Die Welt verändern

Auftakt für Greentalk am TUM-Campus Straubing mit Fairtrade-Gründer Dieter Overath


Die Studierenden des TUM-Campus (v.l.) Thomás Modolell, Mark Stockhausen (TU München), Max Kellner, Vitus Heigenhauser und Philip Dederichs sowie Maria Stauber, Sprecherin der Steuerungsgruppe Fairtrade-Stadt Straubing, freuten sich über den Fairtrade-Gründer Dieter Overath als ersten Gast von Greentalk im Nawareum.

Die Studierenden des TUM-Campus (v.l.) Thomás Modolell, Mark Stockhausen (TU München), Max Kellner, Vitus Heigenhauser und Philip Dederichs sowie Maria Stauber, Sprecherin der Steuerungsgruppe Fairtrade-Stadt Straubing, freuten sich über den Fairtrade-Gründer Dieter Overath als ersten Gast von Greentalk im Nawareum.

Auf ihrem Weg, mit Veranstaltungen zur Nachhaltigkeit eine Plattform des Austausches zwischen Studierenden und Vordenkern der Nachhaltigkeit zu schaffen, gelang der studentische Initiative des TUM-Campus Straubing mit ihrem ersten Greentalk-Gast am Mittwochabend im Nawareum ein vielversprechender Auftakt: Fairtrade-Gründer Dieter Overath aus Köln gab vor rund 150 vorwiegend jungen Zuhörern einen Einblick in die Geschichte des fairen Handels und riet den Studierenden, in normalen Firmen zu arbeiten und dort zu versuchen, die Welt zu verändern.

Mit einem zum Nachdenken anregenden Film von Fairtrade Belgien zur Frage "Wie lange würdest du für 67 Cent arbeiten?" führte Overath plakativ in das Thema ein: Der Dozent verlässt in dem Video wortlos den Saal, bevor er mit der Vorlesung überhaupt beginnt. "67 Cent war damals das Tageseinkommen der Kakaobauern an der Elfenbeinküste", sagte Overath. Je weiter ein Produkt herkomme, desto billiger werde es hergestellt und desto schlechter seien dort die Arbeitsbedingungen. Afrika habe 54 Länder und sei enorm groß, verdeutlichte Overath die Notwendigkeit von Fairtrade.

Das bekannteste Sozialsiegel Deutschlands

Die Lösung des Films auf den Hungerlohn lautet: "Achte auf das Fairtrade-Siegel." Overath hat es von Null aufgebaut. Es hat einen Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent und ist das bekannteste Sozialsiegel Deutschlands. Während man mit Fairtrade vor allem Kaffee, Kakao und Bananen verbindet, wurden vor 15 Jahren auch Fairtrade-Blumen eingeführt, die mit 38 Prozent Marktanteil das erfolgreichste Produkt von Fairtrade am deutschen Markt sind.

Obwohl die Rosen mit dem Flugzeug beispielsweise aus Äthiopien oder Kenia kommen, sei ihre Klimabilanz besser als die der Treibhaus-Rosen aus Holland, erläuterte Overath. Der Flug von Nairobi nach Frankfurt sei ein Rückflug. Der Hinflug bringe für den Automobilhersteller BMW Ersatzteile nach Südafrika.

Das Fairtrade-Siegel sei ein globales Logo, das weltweit bekannt ist. Über Lizenzgebühren beispielsweise von Lidl, Aldi und Rewe werde Fairtrade finanziert. Davon gingen 50 Prozent in die Entwicklung. Zunehmend baue Fairtrade die Umweltstandards aus, so Overath. Bei Fairtrade-Bananen beispielsweise sei Flugbesprühung verboten, um nicht auch das Dorf zu treffen.

Die Liste der Umweltstandards werde immer länger. Zwei Drittel aller Fairtrade-Produkte seien inzwischen Bioprodukte, obwohl Fairtrade ein soziales Siegel ist. Die Umstellung von normalem auf Bio-Anbau dauere in der Regel mindestens drei Jahre. Wenn man in dieser Zeit keine Fairtrade-Preise bekomme, sei die Umstellung nicht möglich.

Jugend hat keine Lust auf einen Euro Tageslohn

Bei einer Umfrage von jungen Leuten im globalen Süden über ihre Zukunftsträume sei klar geworden, dass sie keine Lust mehr hätten, für einen Euro Bohnen zu pflücken, sagte Overath. Auch der Zugang zu Informationen über das Leben anderswo in den sozialen Medien habe zu dieser Entwicklung beigetragen. "In zehn Jahren könnt ihr euch die Kakaobohnen selber pflücken, wenn ihr weiter auf Ausbeutung setzt", lautet Overaths Botschaft an Süßwarenhersteller wie Nestle oder Ferrero.

Briefträger, Zeitsoldat, Fairtrade-Gründer

Im Anschluss an die Fragen aus dem Publikum interviewte Studierender Philip Dederichs den prominenten Gast, der Briefträger und Zeitsoldat war und auch BWL studierte. Im Alter von Mitte 30 trat er eine Stelle bei der Arbeitsgemeinschaft Kleinbauern Kaffee an. Overath gab der Gemeinschaft einen neuen, unmissverständlicheren Namen: Transfair.

Anfangs sei er mit Frauen und Männern der evangelischen und katholischen Kirche zu Rewe, Edeka und anderen Supermärkten spaziert und habe die Filialleiter nach Fairtrade-Kaffee gefragt. Wenn der fünfte Kunde kommt und den Chef nervt, gehe etwas. Der Rewe-Markt war Anfang 1993 der erste, der Fairtrade-Kaffee ins Sortiment nahm. Overath gestand: "Ich bin nur teil-fair. 100-prozentig nachhaltigen Konsum schaffe ich auch nicht."

Wie beim Klimaschutz führe eine Überforderung schnell zu einer Abwehrhaltung. Die Kunst sei es daher, mit moralischen Unzulänglichkeiten klar zu kommen und gleichzeitig neue Schritte zu formulieren.

Auf die Frage, wo Studierende am TUM-Campus, die etwas verändern wollten, anpacken sollten, legte der Fairtrade-Gründer den jungen Leuten nahe, sich Wissen und Basics zu erwerben, worauf dann Innovationen ihren Platz finden.

Es könnten nicht alle bei Fairtrade arbeiten. Die Trennung in Weltveränderer und Spießer tue beiden Seiten nicht gut. Overath empfahl den Studierenden, auch in normalen Firmen zu arbeitet und zu schauen, was dort verändert werden kann.

Organisiert wurde der erste Greentalk von Max Kellner, Vitus Heigenhauser und Philip Dederichs. Das Greenoffice war ebenfalls mit von der Partie. Für die Mitglieder der beiden Fairtrade-Steuerungsgruppen der Stadt Straubing und des Landkreises Straubing-Bogen war es ein informativer Höhepunkt.