AZ-Interview

Hubertus Heil über höheren Mindestlohn und Grundrente


Wurde beim Bundesparteitag der SPD am 6. Dezember mit 70,0 Prozent der Stimmen zum stellvertretenden Parteichef gewählt: Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Wurde beim Bundesparteitag der SPD am 6. Dezember mit 70,0 Prozent der Stimmen zum stellvertretenden Parteichef gewählt: Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Von Steffen Trunk

Im AZ-Interview erklärt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, dass er beim Mindestlohn mehr Tempo will. Und: Was der SPD-Mann über die Grundrente denkt. Der 47-jährige SPD-Politiker ist Bundesminister für Arbeit und Soziales. Gerade wurde er zum stellvertretenden Parteichef gewählt.

AZ: Herr Heil, wie fühlen Sie sich nach dem SPD-Parteitag? Geht es jetzt auf- oder weiter abwärts?
HUBERTUS HEIL: Die SPD hat nach intensiven Debatten einen gemeinsamen Weg nach vorn eingeschlagen. Als stellvertretender SPD-Vorsitzender leiste ich meinen Beitrag, damit wir diesen Weg jetzt auch zusammen gehen werden. Es geht darum, in dieser Koalition so viel wie möglich für die Menschen in unserem Land zu erreichen und als Sozialdemokratie bei der nächsten Bundestagswahl deutlich stärker zu werden.

Hm, als Beobachter konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Spaltung zugedeckt, aber nicht überwunden ist.
Ich sehe das anders. Meine Partei hat klargemacht, dass sie sich nicht mehr um sich selbst dreht, sondern dass die Sozialdemokratie in dieser Gesellschaft eine Aufgabe hat. Der Praxistest kommt, das ist klar. Aber ich habe den Eindruck, dass die SPD zu neuer Kraft und Geschlossenheit findet.

Einige Mitglieder meinten, 70 Prozent der Beschlüsse seien so geartet, dass sie auch mit den Parteivorsitzenden Olaf Scholz und Klara Geywitz funktioniert hätten. Sehen Sie das auch so?
Es ist kein Geheimnis, dass ich Olaf Scholz und Klara Geywitz unterstützt habe. Aber es wurde demokratisch anders entschieden, wir haben uns als neues Team aufgestellt und zusammen inhaltliche Beschlüsse gefasst. Insofern geht mein Blick nach vorn.

Grundrente soll 2021 kommen: Gesetzentwurf fehlt

Für Ihre Partei ist die Grundrente ein elementar wichtiges Thema. Ihr Koalitionspartner fragt, und das tun wir jetzt auch: Wann kommt der Gesetzentwurf?
Die Grundrente ist elementar wichtig für die Menschen, die sie ab 1. Januar 2021 bekommen sollen. Sie ist ein sozialpolitischer Meilenstein. Der Gesetzentwurf dazu kommt, wir arbeiten mit Hochdruck dran. Wir werden im Januar in die Gesetzgebung eintreten.

Fehlt noch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um die Grundrente zu finanzieren. Finanzminister Scholz hat dazu gerade einen Entwurf vorgelegt. Was wir nicht verstehen: Auf der einen Seite sagt die Regierung den Bürgern: Bitte sorgt privat vor. Und wenn sie das dann tun und Aktien kaufen, kommt dieselbe Regierung und besteuert diese Aktiengeschäfte.
Ich sehe da keinen Widerspruch. Es ist unabhängig von der Grundrente vernünftig, dass wir zu einer Finanztransaktionssteuer kommen. Der Entwurf von Olaf Scholz bildet ab, was mit den europäischen Partnern möglich ist. Wir würden uns auch wünschen, dass der Hochfrequenz- und Derivatehandel in die Steuer mit einbezogen wird. Wir müssen aber feststellen, dass das mit anderen nicht zu machen ist. Mit den Franzosen zum Beispiel. Insofern machen wir das, was möglich ist. Als Arbeitsminister bin ich froh, dass das wiederum einen Beitrag zu einer vernünftigen Finanzierung der Grundrente aus Steuermitteln leistet.

Vorsorge mit Aktien: So denkt Hubertus Heil

Bleibt die Frage, warum ich Steuern auf die Aktienkäufe für meine Altersvorsorge zahlen soll?
Wer seine Altersvorsorge mit Wertpapieren betreibt, würde aus meiner Sicht nicht überproportional belastet. Da muss man sich die Beträge anschauen. Dass irgendwelche Lobbyisten mit solchem Geschrei anfangen, gehört im politischen Berlin offensichtlich dazu.

Wer sich mit Aktien nicht auskennt, für den gleicht der Handel damit einem Glücksspiel. Auf nahezu alle anderen Vorsorgemöglichkeiten gibt es aber so gut wie keine Zinsen im Moment. Brauchen wir also weitere Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge?
Mir ist wichtig, dass die gesetzliche Rente die tragende Säule bleibt. Wir haben eine Menge dafür getan, dass sie in den nächsten Jahren stabil ist. Aber wir müssen noch deutlich mehr tun. Die Rentenkommission wird im März Vorschläge dazu machen. Sie wird sich auch die betriebliche und die private Altersvorsorge anschauen. Besonders die betriebliche Altersvorsorge muss ausgebaut werden.

Was ist mit der Riester-Rente? Die taugt doch nichts.
Sie ist reformbedürftig. Da gibt es in einzelnen Bereichen immer noch viel zu viele Reibungsverluste.

Riester-Rente ist reformbedürftig, sagt Heil

Nett formuliert. Übersetzt heißt das, es gibt viel zu viele Riester-Produkte?
Ja. Deshalb verlangt unsere Koalition von der Versicherungswirtschaft ja, endlich zu Standardprodukten zu kommen. Darüber hinaus müssen wir mehr Transparenz schaffen, damit die Menschen wissen, was sie im Alter tatsächlich zur Verfügung haben.

Eine Renten-Glaskugel?
Nein. Mein Ministerium arbeitet zusammen mit dem Finanzministerium an einer säulenübergreifenden Renteninformation. Sie bekommen dann regelmäßig die Information, was Sie neben der gesetzlichen Rente noch zu erwarten haben.

Themenwechsel: Wie mehrheitsfähig ist in der GroKo ein Mindestlohn von zwölf Euro?
Wir haben da eine ganz klare Schrittfolge. Der Mindestlohn steigt zum 1. Januar auf 9,35 Euro. Im Mai wird die Mindestlohnkommission eine weitere Erhöhung vorschlagen. Meine Aufgabe ist es, die bisherige Systematik zu evaluieren und Vorschläge zu machen, wie der Mindestlohn weiter steigen kann - und ich halte zwölf Euro für eine vernünftige Zielmarke.

In einem einzigen Schritt von 9,35 auf zwölf Euro?
Nein. Aber ich denke, dass wir uns diesem Ziel in größeren Schritten als bisher nähern sollten.