Abstimmung im EU-Parlament

Fragen & Antworten zum Kampf ums Urheberrecht


In München demonstrierten am Samstag vor der Abstimmung 40.000 Menschen.

In München demonstrierten am Samstag vor der Abstimmung 40.000 Menschen.

Von Jeanne Jacobs / Onlineredaktion

Bundesweit protestieren Zehntausende gegen die geplante Novellierung des Verwertungsgesetzes. Am Dienstag will das EU-Parlament über die Reform abstimmen - doch die Mehrheit droht zu kippen.

München - Allein in München waren es 40.000, in Berlin 10.000, in Nürnberg 2.500: Tausende Bundesbürger sind am Samstag auf die Straße gegangen, um das neue Urheberrecht der EU und vor allem die umstrittenen Uploadfilter zu verhindern.

Die Fronten sind verhärtet. Der CDU-Politiker Axel Voss, einer der Väter der geplanten Neuerungen, erhält sogar Morddrohungen. Das EU-Parlament will am Dienstag dennoch über die Reform entscheiden. Der Europa-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) sieht die Mehrheit für eine Änderung bereits auf der Kippe. Doch um was geht es eigentlich? Verändern die geplanten Eingriffe das freie Internet wirklich? Die AZ gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum braucht die EU ein neues Urheberrecht?

Die derzeit geltenden Rechtsvorschriften stammen aus dem Jahr 2001. Da gab es das Geschäftsmodell von Google und anderen noch nicht. Da diese Konzerne aber urheberrechtlich geschützte Werke nutzen, um ein attraktives Umfeld für Werbung und andere Inhalte zu schaffen, muss der in der analogen Welt geltende Schutz für Musik, Filme und Texte in das digitale Netz übertragen werden. 260 deutsche Verlage, Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Rundfunk-Anbieter und Produktionsfirmen unterstützen deshalb die Reform.

Was verändert sich für den Nutzer?

Der entscheidende Sprung besteht darin, dass die Verantwortung für Inhalte verlagert wird - vom Nutzer, der sie hochlädt, auf die Plattform, die sie verbreitet. Die Befürworter sagen, dass damit jenen Abmahnanwälten das Handwerk gelegt wird, die bisher User mit Klagen überschüttet haben.

Und es gibt noch einen wichtigen Punkt: Die Urheberrechtsrichtlinie schafft kein neues Recht. Sie gewährleistet lediglich, dass die bestehenden Vorschriften für geschützte Werke auf das Netz übertragen werden. Das Regelwerk führt auch keine neuen Auflagen für Online-Plattformen ein. Es will nur sicherstellen, dass bestehende Verpflichtungen besser eingehalten werden.

Der Artikel 13 zwingt die Online-Plattformen zum Einsatz von Uploadfiltern. Ist das kein Eingriff in das freie Internet?

Eine Bemerkung vorneweg: Der Artikel 13 ist in der Endfassung zum Artikel 17 geworden. Tatsächlich kommt das Wort Uploadfilter im Gesetzestext nicht vor. Aber das ist Wortklauberei, weil Unternehmen wie YouTube, wo pro Minute 400 Videos hochgeladen werden, eine automatische Lösung brauchen.

Die vorhandenen Filter arbeiten lückenhaft. Das heißt: Sie stoppen auch immer wieder mal den Upload von legalen Inhalten. Die Kritik müsste aber an die Unternehmen oder die Entwickler von Filtern gehen, nicht an die Politik. Denn dass ein Konzern für die gewinnbringende Verwertung geschützter Inhalte bezahlen muss, ist ja unbestritten.

Die Filter arbeiten ungenau, wenn es um Parodien, Persiflagen oder zitierte Werke geht. Die sind legal, verschwinden aber aus dem Netz. Stimmt das?

Nein. Die Richtlinie enthält eine ausdrückliche Aufforderung an die Mitgliedstaaten, das kostenlose und ungehinderte Hochladen und Teilen von Werken zum Zitieren, zur Äußerung von Kritik, für Rezensionen, für Karikaturen, Parodien oder Persiflagen zu schützen. Das betrifft auch Memes und Bilder im GIF-Format.

Es ist doch für die Konzerne gar nicht möglich, für jedes weltweit hochgeladene Werk die Rechte zu klären und Lizenzen einzuholen, oder?

Dieses Argument einiger Plattform-Betreiber ist eigentlich nicht nachzuvollziehen. Es gibt in allen EU-Staaten und auch darüber hinaus Rechteverwertungsgesellschaften, mit denen man Vereinbarungen treffen kann, so dass die Künstler an den Umsätzen beteiligt werden. Ein derartiges Abkommen reicht aus, um den Anforderungen des digitalen Urheberrechtes Genüge zu tun.

Die EU-Vorschriften verlangen zudem den Nachweis, dass sich der Betreiber bemüht hat, den Urheber ausfindig zu machen und an den Einnahmen zu beteiligen. Experten, die das neue Recht befürworten, verweisen da gerne auf Musik-Streamingdienste wie Spotify, denen es ja auch gelingt, für die angebotenen Musikstücke aus aller Welt die notwendigen Lizenzen zu erwerben.

Sind denn alle Online-Plattformen betroffen?

Nein. Anbieter, die weniger als drei Jahre auf dem Markt sind (zum Beispiel Start-ups), die einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro machen und weniger als fünf Millionen Einzelbesucher im Monat haben, müssen weitaus geringere Vorschriften einhalten. Hinzu kommen zahlreiche Ausnahmen für lexikalische Plattformen (Wikipedia) oder wissenschaftliche Foren.

Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag gegen Uploadfilter ausgesprochen. Muss die Regierung jetzt ihre eigenen Versprechen brechen?

Nein, denn die Vorgaben der EU lassen den Mitgliedstaten Raum für eigene Regelungen. Mit anderen Worten: Die deutsche Regierung könnte Uploadfilter verbieten und einen anderen Weg gehen - zum Beispiel eine Abgabe zugunsten von Rechteinhabern, wie sie bisher schon bei Druckern und Speichermedien fällig wird.

Tatsächlich gehört dieser Punkt zu den Schwächen der neuen Vorschriften, weil es eben keine europäische Vollharmonisierung gibt.

Wie wird das EU-Parlament entscheiden?

Unter dem Eindruck des Widerstands gibt es Überlegungen, das Urheberrecht zwar zu billigen, aber den bisherigen Artikel 13 rauszunehmen. Dann müsste später nachgearbeitet werden.

Die SPD hat bereits Widerstand angekündigt. Ein Parteikonvent beschloss am Samstag, Anträge der SPD-Gruppe im Europaparlament zu unterstützen, die auf eine Verhinderung sogenannter Uploadfilter zielen. Die SPD stehe zwar an der Seite der Urheber, Kreativen und Künstler, doch setze man sich auch für die Freiheitsrechte in digitaler Zeit ein. Statt Videos und Musik herauszufiltern, sollten sie gemäß des Urheberrechts bezahlt werden.