[Frei]stunde!

„Ein schweres Spiel“


Simon Forster.

Simon Forster.

Von Redaktion idowa

Mit Italien muss man immer rechnen. Besonders dann, wenn keiner an sie glaubt. Denn mal Hand aufs Herz: Keiner hätte der italienischen Mannschaft vor dem Turnier auch nur einen Pfifferling zugetraut. Nicht einmal die Italiener selbst. Gebeutelt durch Misswirtschaft und Wettskandale, die mittlerweile eine im Fußball nie da gewesene Dimension erreichen, hatte die Squadra Azzurra von Beginn an schlechte Karten. Doch wieder einmal hat Italien alle überrascht. Wieder hat man das Halbfinale erreicht. Und wieder geht es gegen Deutschland. Die unberechenbaren Italiener!

Und da war doch was, Italien gegen Deutschland. Ein Fußball-Leckerbissen, ein Klassiker. Dienstag, 4. Juli 2006 in Dortmund: Im WM-Halbfinale 2006 im eigenen Land trifft Deutschland auf Italien. Das Sommermärchen auf der vorletzten Stufe, der Traum vom Finale in Berlin lebt. Nach 90 Minuten und einer Halbzeit in der Verlängerung steht es torlos. Deutschland spielt bisher dominant, aber nicht konsequent genug. Dann die 119. Minute: Altmeister Alessandro Del Piero schlägt eine Ecke hoch in den Strafraum, Metzelder klärt per Kopf zu kurz. Der Ball landet am Strafraumende bei Andrea Pirlo. Ein genialer No- Look-Pass. Fabio Grosso. Sein Schuss aus der Drehung ist unhaltbar für Jens Lehmann. Italien wie im Rausch. Deutschland taumelt, rennt noch einmal verbittert an. Aber: Konter der Italiener. Gilardino legt perfekt ab für Del Piero, dessen Heber ganz Deutschland mitten ins Herz trifft. Ausgeschieden im Halbfinale, aus der Traum vom Einzug ins Finale. Italien wird später Weltmeister. Schreckliche Bilder. Erinnerungen, die man am liebsten streichen würde...

Noch eine Rechnung offen

Mit diesen Italienern haben wir noch eine Rechnung offen! Doch seitdem hat sich viel verändert. Die Bundesliga hat die Serie A in der UEFA-Wertung längst überholt und wird zudem immer attraktiver. In Deutschland strömen Massen in die Stadien, die fast immer ausverkauft sind. In Italien sind die Arenen oft leer, der Fußball hat dort seinen Glanz verloren.

Währenddessen droht ganz Italien im Sog des Wettskandals zu versinken. Auch kurz vor der EM werden Nationalspieler überprüft, ihre Zimmer durchsucht. Linksverteidiger Domenico Criscito steht unter Verdacht, kurz darauf streicht ihn Coach Cesare Prandelli aus dem Kader, obwohl dieser seine Unschuld beteuert.

Furchtlose Defensivkünstler

Doch "Italien lebt", versprach unter anderem auch Juventus-Abwehrspieler Giorgio Chiellini. In einer schweren Gruppe mit Spanien, Kroatien und Irland setzte man sich dann als Gruppenzweiter durch, trotzte Welt- und Europameister Spanien mit einer beherzten Leistung und einem erstaunlichen Konzept mit einer Dreierkette sogar ein Remis ab. Das entfachte Begeisterung im Heimatland, stärkte den Glauben an sich selbst. Im Viertelfinale schaltete man die "Three Lions" im Elferkrimi aus und man "freue sich nun auf das Duell mit Deutschland", so Prandelli.

Taktisch sehr gut geschult und Defensivkünstler sind sie, die Italiener, denen noch vier Weltmeister von 2006 geblieben sind. In den vier EM-Partien kassierte man lediglich zwei Gegentore. Damit ist ihr Selbstbewusstsein nun wieder zurechtgerückt. "Wir sind Italien. Wir haben vor niemandem Angst", behauptet Claudio Marchisio, ein stolzer Juve-Spieler. Die italienischen Tifosi trösten sich derweil mit historischen Parallelen. Schon 1982 wurde die Serie A von einem Wettskandal erschüttert, Italien wurde Weltmeister. 2006 stürzte eine Manipulationsaffäre über die erste Liga herein, Italien wurde Weltmeister.

Der ehemalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann, der 2006 an Italien scheiterte, prophezeite der deutschen Elf einen "harten Kampf". Gegen England sei Italien "ein hohes Tempo gegangen und physisch stark gewesen". "Es hat mich beeindruckt", so Klinsmann.

Klar ist: Auf Deutschland wartet der bisher härteste Gegner, die letzte Hürde für das Finale. Es bedarf einer konzentrierten und abgezockten Leistung, um die Italiener zu knacken, die nun Lunte wittern, wieder für eine Sensation zu sorgen. Nationalspieler Thomas Müller jedenfalls freut sich auf die Italiener: "Das wird sicherlich ein schweres und interessantes Spiel." Bleibt zu hoffen, dass sich die Bilder von 2006 nicht wiederholen.