Paris

+++ Zwei Tote und sieben Festnahmen bei Anti-Terror-Einsatz +++


Saint-Denis nördlich von Paris am frühen Mittwoch. Spezialeinheiten der Polizei haben eine Wohnung umstellt, in der sich mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge verschanzt haben.

Saint-Denis nördlich von Paris am frühen Mittwoch. Spezialeinheiten der Polizei haben eine Wohnung umstellt, in der sich mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge verschanzt haben.

Schwer bewaffnete Spezialkräfte liefern sich eine Schießerei mit mutmaßlichen Komplizen der Attentäter von Paris. Es gibt Tote. In Deutschland ist Fußballfans mulmig nach dem abgesagten Länderspiel. Doch in der Bundesliga sollen alle Spiele angepfiffen werden.

Hunderte Polizisten, heftige Schusswechsel und wieder eine Bombenexplosion: Bei einem dramatischen Anti-Terror-Einsatz nördlich von Paris sind am Mittwoch sieben Verdächtige festgenommen worden. Zwei weitere kamen ums Leben. Eine Frau sprengte sich in die Luft, als Spezialkräfte eine Wohnung in Saint-Denis stürmten. Ein weiterer Mann wurde von Schüssen und Granaten tödlich verletzt.

Präsident François Hollande sagte, es gebe eine Verbindung zwischen den Festgenommenen und den Angreifern, die am vergangenen Freitag bei einer Serie von Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt 129 Menschen ermordet hatten.

Aus abgehörten Telefonaten hatte die Polizei Hinweise, dass sich der mutmaßliche Drahtzieher der Terrorserie, Abdelhamid Abaaoud, in der am Mittwoch gestürmten Wohnung aufhalten könnte. Ob der meistgesuchte Islamist Belgiens den Spezialkräften ins Netz ging, blieb zunächst unklar. Der Mann mit marokkanischen Wurzeln lebte früher in der Brüsseler Islamistenhochburg Molenbeek und soll auch für die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien gekämpft haben.

In Deutschland verteidigten am Mittwoch Bundesregierung und Sicherheitsbehörden die kurzfristigen Absage des Fußball-Länderspiels Deutschland-Niederlande in Hannover vom Vorabend. Merkel unterstrich, die Sicherheitsbehörden hätten eine richtige und verantwortliche Entscheidung getroffen. BKA-Präsident Holger Münch sagte: "Diese Absage war unvermeidlich, weil es einen ernstzunehmenden Hinweis auf einen geplanten Anschlag gegeben hat."

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz, betonte, es gebe aktuell keine konkreten Terrorhinweise für andere Orte in Deutschland. Die Bedrohung in Hannover sei "sehr isoliert" gewesen, sagte der rheinland-pfälzische SPD-Innenminister. Die Deutsche Fußball Liga erklärte, die Bundesliga-Spiele am Wochenende würden wie geplant stattfinden.

Wie die französische Polizei mitteilte, wurden bei dem Zugriff in Saint-Denis fünf Mitglieder einer Spezialeinheit leicht verletzt. Der Einsatz hatte gegen 4.30 Uhr begonnen und dauerte rund sieben Stunden. Zwischenzeitlich waren Explosionen zu hören. Währenddessen saßen 15 000 bis 20 000 Anwohner in ihren Wohnungen fest, wie der Beigeordnete Bürgermeister Stéphane Peu der Zeitung "Le Parisien" sagte. Er berichtete von einem fast ununterbrochenen Schusswechsel, der eineinviertel Stunden gedauert habe. Etwa 15 Menschen, darunter Kinder, seien aus dem gestürmten Gebäude in Sicherheit gebracht worden. "Es gibt keine Verletzten unter den Bewohnern", sagte Peu. Noch während der Anti-Terror-Aktion rief Präsident Hollande das Sicherheitskabinett zusammen.

Die Polizei fahndet außerdem nach dem 26-jährigen Franzosen Salah Abdeslam, den die französischen Ermittler für einen der Attentäter halten. Er hat Anfang Februar von der niederländischen Polizei eine Geldstrafe wegen Drogenbesitzes erhalten, wie die Polizei mitteilte. Außerdem könnte nach Informationen aus Ermittlerkreisen möglicherweise noch ein weiterer Terrorist entkommen sein.

Die französischen Ermittler haben inzwischen alle 129 Todesopfer identifiziert. Bis Ende der Woche sollten auch alle Autopsien abgeschlossen sein, teilte der Élyséepalast mit.

In Syrien geht Frankreich unterdessen weiter massiv gegen die IS-Terrormiliz vor, die sich in einer nicht verifizierten Mitteilung zu dem Anschlag am Freitag mit 129 Todesopfern bekannt hatte.

Bei Luftangriffen französischer Jets und Flugzeugen anderer Nationen auf die nordsyrische IS-Hochburg Al-Rakka wurden in den vergangenen drei Tagen mindestens 33 Extremisten getötet. Zudem gebe es Informationen über weitere Opfer, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Frankreichs Luftwaffe hatte nach der Terrorserie in Paris massive Luftangriffe auf Stellungen der IS-Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Al-Rakka und im Umland der Stadt geflogen. Dutzende Familien hochrangiger IS-Anführer seien wegen der Angriffe aus Al-Rakka gebracht worden, erklärte die Beobachtungsstelle weiter.

In Zusammenarbeit mit den USA will die Türkei nun auch die rund 100 verbleibenden Kilometer der Grenze zum Nachbarland Syrien schließen, wie US-Außenminister John Kerry auf CNN sagte. Es geht um einen Abschnitt im Nordwesten, der auf syrischer Seite unter Kontrolle der IS-Terrormiliz steht. Die Extremisten nutzen ihn als Nachschubroute.

Zwei Flugzeuge der französischen Fluggesellschaft Air France wurden nach anonymen Drohungen auf Flügen von den USA nach Paris umgeleitet. Eine Maschine sei in Los Angeles gestartet und auf dem Weg nach Paris auf einen Flughafen in Salt Lake City gelotst worden, teilte der Flughafen mit. Eine zweite Maschine mit 298 Menschen an Bord war von Washington nach Paris aufgebrochen, musste aber im kanadischen Halifax wieder landen. Beide Maschinen landeten sicher.