Fünf-Sterne-Küche

Bauunternehmen Rädlinger in Cham serviert Gourmet-Essen

Rindsfleischsuppe mit Grießnockerln, Glasnudeln mit gerösteten Erdnüssen in Karottensoße und danach Quittenmus mit Nussstreuseln: Wo andere für solch ein Drei-Gänge-Menü einen Tisch beim Sternekoch reservieren, speisen Mitarbeiter von Josef Rädlinger für 4,90 Euro in der Mittagspause.


Der stellvertretende Küchenchef Sebastian Steiger (von links), Julian Schmiedl, Walburga Gruber und Chefkoch Franz Emberger befü

Der stellvertretende Küchenchef Sebastian Steiger (von links), Julian Schmiedl, Walburga Gruber und Chefkoch Franz Emberger befüllen die ersten Teller der Angestellten von Josef Rädlinger.

Beim aktuellen Kantinentest der Initiative "Food & Health" belegt das Betriebsrestaurant des Bauunternehmens in Windischbergerdorf den ersten Platz mit fünf Sternen. Und lässt somit die Küche von BMW und DFB hinter sich.

Die Kloster-Glocke schlägt um Punkt 12 Uhr und die ersten Mitarbeiter greifen sich ein Tablett an der Essensausgabe - nur wenige Minuten vom Schreibtisch entfernt. Mitten drin treffen sich auch Josef und Petra Rädlinger mit dem Geschäftsführer Rüdiger Altmann auf eine gemeinsame Mahlzeit. "Alles wird frisch gekocht. Es soll wie Zuhause schmecken, da kommt nichts aus der Dose", sagt Petra Rädlinger. Von montags bis donnerstags werden täglich 150 Essen im ehemaligen Klostergebäude serviert. 120 Mitarbeiter können gleichzeitig essen.

Da kommt Café-Stimmung auf: Im Sommer essen die Mitarbeiter auf der Terrasse vor dem ehemaligen Kloster.

Da kommt Café-Stimmung auf: Im Sommer essen die Mitarbeiter auf der Terrasse vor dem ehemaligen Kloster.

Sobald Gemüse, Obst und Kräuter erntereif sind, verwendet die Küche ihre eigenen Lebensmittel.

Sobald Gemüse, Obst und Kräuter erntereif sind, verwendet die Küche ihre eigenen Lebensmittel.

Mitte 2019 zog die Firma aufs Gelände. Im vergangenen Herbst wurden die Verantwortlichen dann auf den Kantinentest aufmerksam und haben sich beworben. Viele Interviews und Konferenzen später erfuhr die Firma am vergangenen Freitagabend über einen Focus-Artikel von der Bestplatzierung. "Da habe ich gerade gekocht und mich so gefreut, dass die Töpfe flogen", erzählt Petra Rädlinger. Im Nachhinein seien sie und ihr Mann froh, nichts von den 26 anderen, großen Konkurrenz-Unternehmen in ganz Deutschland gewusst zu haben.

Eigenes Biogemüse im Firmengarten

Und doch bekam Rädlinger die erstmalige Höchstbewertung von fünf Sternen für unter 400 Mahlzeiten pro Tag. Eine Jury untersuchte dafür die Kategorien Verantwortung, Gesundheit, Genuss und nachhaltige Betriebsgastronomie in Zeiten von Klimawandel und "New Work", also welche Lösungen Kantinen entwickeln, um Klima und Betriebsklima gleichermaßen gerecht zu werden.

Herausragend sei der 1.000 Quadratmeter große Bio-Gemüsegarten, für den mittlerweile drei Gärtner, darunter eine Biogemüsemeisterin, verantwortlich sind. Dort summen auch drei Bienenvölker um die Beete. Vom Fleisch bis zum Mehl stammen auch alle anderen Lebensmittel aus der Region. Weggeworfen wird nichts, wie Petra Rädlinger erklärt. Reste werden mit nach Hause genommen oder am nächsten Tag weiterverarbeitet. Abfälle wie etwa Eierschalen bekommen die Hühner der Angestellten. Die Ehrung findet im Mai in München bei der Munich Food Convention statt.

Vegetarische Gerichte werden im Bauunternehmen immer beliebter, wie hier die Glasnudeln in Karottensoße.

Vegetarische Gerichte werden im Bauunternehmen immer beliebter, wie hier die Glasnudeln in Karottensoße.

Als Nachspeise gibt's Quittenmus.

Als Nachspeise gibt's Quittenmus.

Spiritueller Charme im ehemaligen Kloster

Erst im vergangenen Jahr wurde die Kantine 'sKloster von dem Verlag Callway ins Buch der schönsten Restaurants und Bars aufgenommen. Wenn auch bloß noch die Außenmauern der Kirche erhalten blieben, umgibt die Kantine ein spiritueller Charme. In der ehemaligen Kirche mit den hohen Decken strahlt ein Kronleuchter, die Belüftungsanlage versteckt sich in Gestalt von Orgelpfeifen. Die Weihwasserkessel stehen noch da und die Empore ist wieder begehbar. Die alte Tür zur Sakristei, jetzt Kantine, und Fenster hat das Bauunternehmen restauriert.

Gemeinsam essen ist ein Anreiz für die Mitarbeiter

Die Philosophie sei für die Wertung überzeugend gewesen, sagt Rüdiger Altmann, denn bei Rädlinger sollen sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Josef Rädlinger findet die Debatte um den Fachkräftemangel deshalb gut: "Endlich bemühen sich die Arbeitgeber um ihre Arbeitnehmer." Durch die Investition in gutes Essen im "Herz des Unternehmens" möchte er seinen Angestellten Wertschätzung entgegenbringen und Spaß bei der Arbeit bereiten. Mit Erfolg, denn Chefkoch Franz Emberger blickt in zufriedene Gesichter. "Mein größtes Lob ist, wenn es ihnen allen geschmeckt hat", sagt der ehemalige Koch im Hotel Mooshof in Bodenmais.

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Aus einer alten Kirche entstand ein atmosphärisches Betriebsrestaurant.

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Josef und Petra Rädlinger mit Geschäftsführer Rüdiger Altmann (rechts) stehen dort, wo sich früher einmal ein Altar befand. Heute ist das ehemalige Kloster mit Kirche ein Restaurant für die Mitarbeiter.

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'sKloster bietet ein Menü mit zwei verschiedenen Hauptspeisen.

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Die gesamte Kantine zieren Kunstwerke, die einen schmunzeln lassen.

Das bestätigen Jana Mühlbauer und Stefanie Schwendner von der Marketing-Abteilung. Sie betrachten die Mittagessen mit Kollegen als einen Ansporn für den Nachmittag. Das Menü zu bestellen sei mittlerweile zum Büro-Ritual geworden. Und den Kollegen im Homeoffice machen sie mit Fotos der vollen Teller Appetit. Außerdem sparen sie viel Zeit. Schließlich müssten sie sonst selbst kochen oder nach Cham fahren - in Windischbergerdorf steht nämlich nur am Vormittag ein Bäcker-Wagen.

Inspiration für andere Firmen in der Baubranche

Und was ist mit den Baustellen-Arbeitern? Damit es bei ihnen einigermaßen fair bleibt, kommen Foodtrucks vorbei. In drei mobilen Küchen arbeiten fünf weitere Köche und kochen darin entweder mediterran, asiatisch oder am Grill. Die Arbeiter müssen dafür nichts bezahlen, da die Trucks nur ungefähr alle zwei Wochen halten können. Das Unternehmen möchte damit andere Firmen inspirieren, einen Begegnungsort in der Arbeit zu schaffen. Die Firma Penzkofer Bau beispielsweise wird sich nun auch einen Foodtruck anschaffen.