Landshut 1923

Vor 101 Jahren stieg der Abo-Preis auf aberwitzige Summen

Eine ganze Waschwanne voller Geld brauchte man vor rund 100 Jahren, um seine Zeitung zu bezahlen. Die Hyperinflation schlug voll in Deutschland zu - und damit auch in der Zeitungsbranche.


Eine Waschwanne voller Geld musste schon aufbringen, wer sich vor 100 Jahren eine Tageszeitung leisten wollte.

Eine Waschwanne voller Geld musste schon aufbringen, wer sich vor 100 Jahren eine Tageszeitung leisten wollte.

Das Jahr 1923 war das Jahr der Hyperinflation in Deutschland, in dem ein Laib Brot anfangs noch rund 2000 Mark kostete. Doch nicht nur Lebensmittel wurden unerschwinglicher, sondern auch die Heimatzeitung. Und so wurde es bald üblich, dass die "Landshuter Zeitung" gleich auf der ersten Seite der neuesten Ausgabe darauf hinwies: "Die wiederholt erbetene Nachzahlung (...) ist von einem Teil unserer verehrlichten Postbezieher immer noch nicht geleistet worden".

Eindringlich wandte sich der Verein bayerischer Zeitungsverleger Anfang Juli 1923 an die Leser: Das Zeitungsgewerbe sei durch die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse in eine so kritische Lage geraten, "wie es noch nie der Fall gewesen ist". Der Papierpreis war innerhalb eines Monats von 1 600 auf 2 550 Mark pro Kilo gestiegen, und die Papierfabrikanten hatten bereits die Forderung nach einem Kilopreis von 7 400 Mark erhoben. Diese "alle Erwartungen übersteigende Papierteuerung" zwinge die Zeitungen zu einer "starken Heraufsetzung der Bezugs- und Anzeigenpreise". Man bitte um Verständnis, so der Verlegerverein, "auch gegenüber den Zeitungen das Verständnis zu zeigen, dass sie den viel weitergehenden Verteuerungen aller anderen Dinge des täglichen Bedarfs entgegenbringen".

Infolge der sprunghaft fortschreitenden allgemeinen Teuerung sieht sich der Verlag der "Landshuter Zeitung" gezwungen, den Postbezugspreis für ein Zeitungsabo im August 1923 im Einverständnis mit der Postverwaltung als "freibleibend" zu bezeichnen. Das bedeutet: Wenn es notwendig wird, den Preis zu erhöhen, wird der Differenzbetrag zwischen dem an die Post bezahlten und dem neuen Preis per Nachnahme von den Zeitungskunden eingezogen. Was sich bereits im Lauf desselben Monats erheblich auswirkt: Statt dem von der Post ursprünglich erhobenen Bezugspreis von 20 000 Mark steigt er auf 80 000 Mark. Was zu einer Nachzahlung von 60 000 Mark auf den Abopreis führt.

Und wieder meldet sich der Verlegerverein zu Wort: Die "Forderung des Papiersyndikats" habe inzwischen ein Ausmaß angenommen, das alles Bisherige überschreite. Kostete ein Waggon Zeitungspapier Anfang Juli noch 73 Millionen Mark, so soll er ab 1. August auf rund 350 Millionen Mark erhöht werden. Weshalb sich die Zeitungsleser auf eine "ganz außerordentliche Verteuerung" zum 1. August gefasst machen müssten. Nachdem das Reichswirtschaftsministerium Höchstpreise für Zeitungsdruckpapier festlegen wollte, treten die Papierfirmen in einen dreiwöchigen Lieferstreik, was die Lage verschärft. So sieht man sich auch angesichts gestiegener Löhne gezwungen, für den Monat August 1923 von allen Lesern eine weitere Nachzahlung zu fordern, und zwar in Höhe von 300 000 Mark. Um den Lesern mit direkter Zustellung künftig die lästige Nacherhebung zu ersparen, gehe man zum Wochen-Abonnement und wöchentlichem Inkasso des Bezugspreises über, heißt es vonseiten des Verlags. Dies sei der letzte Versuch, die 75 Jahre bestehende Landshuter Zeitung über die schwere Zeit hinüberzuretten.

Halber Blattumfang währt nicht lange

Im September wird angekündigt, dass die tägliche Ausgabe mit Ausnahme von Samstag vorübergehend auf zwei Seiten verkürzt werden soll, doch nur zwei Tage später erfolgt eine Kehrtwende: Man sehe sich vom Umfang der Berichterstattung her und dem Umstand, dass der ganze technische Betrieb auf das übliche Gesamtformat eingestellt sei imstande, das Blatt wieder täglich vierseitig erscheinen zu lassen. Was allerdings zur Folge habe, dass der Abopreis wesentlich erhöht werden müsse. Und wieder wird appelliert: Die Leser möchten es als Gewissenssache erachten, die notwendig werdenden Nachzahlungen zu leisten. Dass der Postauflage am 18. September dann eine Zahlkarte für die sofortige Einzahlung von zwölf Millionen Mark beiliegt, trage nicht der Verlag die Schuld, rechtfertigt man sich, sondern die Post mit ihrem gänzlich veralteten Abonnementsystem, das mit der Teuerung nicht Schritt halten könne. So habe man vergleichsweise für zwölf Millionen Mark im August noch ein Pfund Butter bekommen, das Mitte September bereits 16 Millionen Mark kostete.

Der Stadt-Abonnementspreis kostet für die Zeit von 24. bis 29. September dann bereits 880 000 Millionen Mark, wohlgemerkt exklusive Trägerlohn. Im Oktober steigt der Abopreis auf 310 Millionen Mark und befindet sich damit letztmals im Bereich der Millionen, denn im November sind es bereits rund 300 Milliarden Mark. Da hat der Verein der Zeitungsverleger bereits angekündigt, die Bezugsgelder in Goldmark zu berechnen. Statt 650 Milliarden Mark in Papiergeld, auf die der Abopreis in der letzten Novemberwoche des Jahres 1923 gestiegen ist, kann man auch 65 Goldpfennige bezahlen. Mit Einführung der Gold- beziehungsweise Rentenmark ist der Summen-Wahnsinn dann vorbei. Im Januar 1924 beträgt der einmonatige Bezugspreis 2,90 Mark und die Zustellgebühr 24 Pfennig.


Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Beilage "175 Jahre Mediengruppe Attenkofer".