Mein Sporterlebnis

Ungarns zweite Liga - Anlaufstelle für Fußball-Puristen


Wenige Zuschauer - ein überschaubares Niveau: Ungarns zweite Liga ist nichts für "Hochglanz-Fans" sondern viel mehr für Puristen.

Wenige Zuschauer - ein überschaubares Niveau: Ungarns zweite Liga ist nichts für "Hochglanz-Fans" sondern viel mehr für Puristen.

In unserer Serie "Mein Stadionerlebnis" berichtet Chris Sternitzke von einem Nachmittag bei ungarischen Zweitliga-Fußball.

Vor etwa eineinhalb Jahren besuchten wir zu dritt einen befreundeten Fußballclub in Ungarn. Kurz nach unserer Ankunft ließ ich mich nach etwa zwei Jahren fußballerischer Abstinenz zu einem Altherren-Turnier überreden. Am nächsten Tag war jedoch ich mit der Programmplanung an der Reihe - ich setzte mich für einen Stadionbesuch ein. "Fußball schauen" betreibe ich seit einigen Jahren lieber, als aktiv gegen das Leder zu treten.

Ich machte mich im Netz und bei unseren Gastgebern schlau. Die Wahl fiel am Ende auf ein Zweitligaspiel in Tatabanya in der Nähe unseres Wohnorts. Auf kurvigen, engen Straßen durch den Wald erreichten wir nach etwa 15 Minuten die 70.000 Einwohnerstadt in Mitteltransdanubien. Tatabanya ist keine Schönheit, eine klassische postsozialistische Stadt, geprägt von Plattenbauten. Die mächtige Statue des Turul-Vogels ist das Wahrzeichen der Stadt.

Am Stadion angekommen, suchten wir erst einmal nach dem Haupteingang samt Ticketschalter, wir vermuteten ihn gleich bei der größten Tribüne. Jedoch verwiesen uns die Ordner an einen Seiteneingang, wo das Stadion keinen Ausbau besitzt. Der Ticketschalter war nur ein Stuhl mit Tisch - ähnlich wie bei uns bei unterklassigen Relegationsspielen. Das Grosics Gyula Stadion ist ein Rundbau, nur an zwei Seiten ausgebaut, mit lediglich einer überdachten Tribüne. So wie man viele Stadien aus Osteuropa kennt. Die Glanzzeiten liegen schon lange hinter dem Stadion. Besonders spiegelt sich das an der verrosteten Sprecherkabine wider, dessen Vorhänge seit der Eröffnung 1946 womöglich nie wieder ausgewechselt wurden. Nostalgiker freuen sich über die hoch aufragenden Flutlichtmasten hinter der Gegengerade. Ein Anblick, den es in modernen Stadien nur noch selten zu sehen gibt. Das Portal "transfermarkt.de" gibt eine Kapazität von 4.000 Zuschauern an.

Zuschauermagnet ist der Handball

Zur Begegnung zwischen dem heimischen Budaörsi SC und dem Gyirmot FC Györ aus der ungarischen Autostadt verirrten sich nur etwa 100 Zuschauer in das Rund, obwohl beide Mannschaften am Ende der Saison 2018/19 in den Top-5 landeten. Zuschauermagnet in der Stadt ist der Handball. Der KC, regelmäßiger Europacup-Teilnehmer, spielt in seiner Halle direkt neben dem Stadion vor über 2000 Zuschauern im Schnitt. Fangruppierungen sind keine im Grosics Gyula Stadion, jedoch erheitert auf der überdachten Tribüne ein hochmotivierter Meckerrentner mit seinen Tiraden gegenüber dem Schiedsrichter und dem gegnerischen Team.

Das Spielniveau in Ungarns zweiter Liga setze ich etwa mittelmäßigem Bayernliga-Niveau gleich. In der ersten Spielhälfte war die angenehme Septembersonne so ziemlich das Beste. Das Geschehen auf dem Rasen entpuppte sich als Langweiler, in dem die Gäste Mitte der ersten Hälfte in Führung gingen. Da wir erst kurz vor Spielbeginn das Stadion erreichten, konnten wir uns noch nicht mit dem obligatorischen Bier ausstatten. Das musste selbstverständlich in der Halbzeitpause nachgeholt werden - Getränkestände suchten wir vergeblich. Also steuerten wir die dunkle Vereinskneipe an, in der uns der Wirt Soproni servierte. Mit der Halben, die für bayerische Gaumen annehmbar schmeckte, in der Hand machte die zweite Hälfte gleich mehr Spaß. Bei der Heimelf wollte weiterhin nicht viel zusammen laufen, dennoch gab es den Ausgleich Mitte der zweiten Hälfte. Er war ein Geschenk - ein Eigentor. Doch nur wenige Minuten später jubelten die Gäste erneut über die Führung. Dann kurz vor dem Schlusspfiff kam endlich etwas Dramatik in die Partie - die Hausherren bekamen tatsächlich noch einen Elfer zugesprochen. Die große Chance auf den Ausgleich. Vergeben. Der Gästekeeper parierte.

Fazit: Auch wenn das Spiel weder hochklassig war und sich nur wenige Zuschauer ins Stadion verirrten, war es ein entspannter Nachmittag mit günstigem Eintritt und Stadionbier für nur etwa zwei Euro. Und nicht zu vergessen, wie es Groundhopper formulieren würden: ein neuer Länderpunkt.