwei Jahren und noch nie sei jemand aus der Gruppe festgenommen worden, schrieb sie einer Freundin kurz bevor sie in Sao Paulo an Bord ging. "Allein als Drogenkurierin nach Europa! Das muss eine irre Erfahrung sein", hatte diese antwortet. Die erste "irre Erfahrung" war für Nicole G. sicherlich die Festnahme am Münchner Flughafen. Bei der Kontrolle ihres Transitgepäcks hatten Zollfahnder insgesamt 1.800 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von rund 70 Prozent entdeckt. Die Jugendkammer des Landgerichts verurteilte die hochschwangere G. nun nach dem Jugendstrafrecht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten - und lag damit sogar über dem Antrag von Staatsanwalt Thomas Rauscher, der - ebenso wie Verteidigerin Michaela Schmidt-Eberth - eine Jugendstrafe von drei Jahren für ausreichend gehalten hatte. Wie Vorsitzender Richter Oliver Dopheide in der Urteilsbegründung sagte, habe die Kammer keine Anreize für internationale Drogenbanden setzen wollen, vermehrt Jugendliche als Kuriere anzuheuern.

München war eigentlich nur eine Zwischenlandung. Ziel der Schülerin war am 26. Juli vergangenen Jahres Brüssel. Von dort aus wollte sie mit dem Zug nach Amsterdam weiterfahren. Doch bei einer Routinekontrolle des Reisegepäcks am Münchner Flughafen stießen die Fahnder im Koffer und in einem darin befindlichen Beauty-Case auf Kokain, das jeweils in den Innenwänden eingebaut war. Reiseroute und die Angewohnheit, das Rauschgift in einem Beauty-Case einer bestimmten Marke zu verstecken, erinnerten Richter Dopheide an eine von Amsterdam aus operierende Gruppe, die vor ein paar Jahren Kokain nach Europa schmuggeln ließ und den Kurieren auf dem Rückweg chemische Drogen für Brasilien mitgaben. Ein paar Mitglieder konnten verurteilt werden. "Ja, da gibt es auffallende Parallelen", stimmte der Sachbearbeiter von der Zollfahndung vor Gericht bei. "Ein Zusammenhang ist aber bisher nicht erwiesen." Man habe im Fall von Nicole G. aber sehr schnell von den brasilianischen Kollegen den Hinweis erhalten, dass sie einem Drogenhändlerring angehören solle, so der Zeuge. Nicole G. bestritt dies vor Gericht vehement.

Wie schon nach ihrer Festnahme räumte die 20-Jährige ein, den Koffer mit dem Kokain in Empfang genommen zu haben. Allerdings habe es sich um eine einmalige Sache gehandelt. Sie habe immer nur Ecstasy konsumiert, aber nie Drogen verkauft, schon gar nicht sei sie Mitglied einer Bande gewesen. Zwei Bekannte ihrer besten Freundin hätten ihr den Vorschlag unterbreitet, sich das Startkapital für ein "eigenständiges Leben" als Drogenkurier zu verdienen. Sie habe bis dahin zusammen mit ihrer Mutter bei der Großmutter gelebt, so G. Diese habe ihr verboten, Jura zu studieren; "ich sollte lieber arbeiten". Die Großmutter habe sogar ihre Studienunterlagen vernichtet und sie hungern lassen. Sie sei davon ausgegangen, dass sie Ecstasy schmuggeln solle. Als sie erfahren habe, dass es sich um Kokain handle, sei sie "völlig von den Socken gewesen" und habe das Ganze abblasen wollen. "Ich werde dafür bezahlen müssen, wenn ich kneife", habe es da geheißen. Aus Angst habe sie schließlich den Flug angetreten. Sich der Polizei anzuvertrauen, sei für sie auch nicht in Frage gekommen: "In Brasilien steckt die Polizei oft mit solchen Leuten unter einer Decke."

Richter Dopheide hielt G. den Chat-Verkehr mit diversen Freundinnen auf ihrem Handy entgegen. Im Austausch mit einer Freundin sei etwa von "rosa Bonbons aus Brüssel" die Rede, mit denen "top verdient" werde. Sie könne der Freundin auch welche verkaufen. Eine andere Freundin, die wohl ebenfalls in Geldnöten steckte, versuchte sie, für eine Kurierreise nach Europa anzuwerben. Als diese Bedenken äußerte, dass darauf doch die Todesstrafe stehe, schrieb Nicole G: "Der Flug geht nach Europa und nicht nach Asien." Auch der Vater des ungeborenen Kindes von G. scheint mit Drogen gehandelt zu haben: Einmal schreibt die 20-Jährige, dieser könne wegen seiner "Fußbänder", also elektronische Fußfessel, derzeit nicht nach Europa reisen könne. G. räumte ein, dass ihr Freund im Gefängnis gesessen habe, weil er mit Ecstasy gehandelt habe. Den Rest habe sie allerdings nicht geschrieben, sagte die werdende Mutter und berief sich auf Übersetzungsfehler.

Nachdem G. zur Tatzeit noch Heranwachsende gewesen ist und an ein konfliktreiches Elternhaus gebunden war, verurteilte sie die Kammer nach dem Jugendstrafrecht wegen versuchter illegaler Durchfuhr und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Die Kammer sei überzeugt davon, so Dopheide, dass es sich um keine "einmalige Dummheit" gehandelt habe, so wie es die Angeklagte habe weißmachen wollen, sondern um eine "überlegte und abgewogene Tat".