AZ-Interview

Politik-Experte über den CDU-Parteitag und Markus Söder


Geradezu umjubelt: CSU-Chef Markus Söder auf dem Parteitag der CDU zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer (l.) und Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU.

Geradezu umjubelt: CSU-Chef Markus Söder auf dem Parteitag der CDU zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer (l.) und Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU.

Von Tabitha Nagy

Auf dem CDU-Parteitag in Leipzig ist CSU-Chef Markus Söder der große Gewinner. Sein nächster Schritt in Richtung Kanzlerkandidatur? Politologe Heinrich Oberreuter im Interview mit der AZ.

München - Es läuft für Markus Söder. Nach einer blutleeren Rede von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, deren einziger Höhepunkt die überraschende Vertrauensfrage war, und einem wenig überzeugenden Auftritt ihres Kontrahenten Friedrich Merz, punktete der CSU-Chef beim Parteitag der schwarzen Schwester.

JU-Chef Tilman Kuban lobte seine Rede als "absolutes Highlight". Selbst AKK schwärmte: "Er ist ein toller Redner und er hat den Saal hier mitgenommen." Und schon macht wieder die Frage nach einer möglichen Kanzlerkandidatur des Franken die Runde. Die AZ hat darüber mit Polit-Experte Heinrich Oberreuter gesprochen.

Heinrich Oberreuter. Der Politologe (77) war von 1993 bis 2011 Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Bis zu seiner Emeritierung 2010 war er zugleich Ordinarius für Politikwissenschaft an der Universität Passau. Heute ist er dort Direktor des Instituts für Journalistenausbildung Passau.

Heinrich Oberreuter. Der Politologe (77) war von 1993 bis 2011 Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Bis zu seiner Emeritierung 2010 war er zugleich Ordinarius für Politikwissenschaft an der Universität Passau. Heute ist er dort Direktor des Instituts für Journalistenausbildung Passau.

"AKK auf Bewährung" - Frage nach Kanzlerkandidatur verschoben

AZ: Herr Oberreuter, die CDU hat die Frage der Kanzlerkandidatur um ein Jahr verschoben. War das klug? Bedeutet das nicht ein weiteres Jahr quälende Personaldiskussion?
HEINRICH OBERREUTER: Es war eine kluge Entscheidung, auch wenn sie ein Verschieben einschließt. Das muss aber nicht quälend sein. Noch quälender wäre eine Kanzlerkandidatur zur Unzeit, eine, die lange zahlreichen Beschüssen freigegeben wäre. Auch um das propagandistische Momentum zu nutzen, ist es deshalb klar, dass man die Frage nicht schon zwei Jahre vor dem Wahltermin entscheidet.

Ist die Entscheidung nicht nur deshalb so gefallen, weil die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Partei nicht wirklich überzeugen kann?
Die Frage der Kanzlerkandidatur stand ja gar nicht auf dem Programm. Insofern wäre eine Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten fast schon ein Umsturzversuch gewesen. Die am Ende erfolgreiche Strategie von Frau Kramp-Karrenbauer, eine Art Vertrauensfrage zu stellen, war von der Tagesordnung ebenso wenig vorgesehen wie eine Art Investitur. Richtig ist, dass der ganze Vorgang eine Art "Kramp-Karrenbauer auf Bewährung" beinhaltet und dass diese Frage nicht beantwortet ist. 2020 stehen sie, aber auch andere zur Diskussion.

Kanzlerkandidat? Gewandelter Markus Söder

CSU-Chef Markus Söder scheint auf dem CDU-Parteitag der Einzige gewesen zu sein, der die Delegierten wirklich begeistert hat. Das ist doch erstaunlich, oder?
Ein bisschen schon. Wir erleben einen gewandelten Söder, der von seinen angestrengten Machtoptionen frei am Ziel angekommen jetzt relativ unverkrampft auftritt. Der seine rhetorischen Talente ausspielt, der den Humor und die Selbstironie als rhetorisches Mittel entdeckt hat und der sich bei der CDU auf wenige ausschlaggebende Herausforderungen konzentriert hat. Er hat zwar keinen umfassenden Gestaltungsentwurf vorgelegt wie AKK, aber das musste er auch nicht. Er hat das Grußwort kräftig benutzt, um der CDU Mut zu machen, aber auch, um die CSU in Erinnerung zu bringen und sich selbst.

Einige glauben schon eine Art Bewerbungsrede für die Unions-Kanzlerkandidatur vernommen zu haben. Würden Sie so weit gehen?
Es gehört zu den größten Überraschungen, dass ein Mensch, der gesagt hat, er will nicht einmal Parteivorsitzender werden, sondern "nur" Ministerpräsident, und der im Grunde ein bedeutender Gegenspieler der CDU gewesen ist, auf einmal ernsthaft als Kanzlerkandidat gehandelt wird. Die Distanzierung Söders von den Ereignissen des Jahres 2018 ist ja gewissermaßen eine Distanzierung von sich selbst. Den Kanzlerkandidaten-Überlegungen hat Söder in Leipzig sicher keinen Widerstand entgegen gesetzt, sondern sie eher befördert.

Bleiben Sie bei Ihrer Meinung, wenn man Söder nur intensiv und allseits rufen würde, wäre er entgegen seiner Beteuerungen doch zur Kanzlerkandidatur bereit?
Das kann passieren, wenn die CDU-Basis keinen aus ihrem Quartett überzeugend findet: AKK nicht, Merz, an dem sich Zweifel genährt haben, nicht, Spahn nicht schon jetzt - wobei auch dessen Auftritt in Leipzig schwach war - und Laschet, dem die Fähigkeit fehlt, die Öffentlichkeit mitzureißen, auch nicht. Und wenn das CDU-Quartett sich nicht zu einer eindeutigen Führungsperson durchringen kann und aus der CDU heraus nach Söder gerufen wird, dann wird er dem Ruf folgen.

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