Kelheim

"Rückenwind" für Flüchtlinge: Pilotprojekt bietet Job-Perspektiven


Bayerns Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer (links) zeigte sich bei seinem Besuch des Pilotprojekts "Rückenwind" in Kelheim im Gespräch mit Standortleiterin Karin Hiltl angetan von der Idee und dem Konzept des Modells der Eckert Schulen.

Bayerns Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer (links) zeigte sich bei seinem Besuch des Pilotprojekts "Rückenwind" in Kelheim im Gespräch mit Standortleiterin Karin Hiltl angetan von der Idee und dem Konzept des Modells der Eckert Schulen.

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft suchen nach Lösungen, wie Flüchtlinge auf dem heimischen Arbeitsmarkt eine Zukunft finden.

In Kelheim läuft seit Oktober ein in dieser Form einzigartiges Pilotprojekt, das Asylbewerber fit macht für eine Beschäftigung. In fünf Monaten bekommen dort derzeit sechs Flüchtlinge aus Syrien, Gambia und Somalia das Rüstzeug mit auf den Weg, um erfolgreich eine Stelle zu finden.

Ein Modell für die Zukunft

Entwickelt haben das Modell die Eckert Schulen, Bayerns größter privater Weiterbildungsträger, in enger Abstimmung mit Jobcenter und Arbeitsagentur. Die Initiatoren sind überzeugt, dass das Projekt zukünftig auch im Rest Bayerns und Deutschlands Schule machen könnte: "Die Initiative Rückenwind steht modellhaft dafür, wie die berufliche Integration vor Ort gelingen kann und kann ein Vorbild für andere Regionen Bayerns und Deutschlands sein", sagt Thomas Skowronek, Geschäftsführer der Regionalen Bildungszentren der Eckert Schulen. Bei einem Besuch vor Ort lobte Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer, das Konzept: "Die Integration über Bildung und berufliche Weiterbildung ist der Schlüssel zum Erfolg", sagte der Landtagsabgeordnete bei dem Gespräch im Regionalen Bildungszentrum Kelheim. Leuchtturmprojekte wie "Rückenwind" würden deutlich machen, dass dies möglich sei.

"Rückenwind" unterstützt die Flüchtlinge unter anderem beim Deutschlernen, bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen, im Bewerbungsprozess und bei der Orientierung auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. "Durch eine enge Vernetzung mit Kostenträgern, regionalen Firmen, Berufsschulen und einem ehrenamtlichen Helferkreis konnten schon interessierte Arbeitgeber gefunden werden, die den Flüchtlingen ein Praktikum anbieten", sagte Karin Hiltl, die Leiterin des Bildungszentrums. Einer der Projektteilnehmer der ersten Stunde - alle im Alter zwischen 20 und 40 Jahren - war beispielsweise in Syrien Kfz-Mechaniker, eine andere Teilnehmerin absolviert demnächst ein Praktikum im Housekeeping eines Hotels der Region.

Drei Module in 520 Unterrichtsstunden

Das von den Eckert Schulen entwickelte Konzept besteht insgesamt aus drei Modulen, die in Summe 520 Unterrichtsstunden umfassen: Orientierung, Kompetenzfeststellung in Zusammenarbeit mit regionalen Betrieben und ein spezielles Coaching mit Bezug zum künftigen Arbeitsplatz. Berufsbezogener Deutschunterricht steht dabei ebenso auf dem Stundenplan wie die Grundwerte der deutschen Gesellschaft. "Die Flüchtlinge erwarten von uns, dass wir ihnen klar sagen, was in Deutschland wichtig ist und wie das Zusammenleben bei uns funktioniert", sagte Knut Wuhler, Standortleiter der Eckert Schulen in Augsburg.

In Augsburg absolvieren derzeit mehr als 200 Flüchtlinge aus Syrien einen Deutschkurs. "Viele von ihnen wünschen sich, nach dem Abschluss des Sprachkurses an einem Projekt wie ‚Rückenwind' teilnehmen zu können", sagte Wuhler im Gespräch mit dem Bayerischen Integrationsbeauftragten. Martin Neumeyer betonte: Sowohl der Freistaat Bayern als auch der Bund würden solche Initiativen zukünftig verstärkt unterstützen. "Die Bereitschaft der Politik, hier zu fördern, ist da", so Neumeyer. "Rückenwind" finanziert sich derzeit aus Mitteln der Kelheimer Geschäftsstelle der Regensburger Agentur für Arbeit und des Jobcenters Landkreis Kelheim.

Erst die Sprache, dann die berufliche Orientierung

Mit "Rückenwind" haben die Eckert Schulen mit sieben Jahrzehnten Erfahrung im Bereich der Aus- und Weiterbildung Neuland betreten: "Ein solches Angebot gab es bisher in Bayern nicht", so Skowronek. Die Vernetzung des Wissens aus der beruflichen Aus- und Weiterbildung, den Erfahrungen, bei Menschen Kompetenzen zu identifizieren und zu fördern und der Sprachausbildung seien die Erfolgsbausteine des Modells", sagte der Geschäftsführer der bundesweit 40 Regionalen Bildungszentren der Eckert Schulen. Das Modellprojekt solle nach dem erfolgreichen Test in Kelheim deshalb in jedem Fall ausgeweitet werden.

Die Vision: Zuerst absolvieren anerkannte Flüchtlinge die grundlegende Sprachausbildung - wie derzeit in Augsburg. In einem zweiten Schritt steht dann die berufliche Orientierung, die Analyse von individuellen Potenzialen und der vertiefende Deutschunterricht, wie sie Rückenwind bietet. Der Integrationsbeauftragte in der Bayerischen Staatskanzlei sah das beim Besuch in Bayern ähnlich: "Ohne Bildung und Weiterbildung haben die Menschen, die zu uns kommen, keine Chance."