14 Stunden OP
Regensburger Ärzte stellen Finger von Straubinger wieder her

UKR/Johannes Beutler
Prof. Lukas Prantl (links) und Prof. Sebastian Geis begutachten den Heilungsverlauf und die Beweglichkeit der linken Hand von Christian R.

Der rote Knopf gedrückt, das Beil des Holzspalters fährt bereits nach unten, doch das Stück Holz steht nicht richtig, ein kurzer Griff, eine kurze Ablenkung und… "Ich habe einen kleinen Moment nicht aufgepasst und dann war es auch schon passiert", sagt Christian R. aus Straubing. Der Spalter hatte ihm Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger der linken Hand abgetrennt. Eine folgenschwere Unachtsamkeit.
Knapp drei Monate ist das nun her. Und wie geht es dem Bauingenieur heute? "Hätte mir damals jemand erzählt, dass ich in allen meinen fünf Fingern wieder etwas spüre, dass ich sie auch bewegen kann und dass ich Wärme fühle, hätte ich es nicht für möglich gehalten." Zu verdanken hat er das Professor Dr. Sebastian Geis. Er ist Stellvertretender Leiter im Team von Professor Dr. Dr. Lukas Prantl von der Abteilung für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des UKR. "Als der Notruf einging, hatte ich gerade eine andere Operation beendet und wollte zurück in mein Büro gehen. Da war sofort klar, dass wir schnellstmöglich handeln müssen, um die Finger zu retten." Nach einem 14-stündigen OP-Marathon war es geschafft: alle vier Finger waren wieder angenäht.
"So kannst du nicht herumlaufen"
Und Christian R. selbst? Wie hat er das Unglück erlebt? "Mein erster Gedanke war, so kannst du doch nicht für den Rest deines Lebens herumlaufen. Wie sieht das denn aus?" Doch die erste Angst ist schnell gewichen. Er und sein Freund taten rational, was zu tun war, um sein Leben zu retten. "Erstaunlicherweise haben wir sehr klar fokussiert und besonnen reagiert. Zuerst haben wir, um die Blutung zu stoppen, meinen Arm abgebunden und dann die Finger gekühlt." In der Zwischenzeit wurde der Notarzt samt Rettungshubschrauber alarmiert, der ihn zum Universitätsklinikum Regensburg flog. Dort ging es vom Schockraum in der Notaufnahme direkt in den OP.
Professor Geis zögerte keine Sekunde und begann zu operieren. "Eine solche Verletzung ist auf vielen Ebenen komplex, da alles zerstört ist. Knochen, Bänder, Sehnen und Gefäße. Wir müssen alles replantieren und rekonstruieren, um die Chance zu haben, die Hand zu erhalten und die Funktionsfähigkeit bestmöglich wieder herzustellen", erklärt der durch die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie zertifizierte Experte.
"Herr R. hatte, wenn man so möchte, Glück im Unglück, da der Schnitt gerade verlief und wir somit überhaupt eine Replantation vornehmen konnten. In anderen Fällen klappt es nicht ohne weiteres und der Patient verliert seine Finger." Bei solchen Eingriffen müssen die Handchirurgen in Bereichen operieren, die nicht dicker sind als ein Haar. "Zwar sehen wir schon während des Eingriffs, ob es Erfolgschancen gibt. Ob die Operation mit all den gewünschten Effekten geklappt hat, sehen wir allerdings erst im Nachgang, wenn der Patient mit der Rehabilitation beginnt", so Professor Geis.
Christian R. zuckt kurz, als ihm im Rahmen eines Kontrolltermins am UKR drei Wochen nach dem Eingriff die Fäden gezogen werden. Und wie geht es dem Patienten jetzt? "Langsam kommt das Gefühl zurück, in Wellen. Meine Finger ,bitzeln'. Das ist zwar manchmal etwas unangenehm und leicht schmerzhaft, aber es zeigt, dass Leben drin ist." Dass es ein langsamer und bisweilen auch schmerzhafter Prozess für ihn wird, dessen ist er sich bewusst. "Wir sind mit dem bisherigen Heilungsverlauf sehr zufrieden", sagt Kerstin Heumann, Assistenzärztin der Abteilung für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des UKR. Sie prüft beim Kontrolltermin die vorhandene Funktionalität. Währenddessen haben Ergotherapie und Lymphdrainage begonnen, um die Heilung zu unterstützen.
"Die Ergotherapie ist jetzt ein ganz wichtiger Baustein auf dem Weg der Genesung, denn durch eine gezielte Behandlung der Narben kann eine Vernarbung verhindert werden. Eine unkontrollierte Vernarbung schränkt die Beweglichkeit ein, was kontraproduktiv wäre", erklärt Professor Geis das weitere Prozedere. "Allmählich sollten auch Wärme, die natürliche Hautfarbe und dann sukzessive die Beweglichkeit zurückkommen." Zudem müssen sich auch die Nerven regenerieren und eine Rückkopplung an das Gehirn geben, dass da wieder etwas ist, das es zu steuern gilt. "Das dauert seine Zeit, denn Nerven regenerieren im Schnitt etwa einen Millimeter pro Tag." Die ersten Schritte sind also getan. "Zum Glück bin ich Rechtshänder, so dass ich schreiben und arbeiten kann. Es geht also aufwärts", fasst Christian R. seine Situation voller Dankbarkeit und Zuversicht zusammen.








