Cham/Stamsried

Wirtschaftsjunioren stellen Claudia Roth ihr Projekt Heimat 2.0 vor


Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, beim Besuch der Jugendlichen im Glocknerhof. Neben ihr im Bild Oberstudiendirektor Siegfried Zistler, der Leiter der Berufsschule Cham.

Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, beim Besuch der Jugendlichen im Glocknerhof. Neben ihr im Bild Oberstudiendirektor Siegfried Zistler, der Leiter der Berufsschule Cham.

Ein Ehrenamt in Verbindung mit Unternehmertum und starkem Engagement - so wird das Projekt Heimat 2.0 der Wirtschaftsjunioren Cham kurz beschrieben. Claudia Roth von Bündnis 90/Die Grünen, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und Mitglied bei pro Asyl, hat sich im Glocknerhof in Stamsried davon ein Bild gemacht.

Die Zahl an minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen sei, so eingangs Markus Biebl, Leiter des Jugendamtes, innerhalb kürzestes Zeit um 950 Prozent gestiegen: Derzeit würden 140 Plätze in Waldmünchen, Stamsried und Kastell Windsor finanziert. Der Landkreis übernehme die Rolle des Vormunds, und auch den Volljährigen werde weiterhin eine "ambulante Betreuung" für fünf Stunden pro Woche ermöglicht, um in Schule und Beruf behilflich zu sein und sie nicht von einem Moment auf den anderen mit der Volljährigkeit allein zu lassen.

Coaching bis zum Beginn der Ausbildung

Heimat 2.0 nennt sich das Projekt der Wirtschaftsjunioren, das Kreissprecherin und Projektleiterin Manuela Sachs vorstellt. Die Wirtschaftsjunioren haben sich demnach mit Ausländeramt und Berufsschule zusammengetan, um die minderjährigen Flüchtlinge zu coachen. Nach einem Auswahlprozess besetzte die Organisation 16 Coaching-Plätze, betreut von zehn Mitgliedern. Die jungen Leute - bis auf eine Ausnahme alle männlich - sind zwischen 15 und 19 Jahre alt, sie stammen aus Afghanistan, Äthiopien, Syrien und Eritrea.

Das Projekt basiert auf zwei Säulen: der fachlichen, wobei es da um berufliche Zukunft geht. Neigungen, Praktika im Vorfeld und dann der Prozess der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz sind Inhalt. Schließlich sollen alle Coachees im September 2017 mit einer Ausbildung beginnen können.

Die zweite Säule hat die gesellschaftliche Integration zum Inhalt. Dies geschieht über Mitgliedschaften in Vereinen, die Teilnahme am Familienleben und Veranstaltungen der Wirtschaftsjunioren.

Von zahlreichen Aha-Effekten für die Betreuer spricht Richard Brunner, Geschäftsführer der Wirtschaftsjunioren, wenn die jungen Leute Familienanschluss bekommen, in einem Wohnzimmer sitzen, oder an einem Fest teilnehmen.

Spannende Momente lieferte der Make-A-Difference-Day, wie Frank Betthausen rückblickend schildert. Dem kann der Stamsrieder Bürgermeister Herbert Bauer nur beipflichten: Der Bauhof staunte, mit welchem Engagement und mit welcher Ausdauer die jungen Leute an diesem Tag einen mehrstündigen gemeinnützigen Arbeitseinsatz im Markt absolvierten.

Die Wirtschaftsjunioren geben der Politik am Montag als Auftrag mit, dem Arbeitgeber Sicherheit zu garantieren: Es müsse gewährleistet sein, nicht während der Ausbildungszeit abgeschoben zu werden. Womit alle Bemühungen hinfällig wären.

Spurwechsel: vom Flüchtling zum Einwanderer



Claudia Roth nennt das Projekt der Wirtschaftsjunioren faszinierend, es demonstriere, wie stark die Kraft sei, die in diesem Land stecke, um die Herausforderungen der Flüchtlingsströme zu bewältigen. Auch die Politikerin sieht in diesem Zusammenhang die Regelung für einen möglichen Spurwechsel drängend und sinnvoll. "Warum nicht einen Spurwechsel machen können vom Flüchtling zum Einwanderer?" Für die Wirtschaft sei dies eine große Chance. Es bestehe ja gegenseitiges Interesse, seitens des Flüchtlinge wie der Wirtschaft.

Dass unter der Flüchtlingsjugend ein beträchtlicher Anteil Analphabeten mit zum Teil unrealistischen Vorstellungen ist, antwortet Oberstudiendirektor Siegfried Zistler auf die Frage der Bundestagsvizepräsidentin. Es fehle nicht an Unterstützung, die Jugendlichen zu unterrichten, weder personell noch räumlich, so der Leiter der Berufsschule weiter. Nur sei es schwierig, an sie heranzukommen.

Die Abgeordnete erfährt ferner von 40 Betrieben, die Flüchtlinge aufnehmen würden, und von Frust, wenn sich Ehrenamtliche für Flüchtlinge engagieren, diese plötzlich abgeschoben werden. Sie hört, wie begeistert die Burschen beim FC Stamsried kicken.

Projekt Heimat 2.0 soll bekannter werden

Beim Rundgang im Glocknerhof macht sich Claudia Roth am Ende einen Eindruck von den jungen Leuten, die in Deutschland ihre neue Existenz aufbauen wollen. Sie ist erstaunt über die Deutschkenntnisse nach erst neun Monaten und die Zuversicht, die einige ausstrahlen. Roth spricht sich dafür aus, dieses Projekt der Wirtsjunioren doch auch auf Bundesebene vorzustellen, damit es Kreise ziehen möge.