Fleischproduktion

Wie sich unsere Vorlieben beim Fleisch verändern


Geflügelhaltung, wie hier auf einem Bio-Hof, ist deutschlandweit weiter im Aufwind.

Geflügelhaltung, wie hier auf einem Bio-Hof, ist deutschlandweit weiter im Aufwind.

Aus den Schlachthöfen in Deutschland sind im Jahr 2019 rund acht Millionen Tonnen Fleisch gekommen - in etwa so viel wie im Jahr davor. Also alles wie immer beim Fleischkonsum? Nein. Gewohnheiten und Vorlieben scheinen sich zu ändern. Ebenso wie die Herkunft der Tiere. Und das könnte Auswirkungen haben, zum Beispiel auf das Klima.

Alles was weiß ist, ist begehrt. So könnte man einen der Trends der vergangenen Jahre zusammenfassen. Während die Menge der produzierten Geflügelprodukte weiter angestiegen ist, gab es über die vergangenen Jahre deutliche Einbrüche beim Schweinefleisch. So ist 2019 etwa ein Produktions-Minus von 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Schweinefleisch hat nach einem Allzeithoch im Jahr 2011 einen Rückgang erlebt, der sich seit 2017 zusehends beschleunigt. Und: Immer weniger der in Deutschland geschlachteten Schweine kommen aus Deutschland. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch mitteilte, ist die Zahl der in Deutschland aufgezogenen Schweine, die in den Schlachthöfen verarbeitet werden, um 3,4 Prozent zurückgegangen. Im Gegenzug stieg die Zahl der importierten Schweine um fast drei Prozent.

Schlachten für das Ausland

Was sind die Gründe für den verstärkten Import? Wie Professor Wilhelm Pflanz von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf erläutert, waren die Gewinne je Tierplatz in der heimischen Landwirtschaft über die vergangenen Jahre sehr gering - zum Teil gingen die Bauern mit Verlust aus Mast und Aufzucht. Der Preis sei ein entscheidender Faktor für den immer höher werdenden Import-Anteil in den deutschen Schlachthöfen: Deutschland habe sehr hohe Schlachtkapazitäten und gleichzeitig im EU-weiten Vergleich sehr niedrige Schlachtkosten pro Tier. Es lohnt sich daher sogar, Tiere nur zur Schlachtung nach Deutschland zu bringen und zerlegt wieder ins Ausland zu verfrachten.

Trotz Nutzung der deutschen Schlachtkapazitäten durch ausländische Unternehmen gilt aber, dass mengemäßig weniger produziert wird - wenigstens in Deutschland und für den deutschen Markt. Das zeigt sich auch an den Haltungszahlen. Zum Stichtag 3. November 2019 wurden in Deutschland 25,9 Millionen Schweine gehalten. Das waren zwei Prozent oder 519.200 Tiere weniger als zum Vorjahrestermin. Mastschweine machten etwas weniger als die Hälfte dieses Bestands aus.

Während die Nachfrage nach Schweinefleisch spürbar in den Keller geht, ist Rindfleisch offenbar weiterhin beliebt. Während die Zahl der geschlachteten Tiere auf 3,5 Millionen sank, stieg der Ausstoß an Fleisch gleichzeitig um fast ein Prozent. Zucht und Agrartechnik haben hier möglicherweise Spuren hinterlassen. Laut Kommentar des Statistischen Bundesamts liegt der Anstieg der Fleischmenge bei weniger geschlachteten Tieren daran, dass die Tiere ein deutlich höheres Schlachtgewicht als noch vor Jahren erreichen.

Unternehmertraum Hähnchenmast?

Ökonomisch auf der Gewinnerseite scheinen die Geflügelproduzenten. Zuletzt ist die Ausstoßmenge von Hähnchen- und Truthahnfleisch um 1,5 beziehungsweise 0,7 Prozent gestiegen. Im Zwanzigjahresvergleich sind die Zahlen regelrecht explodiert: Die Menge an produziertem Geflügelfleisch hat sich zwischen den Jahren 2000 und 2019 mehr als verdoppelt.

Den Sachverhalt bestätigt Professor Pflanz: "Wir haben einen steigenden Geflügelfleischkonsum. Dem weißen Fleisch werden viele positive Eigenschaften zugesprochen." So sei Hähnchenfleisch ein guter Eiweißlieferant und enthalte weniger Fett als andere Fleischsorten. Einen Mastbetrieb neu zu gründen sei außerdem im Bereich Geflügelzucht am attraktivsten: "Die Hähnchenmast ist ein vergleichsweise einfaches Verfahren bei Haltung und Management, und es wird gemacht, weil durch den guten Absatz auch ordentliche Preise und Erlöse erzielt werden", erklärt er.

Fleisch, Steuer, Klima

Die Preise könnten in Zukunft auch durch eine neue Steuer beeinflusst werden. Das von der Bundesagrarministerin Julia Klöckner ins Leben gerufene "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung" will Fleisch extra besteuern - mit der Begründung, dass übermäßiger Fleischkonsum nicht gesund und nicht umweltfreundlich sei. Mit dem zusätzlichen Geld wollen die Mitglieder unter anderem die Bedingungen in der Tierhaltung verbessern.

Sollte der Plan Realität werden: Welche Staffelung gäbe es womöglich bei der Fleisch-Steuer? Und auf welcher Grundlage? Etwa auf der Grundlage der Umweltbilanz? Die neuen Fleischpräferenzen machen im Hinblick auf das Klima jedenfalls nur zum Teil Sinn. Für die Klimabilanz beispielsweise dürfte der Umstieg beim Rindfleisch keinen positiven Effekt haben. Im Gegenteil. Laut einer Analyse des Amts für Umweltschutz der Stadt Heidelberg verursachen Aufzucht und Verarbeitung von 100 Gramm Schweinefleisch eine CO2-Emission zwischen 320 und 420 Gramm. Zum Vergleich: 1,3 Kilo CO2 fallen bei der gleichen Menge Rindfleisch an. Pute erzeugt in etwa die gleiche CO2-Belastung wie Schwein, während die Produktionsbilanz für Hähnchen im Schnitt bei 370 Gramm liegt.

Und wie sieht es mit dem bei ernährungs- wie klimabewussten Verbrauchern beliebten Fisch aus? Laut einer Analyse im Auftrag der Upfield Holdings erzeugt eine handelsübliche Forelle auf 100 Gramm Fleischertrag fast die doppelte CO2-Emission wie ein Masthähnchen. Upfield ist Teil des Unilever-Konzerns und vermarktet vor allem Pflanzenöl- und Margarineprodukte.

Ein Tag pro Woche ohne Fleisch

Ist das vermeintlich klimaschonende Hähnchenfleisch nun auch gut für den, der es isst? Möglicherweise, wenn das Hähnchenfleisch Rind und Schwein im Speiseplan ersetzt. Laut Dr. Christian Pehl von der Lakumed Klinik in Vilsbiburg deutet vieles auf einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von rotem Fleisch und dem Auftreten von Darmkrebs hin. Es werde aber mindestens zehn, eher 40 Jahre dauern, bis eine mögliche Verschiebung bei den Ernährungsgewohnheiten sich in der Krankheitsstatistik niederschlägt. Die potenziell positiven Effekte können empirisch also derzeit nicht belegt werden.

Professor Stephan Schmid, der stellvertretende Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Uniklinikum Regensburg, bezweifelt, dass eine Fleischsorte einen Gesundheitsvorteil gegenüber der anderen habe. "2015 gab es von der WHO eine Warnung vor übermäßigem Fleischkonsum. Viele Leute haben deswegen die Ernährung teilweise umgestellt." Manche Vebraucher nahmen in der Folge vermehrt Geflügel in den Speiseplan auf, weil vor allem rotes Fleisch im Fokus stand. Laut Experte haben aber Studien aus mehreren Ländern zuletzt kein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes in Abhängigkeit von der Art des Fleisches festgestellt. "Diese Mutmaßung, dass Geflügel gesünder wäre, ist nicht evidenz-basiert. Auch beim Darmkrebsrisiko geben die Zahlen das nicht her", sagt Stephan Schmid.

Beweise gebe es aber dafür, dass Ballaststoffe das Krebsrisiko senken. Mindestens 30 Gramm Salat, Hülsenfrüchte oder Obst sollten daher pro Tag auf den Speiseplan. Der Fleischanteil sollte nicht übermäßig sein - die Fleischsorte sei hingegen egal. Die derzeitig in der Medizin vorherrschende Empfehlung sei, nicht mehr als drei- bis fünfmal die Woche Fleisch zu essen. "Ich würde es etwas liberaler sehen", sagt Stephan Schmid: "Einmal die Woche auf Fleisch zu verzichten, ist auf jeden Fall eine gute Sache. Ansonsten sollte man einfach essen, worauf man Lust hat. Extrem fettes Fleisch sollte man natürlich vermeiden."