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Steckt ein Sadist hinter den illegalen "Luchsmorden"?


Die rätselhaften Luchsmorde im Bayerischen Wald. Spätestens jetzt ist Experten klar, dass hier Hass im Spiel ist und der Täter womöglich sogar auf Kosten der Luchse seine sexuell sadistischen Fantasien befriedigt.

Die rätselhaften Luchsmorde im Bayerischen Wald. Spätestens jetzt ist Experten klar, dass hier Hass im Spiel ist und der Täter womöglich sogar auf Kosten der Luchse seine sexuell sadistischen Fantasien befriedigt.

Wieder war ein Luchs durch Menschenhand qualvoll getötet worden. Ende Dezember 2015 war die kleine Luchsin tot im Straßengraben gefunden worden. Hier sollte wohl ein Wildunfall vorgetäuscht werden. Erst im März 2016 stellte man fest, dass sie tatsächlich erdrosselt wurde. Am 14. Mai ist es genau ein Jahr her, dass die abgehackten Vorderbeine von zwei Luchsen in der Nähe einer Fotofalle auftauchten.

Spätestens jetzt ist Experten klar, dass hier Hass im Spiel ist und der Täter womöglich sogar auf Kosten der Luchse seine sexuell sadistischen Fantasien befriedigt. Seit Jahren fällt Luchsen das Überleben im Inneren Bayerischen Wald schwer. Doch der Fall mit den abgetrennten Vorderbeinen machte enorme Schlagzeilen, die Polizei ermittelte unter Hochdruck. Doch obwohl es für Hinweise vom bayerischen Umweltministerium eine Belohnung von 10.000 Euro gibt, sind der oder die Täter bisher auf freiem Fuß.

Luchsin ist qualvoll erstickt

Anfang März machte nun ein neuer mysteriöser Fall Schlagzeilen. Der bereits am 29. Dezember in einem Straßengraben bei Schönberg (Kreis Freyung-Grafenau) aufgefundene Luchs, bei dem zuerst ein Verkehrsunfall vermutet wurde, ist in Wirklichkeit erdrosselt worden. Eine Luchsin, etwa sieben Monate alt. "Sie starb einen Erstickungstod unter Menscheneinwirkung, das stimmt", soviel gibt die Oberstaatsanwältin Ursula Raab-Gaudin von der Staatsanwaltschaft Passau preis. Auf die Nachfrage, ob es die Drahtschlinge einer Falle war, antwortet sie: "Davon ist in dem Gutachten nicht die Rede." Wieder wurde eine Belohnung von 10.000 Euro ausgelobt. Gerüchte und Spekulationen gibt es genug. Die Polizei will aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mehr herausgeben, doch angeblich hatte das Tier Erde im Maul, die nicht vom Fundort stammt und die auf einen langen, qualvollen Todeskampf hinweist.

Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbund für Vogelschutz (LBV) fordert nun, auch frühere Wildunfälle mit Luchsen unter ähnlichen Fundumständen prüfen zu lassen. Es sei möglich, dass auch andere Luchse als Verkehrsopfer vorgetäuscht, aber tatsächlich von Menschenhand getötet wurden.

Keine heiße Spur



Auch was den Fall Leo und Leoni betrifft, das Luchspärchen, dessen Vorderbeine abgetrennt wurden, hält sich die Staatsanwaltschaft Regensburg mit Informationen zurück. "Die Ermittlungen wurden intensiv geführt, neigen sich aber dem Ende zu, weil es nach wie vor keine heiße Spur gibt", so Oberstaatsanwalt Theo Ziegler. Einer der Luchse sei vorher schon einmal angeschossen worden, was an den Munitionsspuren in einem der Vorderläufe festzustellen war. Sybille Wölfl ist die Luchsfachfrau in Bayern. Seit gut 20 Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit dieser streng geschützten Tierart. Sie ist mit der Erfassung der Luchspopulation im Rahmen des Fotofallen-Monitorings betraut und in Sachen Luchs laufen bei ihr alle Fäden zusammen. Tappt ein Luchs über mehrere Monate nicht mehr in eine Fotofalle oder tauchen plötzlich neue Kuder in einem Revier auf, das eigentlich bereits vergeben war, denkt sie mittlerweile als erstes an einen unnatürlichen Tod. Luchse erreichen normalerweise ein Alter von rund 15 Jahren. Die Vermissten waren meistens nur drei, vier Jahre alt. "Die Luchse verschwinden nicht erst seit ein paar Jahren", so Wölfl. Den ersten Verdacht, dass sie einen von Menschen verursachten Tod sterben, hatte sie bereits vor zwölf Jahren. "Aber ich konnte es nie beweisen, bis man die ersten Kadaver gefunden hat."

Die erste war die Luchsin Tessa 2012 bei Rinchnach (Kreis Regen). Sie wurde mit einem Gift getötet, das die Atmung lähmt. Eine weitere, mit drei Föten trächtige Luchsin, wurde ein Jahr später mit Schrot bei Bodenmais (Kreis Regen) erschossen aufgefunden. Auch sie starb langsam und qualvoll.

Es geht um Macht und Kontrolle, um Dominanz

Für Prof. Dr. Michael Osterheider, Professor für Forensische Psychiatrie an der Universität Regensburg, ist klar: "Hier geht es jemandem um Macht und Kontrolle, um Dominanz. Ich bin überzeugt davon, dass wir es hier mit einer männlichen Person zu tun haben, die gerne quält und dabei möglicherweise sexuelle Befriedigung empfindet." Sybille Wölfl glaubt nicht ganz an diese Theorie mit dem Sadisten und dass hier nur ein Täter am Werk ist. Dafür lägen die Territorien der getöteten Luchse zu weit auseinander. "Ich glaube, es sind mehrere Täter. Auf jeden Fall sind es mit erschreckend hoher krimineller Energie ausgeführte Taten, bei denen vermutlich auch ein Anteil Hass mitschwingt." Sie bezeichnet den oder die Täter deshalb auch nicht als Jäger, sondern als Kriminelle. Aber wohl mit jagdlichen Kenntnissen, da sie mit Leo und Leoni gleich zwei Luchse auf einmal töten konnten. "Womöglich liegen die Felle noch irgendwo im Keller."

Abgeschnittene Pfoten per Post geschickt



"Wir sind nicht das einzige Land, in dem Luchsen nachgestellt wird. Das gibt es auch in Tschechien, Österreich und der Schweiz." Wölfl erinnert sich an einen Fall in der Schweiz: Dort wurden im Jahr 2000 dem Jagdinspektor des Kantons Bern, vier abgeschnittene Luchspfoten per Post zugeschickt. "Nach dem Motto: Hier gibt es zu viele Luchse, hier habt ihr euren Dreck." Die Ermittlungen in solchen Fällen sind extrem schwierig. Im Wald sieht so leicht keiner etwas. Spuren werden auch auf natürliche Weise verwischt, wie zum Beispiel bei den Vorderbeinen von Leo und Leoni, die offensichtlich von Füchsen verzogen und angefressen wurden.

"Der will, dass wir die Tiere finden"

Oberstaatsanwältin Ursula Raab-Gaudin betont: "Wenn wir den Täter finden, wäre das ein Riesenglück. Die abgeschnittenen Vorderbeine deuten für mich ganz klar darauf hin, dass es jemand ist, bei dem nicht alles ganz rund läuft. Der will Aufmerksamkeit. Der will, dass wir die Tiere finden." Was nun Wölfls Hoffnungsträger betrifft, so hat sich im Revier von Leo und Leoni ein neues Luchspärchen niedergelassen: Veit und Vroni. Dies sei nun die vierte Generation, die hier seit 2009 versucht zu überleben. "Luchse verschwinden auch woanders, aber zwischen Zwiesel und Bad Kötzting ist es extrem - alle 16 Monate."

INFO: Hinweise auf den Täter im Fall Leo und Leoni nimmt die Polizei Bad Kötzting unter Tel. 09941/94310 entgegen. Für den erdrosselten Luchs ist die Polizei Grafenau unter Tel. 08552/96060 zuständig.