Bayerisches Judo-Ass

Theresa Stoll: "Ich fahre für eine Medaille nach Tokio"


Die Münchnerin Theresa Stoll blickt selbstbewusst in Richtung Olympia.

Die Münchnerin Theresa Stoll blickt selbstbewusst in Richtung Olympia.

Von Magnus Rötzer

Nach der Bronzemedaille bei der Europameisterschaft blickt Judoka Theresa Stoll selbstbewusst in Richtung Olympia. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen hat sie ihre Zwillingsschwester Amelie ausgeschaltet. Im Interview spricht die Münchnerin über die spezielle EM, das besondere Verhältnis zu ihrer Schwester und ihre Ziele für das kommende Jahr.

Frau Stoll, herzlichen Glückwunsch zu Bronze bei der Europameisterschaft. Die Feier wird in Corona-Zeiten vermutlich eher moderat ausgefallen sein.
Theresa Stoll: Es war einfach nur ein sehr entspanntes Wochenende, leider keine richtige Feier. Wir haben mit der Familie ein bisschen angestoßen. Aber dadurch, dass sehr viel Trubel war und ich an dem Wochenende auch noch Geburtstag hatte, war ich nicht böse, dass es keine riesige Feier gab.

Sie hatten nun mit der EM wieder ein konkretes Ziel vor Augen. Wie hat sich das nach der wettkampffreien Phase auf Ihre Motivation ausgewirkt?
Stoll: Der letzte Wettkampf war neun Monate her, die Zeit dazwischen war nicht einfach. Als bekannt wurde, dass die EM stattfinden soll, war ich schon froh. Ich war mental darauf eingestellt und wir haben uns im Training gut vorbereitet. Ich hatte aber auch immer im Hinterkopf, dass sie auch nochmal verschoben oder abgesagt werden kann. Als sich dann abgezeichnet hatte, dass sie stattfinden wird, habe ich mich sehr gefreut.

Judo ist immerhin Vollkontaktsport. Hatten Sie Sorgen, sich beim Turnier anzustecken?
Stoll: Ich hatte am Anfang auf jeden Fall Respekt und wusste nicht, wie das Ganze ablaufen soll. Wir sind am Tag vor dem Wiegen angereist und im Hotel eingecheckt. Dort lief alles super ab. Es gab eine eigene Bubble, in der wir uns aufhalten mussten. Nach dem Check-In mussten wir einen Coronatest machen und bis zum Ergebnis im Zimmer in Quarantäne bleiben. Wir durften erst raus, als das Ergebnis da war. Alle Athleten mussten auch im Vorhinein schon zwei Tests in ihren Heimatländern machen. Beim ersten Kampf hatte ich ein etwas merkwürdiges Gefühl, das war aber vor allem der fehlenden Routine geschuldet. Aber es war eigentlich ein normaler Wettkampftag.

Wie haben Sie die Quarantäne in Ihrem Hotelzimmer empfunden?
Stoll: Es ein sehr merkwürdiges Gefühl, weil man eingesperrt war und normalerweise sonst mit dem Team noch trainiert oder sich abends trifft. Es war dann schon komisch, weil ich alleine in meinem Zimmer war. Aber da es nicht so lange gedauert hat, war es in Ordnung.

Wie sehr steigert der Erfolg bei der EM das Selbstvertrauen für Olympia im kommenden Jahr?
Stoll: Wir haben in den letzten neun Monaten zwar eingeschränkt, aber trotzdem gut trainiert. Ich hatte keine richtig lange Pause und habe zuhause an meinen Schwächen gearbeitet. Wir hatten ein paar Testwettkämpfe innerhalb des deutschen Teams, also wusste ich schon, dass ich fit bin. Allerdings wusste ich nicht, wie ich international da stehe. Deshalb war der Wettkampf wichtig, um die eigene internationale Konkurrenzfähigkeit einzuschätzen. Ich habe gesehen, dass ich echt fit bin. Das gibt mir Selbstvertrauen.

Wie lauten Ihre Ziele bei den Olympischen Spielen?
Stoll: Es ist mein großer Traum und mein Ziel, eine Medaille zu holen. Ich fahre für eine Medaille dort hin. Wenn mir das nicht gelingen würde, wäre ich super enttäuscht.

Ihre Zwillingsschwester Amelie ist Ihr Trainingspartner und Konkurrent zugleich. Nur ein Judoka einer Gewichtsklasse pro Nation darf zu Olympia. Sie haben sich letztlich durchgesetzt. Ist es hart, dieses Duell gegen die eigene Zwillingsschwester zu führen?
Stoll: Auf jeden Fall. Es tut mir natürlich auch super leid, weil ich weiß, wie sehr meine Schwester es will. Sie ist mindestens genauso ehrgeizig wie ich und trainiert genauso hart wie ich. Es ist nicht einfach, aber es ist eine Tatsache, die wir beide akzeptieren müssen. Wir mussten uns von Anfang an damit auseinandersetzen, dass wir gegeneinander kämpfen und Konkurrentinnen sind. Es gibt keine richtige Lösung für uns, deshalb müssen wir die Situation so annehmen und das Beste daraus machen.

Die Brüder Karl-Richard und Johannes Frey hatten beschlossen, nicht gegeneinander anzutreten. Hatten Sie auch mal derartige Überlegungen?
Stoll: Wir waren fast immer in der selben Gewichtsklasse. Wir haben das natürlich alles durchgespielt, ob es eine Möglichkeit gibt, dass eine von uns in eine Gewichtsklasse unter- oder oberhalb wechselt. Aber beides ist körperlich nicht möglich. Wir sind es gewohnt, immer gegeneinander zu kämpfen. Es ist nichts Schönes, aber eine Tatsache, die wir akzeptiert haben.

Einerseits können Sie beide sich gut gegenseitig motivieren. Kann dieser andauernde Vergleich zwischen Schwestern andererseits auch ermüdend sein?
Stoll: Ich bin super froh, dass ich eine Zwillingsschwester wie Amelie habe und es überwiegen die schönen Dinge. Die Tatsache, dass man oft in einen Topf geworfen und verglichen wird, ist aber nicht ganz einfach. Obwohl wir eigentlich zwei normale Geschwister sind und jeder seinen eigenen Weg geht, wird man sehr oft verglichen.

Wenn Sie Abwechslung brauchen zwischen Training, Wettkämpfen und Studium. Wo kriegen Sie Ihren Kopf frei und können abschalten?
Stoll: Ich gehe super gerne in die Berge. Ich war sogar nach dem Wettkampf in den Bergen unterwegs. Nach dem ganzen Trubel in Ruhe die Natur genießen zu können, hilft mir schon sehr. Da ich sehr viel in der Halle unterwegs bin und viel Action habe, mache ich das sehr gerne. Normalerweise treffe ich auch gerne Freunde, wir kochen abends gemeinsam oder machen einen Spieleabend. Leider ist das gerade nicht möglich, das ist ein bisschen schade.

Judo ist Randsportart. Wo müsste Ihrer Meinung nach angesetzt werden, damit der Sport auch abseits von Olympia öfter im Fokus steht?
Stoll: Wenn beim Judo sehr viel taktiert wird, ist es ist selbst für uns Kämpfer nicht sonderlich attraktiv. Die Regeln im Judo verändern sich regelmäßig, die Kampfgerichte versuchen die Regeln so anzupassen, dass die Kämpfe spektakulärer werden. Ich bin der Meinung, dass das noch nicht ganz geschafft wurde. Hinzukommt, dass die Regeln nicht einfach sind und man sich etwas mehr damit befassen müsste, um sie als Laie zu verstehen. Das ist schade, denn für mich ist Judo eine der schönsten Sportarten.