"Mister Europa"

Was macht eigentlich Martin Schulz? Wahlkampf!


Martin Schulz (SPD), der ehemalige Präsident des EU-Parlaments.

Martin Schulz (SPD), der ehemalige Präsident des EU-Parlaments.

Von Tabitha Nagy

Martin Schulz, einst Chef des EU-Parlaments, steht nicht auf der Liste der SPD für die Europawahl, trommelt aber trotzdem.

München - Die Reise beginnt in den Tiefen des Weltalls, führt vorbei an Sternen und Sonnen, Planeten und Kometen. Langsam kommt auf der gewaltigen Kuppel des Planetariums im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg die Erde in Sicht. Bald lassen sich Ozeane von Kontinenten unterscheiden. Schließlich zeigt sich, erkennbar am italienischen Stiefel, Europa. Dann steht die Erde am künstlichen Firmament still. Und darunter erscheint: Martin Schulz (63).

Der Mann aus Würselen, der vor nicht allzu langer Zeit der hellste Stern am SPD-Himmel war. Doch im Herbst 2017 wurde er vom schwarzen Loch des schlechtesten SPD-Ergebnisses aller Zeiten bei einer Bundestagswahl verschluckt.

Heute ist der gefallene SPD-Chef Abgeordneter, ein Hinterbänkler, ohne herausgehobene Aufgabe in Fraktion oder Partei. Doch unter der Kuppel des Planetariums blitzt ein Hauch des "Schulz-Hypes" wieder durch, der 2017 monatelang in Deutschland herrschte.

Martin Schulz: Wahlkampf für Europa

Schulz tut das, was er kann wie kaum ein anderer Politiker. Er hält ein derart flammendes, leidenschaftliches Plädoyer für die europäische Idee, dass die rund 300 Zuhörer immer wieder euphorisch applaudieren. "Es ist Kampfeszeit angesagt in der Europäischen Union in diesem Wahlkampf", heizt Schulz das Publikum an. Es gebe in der EU durchaus Reformbedarf. "Es geht um ein sozialeres Europa, um ein demokratischeres, um ein transparenteres Europa."

Gleichzeitig sei Europa als Garant für Frieden, Stabilität und sozialen Ausgleich ohne Alternative. Nur Europa könne die Auswüchse des Kapitalismus eindämmen. Doch rechte Populisten versuchten mit allen Mitteln, die europäische Idee zu zerstören: US-Präsident Donald Trump, der ungarische Premier Viktor Orbán, die deutsche AfD. Dagegen, so der SPD-Mann, gelte es, mit aller Kraft zu kämpfen.

Schulz ist nicht für die Europawahl aufgestellt

Martin Schulz gibt alles in diesem Europawahlkampf, obwohl es für ihn persönlich nichts zu gewinnen gibt.

Er steht nicht auf der Liste, zum ersten Mal seit 1994. Dabei ist Schulz der "Mister Europa" der deutschen Sozialdemokratie. Er saß 23 Jahre im Europaparlament, war von 2012 bis 2017 dessen Präsident. Doch von den Plakaten der SPD für diese Europawahl lächeln andere.

Auch wenn er in die Wahlkampfstrategie der SPD nicht wirklich eingebunden ist, absolviert Martin Schulz derzeit täglich mehrere Auftritte. Immerhin einen Wagen mit Fahrer hat ihm Parteichefin Andrea Nahles zur Verfügung gestellt. Mehr als 80 Termine im gesamten Bundesgebiet lassen sich so deutlich leichter bewältigen.

"Tu was für Europa" - Engagement über die SPD hinaus

Schulz' Engagement reicht dabei über die SPD hinaus. Vergangene Woche startete er mit einem neuen Verein seine eigene Europa-Kampagne. Die Initiative "Tu was für Europa" will ausdrücklich überparteilich sein. Zu den Gründern gehören neben Schulz die Grünen-Politikerin Franziska Brantner und Fernsehmoderator Klaas Heuer-Umlauf, zur Auftaktveranstaltung kam auch Schauspieler Daniel Brühl.

Ziel des Vereins ist es nach eigener Darstellung zunächst, möglichst viele Menschen für die Europawahl zu mobilisieren. Aber auch nach dem Urnengang sind Aktionen zur Stärkung des europäischen Gedankens geplant. Koch- und Chorwettbewerbe etwa, die Internet-Kampagne "myeurope", Werbeaktionen in Zügen der Deutschen Bahn. Geht es nach Schulz, sollen Fußballstars bald ein sichtbares Zeichen für Europa setzen: mit einem Emblem auf dem Trikot.

Ideen gibt es viele - und bereits einige finanzkräftige Partner aus der Wirtschaft.

Martin Schulz, daran lässt er keinen Zweifel, kämpft für das große Ganze, für die Zukunft Europas. Wenn dieser Kampf auch seiner eigenen Zukunft nutzt, ihn aus der politischen Versenkung wieder hinaufführt zu den Sternen, wird ihm das aber durchaus nicht unrecht sein. Das Publikum im Planetarium ist am Ende jedenfalls restlos begeistert.

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