Revolution und Armut

So lebten die Menschen im Jahr 1849 in Landshut

Als die erste "Landshuter Zeitung" verkauft wurde, stand das Leben in Deutschland unter dem Zeichen der Revolution. Doch wie lebten die Bürger in Niederbayern? Dr. Mario Tamme vom Stadtarchiv skizziert die Lage.


Die Isarlände war 1849 noch der Hafen der Stadt Landshut. Das 1841 vom Landshuter Baumeister Johann Baptist Bernlochner erbaute Theater mit dem Hotel und dem Restaurant galt als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in der Stadt. Stahlstich um 1850.

Die Isarlände war 1849 noch der Hafen der Stadt Landshut. Das 1841 vom Landshuter Baumeister Johann Baptist Bernlochner erbaute Theater mit dem Hotel und dem Restaurant galt als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in der Stadt. Stahlstich um 1850.

Von Redaktion Landshut Stadt

Als die Erstausgabe der "Landshuter Zeitung" am 1. April 1849 erschien, hatte die Stadt Landshut rund 9 000 Einwohner. Sie war Sitz der Regierung von Niederbayern, an deren Spitze der in der Residenz wohnende Regierungspräsident Johann Baptist von Zenetti (1785-1856) stand. Dort gab er zu besonderen Anlässen Einladungen. An diesen teilzunehmen galt unter der Landshuter Bürgerschaft als große Ehre. Gesellschaftliche Höhepunkte waren die Maskenbälle in der Faschingszeit. Vielen Menschen ging es allerdings nicht gut. Seit mehreren Jahren herrschte eine Inflation, die sich vor allem in erhöhten Getreidepreisen niederschlug. Viele Arbeiter und Tagelöhner lebten in bitterer Armut und so mancher hatte Probleme, täglich satt zu werden.

Diese Not verdeutlicht eine am 6. Mai 1849 in der "Landshuter Zeitung" erschienene "Bitte an edle Menschenfreunde". Formuliert hatte die Bitte der königliche Landgerichtsbezirk Vilsbiburg. Laut dem Landrichter gab es in der Gemeinde Vilsbiburg eine Familie, die sechs Kinder im Alter von fünf bis 15 Jahren hatte. Vier davon waren Mädchen, zwei Buben. Weder die Eltern, noch die unterstützende Gemeinde Vilsbiburg hatten genügend Mittel, "so daß Eltern und Kinder nie ihren Hunger zu stillen vermögen". Deswegen bat der Landrichter: "Es ergeht daher an solche edle Menschenfreunde, die dringendste Bitte, sich dieser Kinder zu erbarmen und durch Verbesserung deren Looses auch die Lage deren Eltern selbst zu erleichtern, also vielfach Gutes zu schaffen".

Bier erfreut sich höchster Beliebtheit

Schlecht bestellt war es auch um das Gesundheitswesen. Von Zeit zu Zeit grassierten die Cholera, Tuberkulose, Diphtherie, Darmerkrankungen und Scharlach. Viele Leute verstarben an den Folgen von Mangelernährung oder auch an übermäßigem Alkoholgenuss, vor allem, weil sie dem Bier zu sehr zusprachen.

1823 schrieb dazu der Arzt Franz Xaver Bernhuber in seiner medizinischen Doktorarbeit: "Den meisten Nährstoff scheinen unsere Bürger aus dem Bier zu nehmen, wovon Männer wie Frauen meistens ungeheuere Mengen täglich in sich hineinstürzen. Dabei empfinden Sie keinen Überdruss, wenn das Bier betrunken macht."

Indessen war der Missbrauch des Bieres zu entschuldigen, weil das Landshuter Wasser meistens von schlechter Beschaffenheit war. Weil die Brunnen der Privatleute sehr oft in unmittelbarer Nähe der Latrinen angelegt waren, sprudelten sie nicht nur von Larven und Puppen der Schwebfliege (musca pendula), sondern auch von Sumpf-Salamandern; sie wurden trüb, sobald die Isar etwas anstieg.

1849 beginnt mit einer heftigen Kältewelle

Diese Situation herrschte auch noch im Jahr 1849. Die Trinkwasserqualität war nach wie vor schlecht, und die Wasserversorgung erfolgte fast ausschließlich durch private und öffentliche Pumpbrunnen. Zudem gab es keine Kanalisierung in der Stadt. Diese wurde erst ab dem Jahr 1865 errichtet. Ab diesem Jahr wurden auch erste Bereiche der Stadt gepflastert. Das wohlhabende Bürgertum genoss sein Bier im "Gasthof zum Bernlochner", der im Jahr 1841 mit dem dazugehörigen Theater vom Baumeister Johann Baptist Bernlochner (1799-1869) errichtet wurde. Beliebt war vor allem das Münchener Bockbier, zu dem Bockwürste gereicht wurden. Zum Ausschank des Bockbieres hatte Bernlochner eigens eine Bockhalle in seinem Garten gebaut. Wohlhabende Bürger bevorzugten dazu das Trinken von Mineralwasser. Dieses gab es beim Kaufmann zum Auer in der Rosengasse Nummer 356 zu kaufen. Auer führte unter anderem Rakoczymineralwasser aus Bad Kissingen, Marienbader Kreuzbrunnen, Adelheidsquellwasser aus Bad Überkingen und Heilbrunner-Mineralwasser.

Das Jahr 1849 begann im Januar mit einer heftigen Kältewelle. Es kam zu einer Vereisung der Isar und zu einem anschließenden Hochwasser. Das gesamte Isartal von der Münchenerstraße bis hin zu Eugenbach glich einem riesigen See. In Folge der Vereisung und des Eisstoßes wurde die Ländbrücke stark beschädigt und die äußere Isarbrücke ganz weggerissen und fortgeschwemmt.

Die Beleuchtung der Stadt bestand aus Talglichtern. Es gab auch noch keine Eisenbahn, denn der erste Bahnhof wurde erst im Jahr 1857 errichtet. Somit erfolgte der Transport von Gütern, aber auch von Personen immer noch über die Isar mit ihrem Floßverkehr. Mit Flößen konnte man von München bis nach Wien reisen.

Von der Revolution war wenig zu spüren

In Landshut kam es zu keinerlei revolutionären Umtrieben oder gar Aufläufen. Es gab zwar Rufe nach öffentlicher Versammlungs-, Gewerbe- und Pressefreiheit. Landshut und seine Bürger waren aber eher träge, konservativ und monarchietreu und die liberalen Stimmen waren in der Minderheit. Der Landshuter Regierungsrat Karl Lippmann (1804-1873) verfolgte ein liberales Programm, das unter anderem das allgemeine Wahlrecht, Presse-, Sprach- und Lehrfreiheit sowie Fürsorge für die ärmere, arbeitende Volksschicht forderte. Solche Forderungen wurden erst Jahre später mit der Weimarer Verfassung 1918 durchgesetzt. Lippmanns politisches Wirken war aber nicht von Erfolg gekrönt.

Viel Misstrauen und Ablehnung in Landshut

In Landshut stieß er auf viel Misstrauen und Ablehnung: Am 28. Mai 1849 verkündete er deshalb: "Überhaupt sind in der letzten Zeit meine Ansichten, die vom kosmopolitischen (weltbürgerlichen) Standpunkt ausgingen und keine Lokalverhältnisse, am wenigsten die Landshuts im Auge hatten, gänzlich mißverstanden und verkannt worden, weshalb ich mich zur Vermeidung von Weiterungen dieser Art für die Zukunft lediglich aufs Schweigen beschränken werde." Die Versammlungsfreiheit war aber schon weit fortgeschritten. Vereine gab es für fast alles und jeden. Erstmals kam es auch zur Bildung von politischen Vereinen. Am 12. März 1849 gründete sich im Gasthof Feuererbräu in der Schirmgasse 284 ein Arbeiterbildungsverein, der zum Ziel hatte, die Bildung und das Wissen von Arbeitern und Handwerkern zu fördern und zu heben. Der Verein für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit gründete sich im Februar 1849. Die LZ war Sprachrohr des Arbeiterbildungsvereins. Er betrachtete die sozialen Missstände als das Resultat der allgemeinen Abkehr vom Christentum. Genusssucht und die Habgier der Menschen seien die Ursachen für die Verarmung von Teilen der Bevölkerung.

Am 21. Mai 1849 erfolgte in Landshut auch die Gründung eines Filialmärzvereins. Dieser propagierte das demokratische Prinzip und die rechtmäßige Volksherrschaft als den Willen der Mehrheit der Bevölkerung. Wie treu die Landshuter Bevölkerung zum wittelsbachischen Königshaus stand, zeigte der Jubel zum Besuch des Königs Maximilian II. mit seiner Frau Marie am 15. Juli 1849 in der Stadt. Die Stadt empfing das Herrscherpaar mit Salutschüssen und Glockengeläut. Im Bernlochnersaal wurde ein festlicher Ball veranstaltet, zu dem 300 Beamte, Offiziere und ausgewählte Bürger zugelassen waren. Den Ballteilnehmern wurde ausdrücklich das "Tabakrauchen" nicht nur "des Anstands wegen, sondern auch zur Vermeidung von aller Feuersgefahr für Jedermann, ohne Unterschied, strengstens untersagt und verboten". Offensichtlich war es für viele eine Gewohnheit, sich überall und zu jeder Gelegenheit, eine Tabakpfeife anzustecken. Etwas Merkwürdiges geschah aber vor der Heilig-Geist-Brücke: Vier Burschen spannten die Pferde aus der königlichen Kutsche aus und zogen diese selbst weiter bis zur Residenz. Die Burschen waren Schüler der königlichen Studienanstalt.

Landwirtschaftsaussstellung als wichtiges Ereignis

Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Stadt war schließlich die Veranstaltung des vierten Kreislandwirtschaftsfestes. Dieses Fest galt als Landwirtschaftsausstellung; es war aber auch mit Unterhaltung und Vergnügen für die ganze Bevölkerung verbunden. Als Festplatz diente die Schönbrunnerwiesen unterhalb des städtischen Friedhofes zwischen Isar und Schönbrunner Straße. Das Fest dauerte sechs Tage und begann am Samstag, 15. September 1849, mit der Zurschaustellung und Prämierung der Tiere und der Eröffnung eines Glückshafens, also einer Lotterie. Am Sonntag fand ein großes Pferderennen statt. Von überall her strömten die Gäste zum Fest. Teilweise kamen sie zu 30 bis 40 Personen auf blumengeschmückten und bekränzten Heuwagen in die Stadt. Im Rahmen des Festes wurden Bälle, ein Preisschießen, Pferderennen und ein Abschlussfeuerwerk veranstaltet. Das Fest galt insgesamt als großer Erfolg. Einen besonders großen Zuspruch soll der Binderlippwirt Wallner mit seinem guten Moserbräubier gehabt haben.

Dr. Mario Tamme ist stellvertretender Leiter des Landshuter Stadtarchivs und regelmäßiger Autor in der "Landshuter Zeitung".


Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Beilage "175 Jahre Mediengruppe Attenkofer".