FCB-Legende im AZ-Interview

Jean-Marie Pfaff: "Kluge Entscheidung von Bayern – und Nübel"


Jean-Marie Pfaff hütete von 1982 bis 1988 das Tor beim FC Bayern. Er sagt über Nübel: "Er muss jetzt Geduld haben."

Jean-Marie Pfaff hütete von 1982 bis 1988 das Tor beim FC Bayern. Er sagt über Nübel: "Er muss jetzt Geduld haben."

Von Daniel Gahn

Bayerns Torwart-Ikone Jean-Marie Pfaff spricht in der AZ über den wahrscheinlichen Wechsel des Schalker Keepers nach München. "Er wird im Verein diese ungeheure Gewinnermentalität lernen."

Der frühere belgische Nationaltorwart (66) hütete von 1982 bis 1988 das Tor beim FC Bayern.

AZ: Herr Pfaff, was halten Sie als Ex-Torhüter des FC Bayern davon, dass Torwart-Juwel Alexander Nübel von Schalke 04 kommen wird und sich mit seinen 23 Jahren erstmal mit dem Platz auf der Bank hinter Manuel Neuer begnügt?
JEAN-MARIE PFAFF: Ich halte das für eine sehr kluge und richtige Entscheidung. Für alle Seiten. Die Bayern haben eine Chance gesehen, sich den Mann der Zukunft zu sichern. Wenn es eine solche Gelegenheit gibt, muss man sie ergreifen. Wie heißt es so schön: Erfolg hat nur, wer Pläne hat. Die Bayern planen eben für die Zeit nach Manuel Neuer. Der wird zwar seinen Vertrag verlängern und wird auch noch ein paar Jahre auf allerhöchstem Niveau spielen, aber im Fußball kann alles so schnell gehen. Es kann Verletzungen geben - und noch vieles mehr. Das ist eine sehr umsichtige und auch zukunftsweisende Entscheidung des FC Bayern.

Aber warum tut sich Nübel das an? Er wäre in fast jedem anderen Verein der Stammtorwart, jetzt wird er erst einmal die Bank drücken. Auch für ihn ist es eine Ehre, wenn ein Verein wie der FC Bayern anfragt. So eine Chance bekommt man meist nur einmal im Leben. Klar, er muss jetzt Geduld haben. Aber wenn er die hat - und davon gehe ich aus, sonst würde er nicht bei Bayern unterschreiben, denn er kennt die Konstellation -, dann ist das eigentlich perfekt. Er kann viel lernen, er kann sich im Training mit Manuel messen. Und er wird vor allem lernen, mit diesem gewaltigen Druck umzugehen, der auf allerhöchstem Niveau herrscht. In Köln oder Schalke zu spielen, ist kein Vergleich dazu, beim FC Bayern zu spielen. Wenn man mit Schalke mal verliert, ist das nicht so schlimm. Bei Bayern ist jede einzelne Niederlage eine Katastrophe. Das muss man erst einmal verinnerlichen. Was er beim FC Bayern sofort lernen wird, ist diese ungeheure Gewinnermentalität. Es gibt nichts anderes, was zählt.

Noch-Schalke-Keeper Alexander Nübel bei seiner Kung-Fu-Einlage gegen Frankfurts Mijat Gacinovic, die ihm Rot einbringt.

Noch-Schalke-Keeper Alexander Nübel bei seiner Kung-Fu-Einlage gegen Frankfurts Mijat Gacinovic, die ihm Rot einbringt.

Sie sprachen die Geduld an, genau die ist sicher eine große Herausforderung für einen 23-Jährigen...
Das ist völlig klar. Ich hätte diese Geduld nicht gehabt. Ich wollte immer die Nummer eins sein. Sofort. Ich wollte nicht darauf warten, bis andere denken, dass meine Zeit gekommen ist. Und als ich die Nummer eins war, wollte ich auf jeden Fall die Nummer eins bleiben. Das waren aber auch ganz andere Zeiten. Als ich aktiv gespielt habe, hat man ja nur richtig Geld verdient, wenn man gespielt hat, wenn man sein Können zeigen konnte. Heute ist das anders, da verdient man auch sehr gutes Geld als Ersatzspieler, wenn man auf der Bank sitzt. Aber ja, ich wollte nie Geld verdienen, indem ich auf der Bank sitze, sondern für mich gab es nur die Nummer eins. Ich finde aber die Entscheidung von Nübel sehr klug, wenn er zu Bayern wechselt.

Viele Experten sehen das aber ganz anders.
Er ist aber damit schon beim FC Bayern. Und er weiß, dass er auf jeden Fall die nächsten zehn Jahre bei den Bayern sein wird und es nur eine Frage der Zeit ist, dass er dann die Nummer eins bei einem der besten Vereine der Welt sein wird. Das ist perspektivisch gedacht. Die Bayern holen ja auch Torleute, weil sie lange planen. Da denkt man nicht dran, jedes Jahr einen Neuen zu holen. Wenn sie jetzt Nübel verpflichten, sagen sie ihm auch zugleich: Du bist die Zukunft, du wirst bei uns in ein paar Jahren im Tor stehen. Und bis dahin lernt er von den Besten, gewöhnt sich mental an all die Herausforderungen auf der ganz großen Bühne.

Lesen Sie auch: Alexander Nübel zum FC Bayern? Welche Fragen sich jetzt stellen