Nahost

Sorge vor Flächenbrand nach Irans Großangriff auf Israel

Irans Angriff auf Israel schürt Sorgen vor einem Flächenbrand in Nahost. Die USA sichern Israel militärischen Beistand zu. Israels Antwort steht aus.


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Das israelische Luftabwehrsystem «Iron Dome» feuert, um vom Iran abgefeuerte Raketen abzufangen.

Von dpa

Der erste direkte Angriff des Irans auf Israel bringt die beiden Erzfeinde an den Rand eines Krieges. Die iranische Armee griff am Samstag israelische Ziele mit rund 300 Raketen und Drohnen an. Das israelische Militär wehrte nach eigenen Angaben die Attacke erfolgreich ab. Israel hatte Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens.

Das israelische Kriegskabinett wollte am Sonntag über das weitere Vorgehen beraten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter): "Wir haben abgeschossen, wir haben gebremst. Gemeinsam werden wir siegen".

Die Führung in Teheran übte mit der Operation "Aufrichtiges Versprechen" Vergeltung für einen mutmaßlich israelischen Angriff am 1. April auf ein iranisches Botschaftsgebäude in Syriens Hauptstadt Damaskus: Zwei Brigadegeneräle der Revolutionsgarden waren getötet worden.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wollte noch am Sonntag zu einer Dringlichkeitssitzung in New York zusammenkommen. US-Präsident Joe Biden plante, mit den Staats- und Regierungschefs der führenden wirtschaftsstarken Demokratien (G7) die Lage in einer Schalte zu beraten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der derzeit China besucht, verurteilte den iranischen Angriff. Deutsche Politiker versicherten Israel Solidarität.

Israels Armeesprecher: 99 Prozent der Geschosse abgefangen

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, 99 Prozent der mehr als 300 abgefeuerten Geschosse seien abgefangen worden. Er nannte das einen "sehr bedeutsamen strategischen Erfolg". Er wies die Idee, der Angriff des Irans könnte eine "Art geplanter Show" ohne echte Schadensabsicht gewesen sein, vehement zurück: "Ich glaube, der Iran wollte Ergebnisse erzielen und dies ist ihm nicht gelungen."

Der Einsatz von mehr als 120 ballistischen Raketen sei eine klare Eskalation gewesen, sagte Hagari. Nur wenige seien nach Israel vorgedrungen. "Sie schlugen im Bereich der Flugbasis Nevatim ein und verursachten nur leichten Schaden an der Infrastruktur." Von 170 unbemannten iranischen Flugkörpern seien "null auf das israelische Gebiet vorgedrungen. Dutzende seien von israelischen Kampfjets der Luftabwehr sowie "der Luftwaffe und Luftabwehr unserer Partner" abgeschossen worden. Von mehr als 30 Marschflugkörpern sei keiner eingedrungen. Israels Luftraum wurde am Sonntagmorgen wieder geöffnet.

Israels Außenminister: Wenn der Iran angreift, greifen wir den Iran an

Zu einer möglichen Reaktion sagte er: "Wir prüfen die Situation und zeigen dem Kabinett die Pläne, wir sind bereit, zu unternehmen, was für die Verteidigung Israels notwendig ist." Außenminister Israel Katz sagte in einem Interview des Armeesenders: "Wir haben gesagt: Wenn der Iran Israel angreift, werden wir im Iran angreifen. Und dieses Bekenntnis ist immer noch gültig." Unter anderem der Fernsehsender Channel 12 berichtete, das Kriegskabinett versammele sich um 14.30 Uhr (MESZ).

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US-Präsident Joe Biden (3.v.r)trifft sich mit Mitgliedern des Nationalen Sicherheitsteams.

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Im Iran produzierte Raketen und Satellitenträger.

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Dieses Videostandbild zeigt, wie Abfangraketen über Jerusalem in den Himmel geschossen werden.

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Irans Verteidigungsminister General Mohammed-Resa Aschtiani (r)spricht mit dem Befehlshaber der Armee, General Abdolrahim Mussawi, während einer Zeremonie zur Übergabe der im Inland gebauten Drohnen an die Armee.

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Eine israelische Flagge in den von Israel kontrollierten Golanhöhen. (Symbolbild)

Biden telefoniert mit Netanjahu

US-Präsident Biden telefonierte noch in der Nacht mit Netanjahu. Das Weiße Haus teilte anschließend mit, Biden habe den Angriff "auf das Schärfste" verurteilt und das "eiserne Bekenntnis" der USA zu Israels Sicherheit bekräftigt. Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf einen ranghohen Regierungsvertreter, Biden habe Netanjahu gesagt, die USA würden sich nicht an "offensiven Operationen gegen den Iran beteiligen".

Iran warnt die USA

Irans Revolutionsgarden haben nach den Worten von Irans Präsident Ebrahim Raisi dem Erzfeind eine "Lektion" erteilt. Er warnte auch Israels Verbündete vor Gegenangriffen: "Wir raten den Anhängern des Besatzungsregimes, diese verantwortungsvolle und verhältnismäßige Aktion der Islamischen Republik Iran zu würdigen."

Scholz verurteilt Irans Angriff scharf - UN-Generalsekretär warnt vor Eskalation

Bundeskanzler Scholz verurteilte die Angriffe auf Israel "mit aller Schärfe". "Mit dieser unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach Ankunft des Kanzlers in der chinesischen Metropole Chongqing. "In diesen schweren Stunden steht Deutschland eng an der Seite Israels. Über weitere Reaktionen werden wir uns nun eng mit unseren G7-Partnern und Verbündeten besprechen."

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte den Iran. Der beispiellose Angriff drohe die Region zu destabilisieren, warnte er auf X. UN-Generalsekretär António Guterres sagte: "Ich bin zutiefst beunruhigt über die sehr reale Gefahr einer verheerenden Eskalation in der gesamten Region."

Baerbock: "Eskalationsspirale durchbrechen"

Außenministerin Annalena Baerbock warnte am Sonntagnachmittag nach einer Sitzung des Krisenstabs vor einer weiteren Verschärfung der Lage. "Ich rufe alle Akteure in der Region auf, besonnen zu handeln", sagte die Grünen-Politikerin. "Die Eskalationsspirale muss durchbrochen werden. Wir müssen gemeinsam zu einem Ende der Gewalt finden." Sie mahnte: "Die Millionen Frauen, Männer und Kinder in Israel, in Iran und in der ganzen Region, die gestern Nacht vor Angst nicht schlafen konnten, sie alle wollen diese Eskalation nicht."

Man beobachte die Lage in der Region sehr genau und stehe in enger Abstimmung mit unterschiedlichen Partnern, sagte Baerbock. "Dabei geht es natürlich auch um die Frage, welche Konsequenzen nun auf den iranischen Angriff folgen werden." Im Raum steht die Frage, wie Israel auf den Angriff reagiert. Baerbock rief den Iran auf, weitere Angriffe auch über Stellvertreter zu unterlassen. "Ein regionaler Flächenbrand hätte unkalkulierbare Folgen."

Den nächtlichen Angriff des Irans mit Drohnen und Raketen verurteilte Baerbock mit harschen Worten. "Das iranische Regime hat sehenden Auges den ganzen Nahen und Mittleren Osten an den Rand des Abgrunds geführt", sagte sie. "Wir verurteilen den direkten iranischen Angriff auf das Staatsgebiet Israels auf das Schärfste. Israel gilt die volle Solidarität Deutschlands."

Die weltweiten Verurteilungen des iranischen Angriffs sowie die Unterstützung der USA, Großbritanniens und aus der Region zeige, dass der Iran mit seinem "aggressiven Verhalten" isoliert sei und dass Israel sich verteidigen könne. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in den Iran, Deutsche werden aufgefordert, das Land zu verlassen.

Söder fordert "komplett andere Iranpolitik"

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat eine "komplett andere Iranpolitik" von Deutschland und der EU gefordert. Die Reaktion auf die aktuellen Angriffe müsse "maximale Unterstützung" für Israel sein, sagte Söder am Sonntag am Rande eines Termins in Großhabersdorf (Landkreis Fürth). Es sei jetzt zwingend notwendig, darüber zu diskutieren, wie dem Iran Einhalt geboten werden könne. Dies gehe nur mit einer völlig anderen Wirtschafts- und Handelspolitik - "und die muss auf Sanktionen ausgelegt sein", sagte Söder. Dies sei das Gebot der Stunde. Waffenlieferungen von Deutschland stünden dagegen weniger im Fokus.