Kelheim/Regensburg

"Joggerinnen-Mörder" will Schadenersatz für Sicherungsverwahrung


Der "Joggerinnen-Mörder vom Kelheimer Forst" fordert vom Freistaat Bayern Schadenersatz für seine nachträgliche Sicherungsverwahrung.

Der "Joggerinnen-Mörder vom Kelheimer Forst" fordert vom Freistaat Bayern Schadenersatz für seine nachträgliche Sicherungsverwahrung.

44.500 Euro will der 37-Jährige vom Freistaat. Er sieht seine nachträgliche Sicherungsverwahrung als rechtswidrig an. Nun muss ein Gericht entscheiden.

Ein heute 37-jähriger Sexualstraftäter und Mörder fordert vom Freistaat Bayern für jeden Tag seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung 500 Euro Schadenersatz, was sich bis heute auf 44.500 Euro summiert habe. Der "Joggerinnen-Mörder vom Kelheimer Forst" beruft sich auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts, wonach in seinen Augen die 2008 angeordnete nachträgliche Sicherungsverwahrung rechtswidrig gewesen sei.

Im November vergangenen Jahres hatte vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg ein Psychologe ein Gutachten erstellt, das man als "wirr" bezeichnen kann. Daraufhin ordnete die Zivilkammer die Einholung eines weiteren Gutachtens an. Dieses wurde am Montag mündlich erläutert.

Rückblick: Die Tat und die sich daraus ergebenen Rechtsfolgen sind in die Annalen der bayerischen Justiz eingegangen. Als 19-Jähriger hatte der Kläger im Jahr 1997 eine 31 Jahre alte Joggerin im Kelheimer Forst angefallen, zu Boden geworfen und mit einem Ast zu Tode gewürgt. Anschließend nahm er über der von ihm teils entkleideten Leiche sexuelle Handlungen an sich selbst vor. Durch diese Tat wurde er bundesweit als "Joggerinnen-Mörder vom Kelheimer Forst" bekannt.

Die Jugendkammer des Landgerichts Regensburg verurteilte den damals Heranwachsenden im Jahr 1998 zu der höchstmöglichen Jugendstrafe von zehn Jahren, die er auch voll verbüßen musste. Kurz vor seiner Haftentlassung setzte der Freistaat im Eiltempo eine Gesetzesnovellierung durch, wonach auch nach dem Jugendstrafrecht verurteilte Straftäter in die nachträgliche Sicherungsverwahrung genommen werden können. Diese wurde erstmals beim Kläger angewandt, sodass der heute 37-Jährige seit 17 Jahren ununterbrochen hinter Gittern sitzt.

Verbot rückwirkender Strafen

Die Straßburger Richter kritisierten hierauf die deutsche Gesetzgebung, weil sich die Behandlung und Unterbringung der Sicherungsverwahrten zu wenig von der bei einer zu vollziehenden Strafhaft unterscheide und nicht vereinbar sei mit dem Verbot rückwirkender Strafen. Das Bundesverfassungsgericht hatte daraufhin die Regensburger Entscheidung aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung zurückverwiesen. Im August 2012 stellte das Landgericht Regensburg abschließend nach Anhörung hochrangiger Gutachter rechtskräftig fest, dass auch heute noch eine "hochgradige Gefahr bis hin zu Tötungsdelikten" von ihm ausgehe. Damit blieb der Kläger in Sicherungsverwahrung.

Nunmehr stützt der Kläger seinen Schadenersatzanspruch darauf, dass seine damalige Einweisung in die Sicherungsverwahrung bei Beachtung der Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte rechtswidrig gewesen sei, da damals die erforderliche "hochgradige Gefahr" aufgrund einer psychisch-pathologischen Störung nicht vorgelegen habe.

Diese Frage wollte die Zivilkammer geklärt wissen. Der nunmehr beauftragte Sachverständige, Dr. Detlev Blocher aus Würzburg, konnte im Gegensatz zum Erstgutachter den Kläger nicht persönlich in seine Untersuchungen miteinbeziehen, da sich dieser hierzu nicht bereit erklärt hat. Es standen ihm aber zahlreiche Befunde zur Verfügung, wonach der Kläger in der Vergangenheit bei verschiedenen Gutachtern und anderen Sachkundigen Angaben gemacht hatte.

50 Prozent Rückfallprognose

Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass beim Kläger in dem für das Klageverfahren maßgeblichen Zeitraum 2008 bis 2012 keine pathologisch relevante Persönlichkeitsstörung mehr vorlag. Eine solche sei nicht statisch, sondern durch Alter und Therapien veränderbar.

Anders sei es bei der von ihm beim Kläger diagnostizierten Störung der Sexualpräferenz mit dem Erscheinungsbild eines sexuellen Sadismus. "Diese Krankheit hat überdauernden Charakter." In seiner Prognose ging der Sachverständige von einem Erwartungswert bei neuen Sexualdelikten von 50 Prozent aus. Es würde eine fortdauernde Gefahr von Spontantaten bestehen, auch bei einem über längere Zeit gezeigten Wohlverhalten. Dann sei mit gravierenden Verletzungen der Opfer zu rechnen. Das Urteil soll am 14. Juli verkündet werden.