Angst vor Chaos

Staus und Engpässe: Die Horror-Szenarien der Wirtschaft


Ein Van-Carrier (VC) fährt über den Container-Lagerplatz am Containerterminal Burchardkai im Hafen an einer Reihe gestapelter Container vorbei. (Symbolbild)

Ein Van-Carrier (VC) fährt über den Container-Lagerplatz am Containerterminal Burchardkai im Hafen an einer Reihe gestapelter Container vorbei. (Symbolbild)

Von Sven Geißelhardt

Bei den Unternehmen wächst die Angst vor dem Chaos nach der Ablehnung des Brexit-Abkommens. Welche Branchen sind betroffen?

Endlose Lastwagenkolonnen an den Grenzen, Produktionsausfälle, weil Teile nicht rechtzeitig geliefert werden: Nach der Ablehnung des Brexit-Abkommens wächst die Sorge vor einem ungeordneten Ausscheiden Großbritanniens aus der EU. Denn Tausende Regelungen für Handel und Verkehr zwischen Insel und Festland drohen nach dem 29. März ungültig zu werden. Das trifft Reisende, Arbeitnehmer und Firmen.

Angst vor Horror-Szenarien: Welche Branchen sind Betroffen?

Arzneimittel: Pharmaverbände befürchten im Falle eines ungeordneten Brexits Engpässe bei Medikamenten. Ohne Übergangsphase oder Regelungen für die komplexen Lieferketten für Arzneien könne die Versorgung in Großbritannien und der übrigen EU "empfindlich" gestört werden, mahnt der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH).

Luftverkehr: Bei einem No-Deal-Brexit drohen chaotische Zustände: Verkehrsrechte und Betriebsgenehmigungen würden ungültig. Mit Sonderregeln für zwölf Monate will die EU einige Flüge aufrechterhalten. Störungen dürften trotzdem nicht ausbleiben. Vor besonderen Problemen steht der europäische Flugzeugbauer Airbus, der in Großbritannien etwa 14.000 Mitarbeiter beschäftigt. Im Vereinigten Königreich werden alle Flügel der Airbus-Verkehrsjets entworfen und hergestellt. "Der harte Brexit ohne Vereinbarung würde bedeuten, dass wir keine Teile über die Grenze bekommen", warnt der Chef der Airbus-Verkehrsflugzeugsparte, Guillaume Faury.

Werden Arbeitsplätze nach Deutschland verlagert?

Tourismus: Britische Fluggesellschaften könnten ihr Recht verlieren, von London nach Frankfurt oder Mallorca zu fliegen. Flüge innerhalb der EU wären für sie passé. Probleme kann es auch für den deutschen Ferienflieger Condor, der zum Reisekonzern Thomas Cook gehört, und Tuifly geben, weil diese Anbieter nicht mehr mehrheitlich in EU-Eigentum wären.

Finanzbranche: Zahlreiche Banken haben angekündigt, Arbeitsplätze von London in andere Finanzzentren zu verlagern. Denn sobald Großbritannien aus der EU ausgeschieden ist, dürfen sie nicht mehr wie bisher von London aus Finanzgeschäfte in der Gemeinschaft betreiben. Laut der Finanzaufsicht Bafin sind mehr als 45 Institute dabei, sich in Deutschland ein Standbein zu schaffen oder ihre Präsenz auszubauen. Bei einem ungeordneten Brexit könnte es jedoch hohe Hürden geben. Arbeitsrechtler warnen, es sei kein Selbstläufer, dass Banker aus London die notwendige Arbeitserlaubnis in Deutschland erhalten.

BMW bereitet sich auf chaotischen Brexit vor

Maschinenbau: Großbritannien ist der fünftwichtigste Markt für Maschinen "Made in Germany". 2017 gingen Maschinen und Anlagen im Wert von 7,3 Milliarden Euro dorthin. Die Importe aus UK betrugen nur 2,6 Milliarden. Experten raten, die Firmen sollten Verzögerungen und Engpässe beim Ex- und Import einplanen sowie ihre Lieferketten auf Abhängigkeiten von britischen Zulieferern prüfen.

Autobranche: Großbritannien ist einer der wichtigsten Export-Märkte für Autos aus Deutschland. Zugleich produzieren deutsche Autobauer dort, allen voran BMW mit den Marken Mini und Rolls-Royce. "Ohne geordnete und praktikable Lösungen für den Wirtschaftsverkehr stehen auch Jobs in der Automobilindustrie, insbesondere auf der britischen Seite, auf dem Spiel", so der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie Bernhard Mattes. BMW bereitet sich auf die Möglichkeit eines chaotischen Brexits vor. Im Rolls-Royce-Werk in Goodwood soll die jährliche Herstellungspause auf April vorgezogen werden. Die Fabrik in Oxford will BMW früheren Angaben zufolge nach dem Brexit für etwa einen Monat schließen. So wolle man das Risiko von Engpässen bei Zulieferern umgehen.