Bundesregierung

Baerbock: «Feministische Außenpolitik ist bitternötig»

Das Konzept wird große Auswirkungen auf das Auswärtige Amt und dessen Hilfsprojekte haben. Kritiker sprechen von einem Kampfbegriff. Doch die Außenministerin erwartet einen Beitrag für mehr Sicherheit.


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«Männer und Frauen weltweit noch immer nicht gleichgestellt»: Annalena Baerbock.

Ein 80-Seiten-Katalog voller Leitlinien und eine eigene Botschafterin: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will das Konzept der feministischen Außenpolitik als Arbeitsprinzip im Auswärtigen Amt verankern.

"Frauenrechte sind ein Gradmesser für den Zustand unserer Gesellschaften", schreibt die Grünen-Politikerin im Vorwort zu den Leitlinien, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen und an diesem Mittwoch in Berlin präsentiert werden sollen. Auch bei Projektförderung und humanitärer Hilfe soll das Konzept greifen.

Baerbock will die neuen Ansätze nach der Sitzung des Kabinetts gemeinsam mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vorstellen. Einen Regierungsbeschluss ist dazu nicht nötig. Im Auswärtigen Amt ist anschließend eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und internationalen Organisationen geplant.

"Wir verfolgen eine feministische Außenpolitik, weil es bitternötig ist. Weil Männer und Frauen weltweit noch immer nicht gleichgestellt sind", begründet Baerbock das neue Vorgehen. Es gehe nicht um "Außenpolitik für Frauen, sondern für alle Mitglieder einer Gesellschaft". Das Konzept sei integraler Teil der wertegeleiteten Außenpolitik und solle sich "im Sinne eines umfassenden Verständnisses von Sicherheit" auch in der geplanten Nationalen Sicherheitsstrategie widerspiegeln.

Ministerin Schulze will ein gesondertes Konzept zur feministischen Entwicklungspolitik vorlegen. So sollen in ihrem Haus bis 2025 mehr als 90 Prozent der neu zugesagten Projektmittel in Vorhaben fließen, die die Gleichstellung voranbringen. Das Konzept der feministischen Entwicklungspolitik soll in der Zusammenarbeit mit den Partnerländern verankert werden. Mindestens 50 Prozent der Führungspositionen im Entwicklungsministerium sollen mit Frauen besetzt werden.

Ziel der feministischen Außenpolitik ist es laut Baerbock, bis zum Ende der Legislaturperiode 85 Prozent der Projektmittel "gendersensibel" auszugeben, so dass Belange von Frauen mit einbezogen werden. So soll etwa bei humanitärer Hilfe dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Frauen beispielsweise andere Hygieneartikel brauchen als Männer. Acht Prozent der Mittel sollten "gendertransformativ" gezahlt werden, so dass es eine aktive Umgestaltung der Projekte in Richtung von mehr Beteiligung von Frauen gibt. Zwei Drittel des Gesamthaushalts von rund 7,5 Milliarden Euro sind Projektmittel, diese etwa 5 Milliarden Euro sollen künftig unter dem Schlagwort Gender-Budgeting ausgegeben werden.

In sechs Leitlinien für ein außenpolitisches Handeln ist zu lesen, "wir integrieren die Perspektiven von Frauen und marginalisierten Gruppen in unsere weltweite Arbeit für Frieden und Sicherheit".

In der Leitlinie zur Klima- und Energieaußenpolitik heißt es: "Frauen und diverse gesellschaftliche Gruppen sind wichtige Akteur*innen und Führungspersonen unserer Klima- und Energiediplomatie. Wir helfen, die spezifischen Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen und marginalisierte Gruppen auszugleichen." Laut Vereinten Nationen sind 2021 bis zu 80 Prozent der Menschen, die aufgrund von klimabedingten Katastrophen fliehen mussten, Frauen gewesen.

Baerbock will "historisch gewachsene Machtstrukturen" benennen, überwinden "und so eine gerechte Teilhabe und Gleichstellung aller Menschen weltweit" befördern. "Stärkere Teilhabe von Frauen bringt größere Sicherheit", heißt es in dem Papier. Frauen und sogenannte marginalisierte Gruppen sollten künftig den gleichen Zugang zu finanziellen, personellen und natürlichen Ressourcen erhalten.

Die Leitlinien sollten "unser Handeln als Team des Auswärtigen Amts im Sinne eines Mainstreamings durchziehen, in unserer nationalen Außenpolitik, in der Europäischen Union und in den internationalen Foren", schreibt Baerbock. Die Vorgaben sollten "unsere innere Arbeitsweise prägen und uns helfen, einen "feministischen Reflex" auszubilden". Klartext: Baerbock macht ihren Diplomaten die Ansage, dass die feministische Außenpolitik künftig Priorität haben soll.

"Mainstreaming" soll in den neuen Arbeitsweisen und Strukturen des Ministeriums eine Schlüsselrolle spielen. Dafür will Baerbock vom Sommer an den Posten einer "Botschafterin des Auswärtigen Amts für feministische Außenpolitik" schaffen, um vor allem nach innen zu wirken. "Wir werden hart daran arbeiten, unserem Auswärtigen Dienst ein weiblicheres Gesicht zu geben und den Anteil von Frauen in Führungsfunktionen erhöhen", kündigt sie an. Bereits bei der Einstellung soll geprüft werden, ob Bewerber über Gleichstellungs- und Diversitätskompetenz verfügen.

Aktuell sind im Auswärtigen Amt nach dessen Angaben 49,8 Prozent der Beschäftigten weiblich. 27 Prozent der insgesamt 226 deutschen Auslandsvertretungen werden von Frauen geleitet. Im Vergleich zu 2021 habe man den Frauenanteil in Führungspositionen im höheren Dienst im vergangenen Jahr um knapp 3 Punkte auf 26 Prozent gesteigert.