Cham

Glyphosat verschwindet aus dem Baumarkt


Michaela Bauer (links) ist "geheilt" von Herbiziden mit Glyphosat. Sie und ihre Kollegin Katrin Haberl raten Kunden zu umweltschonenderen Alternativen - wenn es schon die Giftspritze sein muss.

Michaela Bauer (links) ist "geheilt" von Herbiziden mit Glyphosat. Sie und ihre Kollegin Katrin Haberl raten Kunden zu umweltschonenderen Alternativen - wenn es schon die Giftspritze sein muss.

Das Mittel ist ein Kassenschlager: Roundup hat seit seiner Zulassung im Jahr 1971 als Herbizid jährlich zwei Milliarden US-Dollar in die Kassen des Saatgut- und Gentechnik-Konzerns Monsanto gespült. Und es ist weltweit im Einsatz - obwohl die Weltgesundheitsorganisation laut ihrer jüngsten Studie vom März 2015 behauptet, dass der Hauptbestandteil des Mittels, Glyphosat, "wahrscheinlich krebserzeugend bei Menschen" ist. Seitdem liefern sich Wirtschaftsvertreter, Lobbyisten und Umweltschützer eine erbitterte Schlacht darum, wie bedenklich Glyphosat wirklich ist. Schließlich muss die EU-Kommission dieses Jahr turnusgemäß darüber entscheiden, ob sie die Zulassung für Glyphosat in der EU für weitere zehn Jahre verlängert.

Glyphosat-Rückstände finden sich zwischenzeitlich überall - in 70 Prozent aller Urinproben in ganz Deutschland, hat eine Studie erbracht, die der Bund Naturschutz europaweit in Auftrag gegeben hat - sogar bei Großstädtern, die noch nie mit der Landwirtschaft in Berührung gekommen waren. Vor wenigen Wochen erst hat eine Meldung für Furore gesorgt, als sich in der Muttermilch Spuren des Pflanzenvernichtungsmittel fanden. Geringe Konzentrationen entdeckte die WHO bereits in Lebensmitteln, im Wasser und in der Luft.

Das liegt nicht nur an dem weit- verbreiteten Einsatz in der Landwirtschaft, sondern auch am sorglosen Umgang der Gartler, die Roundup für eine schnelle und effektive Unkrautvernichtung einsetzen.

"Wir saufen es wieder!"


"Ich bin ganz ehrlich, die Leute wollen das", sagt Michaela Bauer, gelernte Gärtnerin und beim toom-Baumarkt in Cham für den verschlossenen Giftschrank zuständig. "Ich habe einen Pflanzenschutzmittelsachkundenachweis, den ich alle zwei Jahre verlängern muss. Ohne den kann ich noch nicht mal Schneckenkorn verkaufen", sagt sie. Jahrelang hat auch sie Roundup bei Nachfrage im Kleingebinde an den Kunden verkauft. Doch damit ist Ende September Schluss. "Und ich bin froh drüber", sagt sie erleichtert. "Seien wir uns mal ehrlich, die Leute haben das schon vor 30 Jahren aufs Pflaster oder die Wege gesprüht, das machen die so weiter", weiß sie aus ihrer Erfahrung und zig Kundengesprächen. "Dabei ist das hochgiftig. Das gerät ins Grundwasser, die Kläranlagen können es nicht mehr rausfiltern und wir saufen es wieder", schimpft sie.

Was Roundup - beziehungsweise Glyphosat - mit dem Menschen macht, hat sie schon am eigenen Leib erfahren müssen. Trotz einer korrekten Anwendung hat sie das Mittel - "ich vermute durch den Gummihandschuh durch", sagt sie - auf die Haut bekommen. "Ich lag drei Tage mit Nesselsucht und allergischem Schock im Krankenhaus." Cortison-Spritzen haben sie gerettet. "Seit der Zeit bin ich geheilt", sagt Bauer und rät in jedem Fall zu einer umweltverträglicheren Alternative. "Die enthält Nanosäure und macht auch alles tot, ist aber weit nicht so umweltschädlich", rät sie.

Überhaupt müsse nicht alles tot gespritzt werden, was da an Grün irgendwo hochspitzt. Doch mit der Meinung kommt die Gärtnerin nicht überall durch. Also bleibt die Beratung das A und O.

Junge Leute sind sensibler

"Ich stelle schon auch fest, dass die Wahl für oder gegen ein Herbizid oft vom Alter abhängt", sagt Bauer. Gerade junge Mütter oder Familien mit Kindern seien viel vorsichtiger, was den Einsatz von Chemie im eigenen Garten betrifft.

Dass toom ab September generell alle Unkrautvernichtungesmittel mit Glyphosat als Bestandteil - deutschlandweit immerhin 92 Produkte - aus dem Sortiment nimmt, stimmt sie hoffnungsfroh.

"Der Einsatz auf befestigten Wegen oder Pflaster war ohnehin verboten und mit Geldbußen bis zu 50 000 Euro belegt", klärt sie auf. Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Das Aus für den Verkauf im Baumarkt erspart Bauer künftig den Kleinkrieg mit dem Kleingärtner. Unbelehrbare schworen nämlich weiter auf Glyphosat.

Nieder mit dem Grün!

"Ja, es ist teilweise Unverständnis da", bestätigt auch Obi-Marktleiter Hans Bucher. "Dabei sollte die Gesundheit vorgehen." Auch bei Obi hat die Zentralleitung entschieden: Glyphosat geht nicht mehr über den Tresen. Basta. Das war schon vor drei Monaten, als die krebserzeugend-oder-nicht-Debatte in ihrem Höhepunkt gipfelte. "Wir wollen uns nicht beteiligen, wenn das wirklich so giftig ist, wie es die aktuellen Untersuchungen vermuten lassen", sagt Bucher. "Bevor noch was passiert", fügt er hinzu. Damit hat der Handel - gegen den teilweisen Widerstand der Kunden - mehr Format bewiesen als die Politik.