Buchtipp

In Versuchung: Der Roman "Dschihad Calling" greift ein aktuelles Thema auf


Ein Abend bei Facebook - eine Meldung taucht auf: "Jakob hat seinen Namen zu Ya'qub geändert." Kurz darauf: "Ya'qub hat seine religiösen Ansichten in Salafiyya geändert." - "Ya'qub hat eine neue Arbeitsstelle als Diener Allahs begonnen." - "Hamit Krämer, Proud Muslim, Laura Aischa und 176 anderen gefällt das." Mit diesen Änderungen wandelt sich nicht nur Jakobs Profil, sondern auch sein Leben.

Jakob ist die Hauptperson in "Dschihad Calling", dem Roman von Christian Linker. Jakob ist 18 Jahre alt und hat gerade frisch das Abi in der Tasche. Fürs Studium geht es für ihn nach Potsdam - eine neue Stadt, neue Freunde, ein neues Leben.

Frisch ins Semester gestartet, bemerkt er auf dem Weg nach Hause eine junge Frau, die von zwei rechtsradikalen Hooligans bedrängt wird. Der Student greift ein und verliebt sich in die blauen Augen der Unbekannten. Es ist das Einzige, was Jakob von ihr sieht. Die junge Frau ist verschleiert. Auf einem Zeitungsbild erkennt er sie wieder. Sie heißt Samira und ist Mitglied eines Salafisten-Vereins. Salafisten sind Muslime, die die Lehren ihres heiligen Buchs, den Koran, sehr konservativ und streng sehen.

Jakob nimmt Kontakt mit Samira auf. Zunächst fühlt er sich von der ihm fremden Welt der Salafisten abgestoßen. Doch durch Samira lernt er ihren Bruder Adil kennen, der im Verlauf der Geschichte sein engster Freund wird. Adil sympathisiert mit den Gotteskriegern des Islamischen Staates (IS). Für Jakob anfangs undenkbar fühlt er sich immer mehr von den Gedanken und der Gemeinschaft der Salafisten angezogen. Seine eigene, alte Welt lehnt er immer stärker ab. Jakob radikalisiert sich, wird zu Ya'qub, der islamischen Schreibweise von Jakob, und bricht alle alten Kontakte ab. Adil will nach Syrien. Und Jakob ist kurz davor, mit ihm zu ziehen. Doch will er das wirklich?

Zwei Geschichten in einer

Christian Linker erzählt die Geschichte in "Dschihad Calling" aus zwei Sichtweisen. Im Vordergrund steht Jakob, der sich in der neuen Stadt nicht zurechtfindet und vielleicht gerade deswegen ein leichtes Opfer für die radikalen Islamisten ist. Durchbrochen wird diese Geschichte von Tagebuch-Einträgen. Sie stammen von Adil und erzählen seine Erlebnisse als Gotteskrieger beim IS. Der Leser bekommt also zwei Geschichten auf einmal erzählt. Das erfordert Mitdenken, ist aber ein gut gewählter Kniff. Die Erzählungen machen den Roman unglaublich spannend, denn beide spitzen sich zum Ende hin immer mehr zu.

Eine wichtige Rolle in dem Roman spielt Samira. Sie will - wie ihr Bruder Adil - Jakob für die Salafisten gewinnen, ist aber im Gegensatz zu ihm nicht so radikal. Sie diskutiert mit Jakob oft über die Werte des Islam und steht diesen eher offen gegenüber. Zum Beispiel lässt sie eine Diskussion zu, ob es im Islam eine Hölle gibt. Zu Beginn hilft Samira Adil, dann wechselt sie die Seiten. Die junge Frau versucht, Jakob zurückzuhalten, mit ihrem Bruder nach Syrien zu ziehen.

Christian Linkers Roman fasziniert wegen seiner Aktualität. Viele Menschen sehen im Islamischen Staat fälschlicherweise den Sinn des Lebens, radikalisieren sich und ziehen nach Syrien. Doch nicht nur das macht den Roman aus. Es ist die unglaublich realistisch erzählte Geschichte, die fesselt. Leser können Jakobs Gedanken und Handlungen nachvollziehen. "Dschihad Calling" schockiert und macht nachdenklich.