Karlsruhe

Verfassungsrichter machen den Weg frei für das Kopieren fremder Beats


Für die Musikbranche ist das Urteil ein Einschnitt: Im Streit um die Verarbeitung einer fremden Rhythmussequenz ohne Erlaubnis hat sich der Komponist und Produzent Moses Pelham vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt.

Für die Musikbranche ist das Urteil ein Einschnitt: Im Streit um die Verarbeitung einer fremden Rhythmussequenz ohne Erlaubnis hat sich der Komponist und Produzent Moses Pelham vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt.

Für die Musikbranche ist das Urteil ein Einschnitt: Im Streit um die Verarbeitung einer fremden Rhythmussequenz ohne Erlaubnis hat sich der Komponist und Produzent Moses Pelham vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt. Seine Klage gegen mehrere Urteile, die ihm das Kopieren verboten hatten, war erfolgreich. Der Fall muss neu entschieden werden, wie am Dienstag verkündet wurde.

Um den zweisekündigen Beat streitet Pelham seit nun bald 18 Jahren mit den Elektropop-Pionieren Kraftwerk. Er hatte ihn 1997 ohne zu fragen aus dem Kraftwerk-Titel "Metall auf Metall" von 1977 kopiert und in Endlosschleife unter den mit der Rapperin Sabrina Setlur aufgenommenen Song "Nur mir" gelegt. Diese Interpretation in neuem Kontext nennt man Sampling. Sie ist in Rap und Hip-Hop gängig.

In letzter Instanz hatte der Bundesgerichtshof (BGH) 2012 bestätigt, dass der Setlur-Song mit dem Beat nicht mehr verbreitet werden darf. Dagegen hatte Pelham mit anderen Produzenten und Musikern geklagt.

"Sehr, sehr wichtiges Urteil für Fortentwicklung der Kunst"

Im Gerichtssaal zeigte er sich erleichtert über die Entscheidung des Verfassungsgerichts. "Ich glaube, dass es für die Fortentwicklung der Kunst ein sehr, sehr wichtiges Urteil ist", sagte er. Alle Menschen, die wie er Musik machten, bringe das einen großen Schritt weiter. Sein Gegner vor den Gerichten, Kraftwerk-Mitbegründer Ralf Hütter, war zur Urteilsverkündung nicht mehr nach Karlsruhe gekommen. Seine Anwälte zeigten sich aber zuversichtlich. "Aus unserer Sicht beginnt das Spiel nun von vorn", sagte Christian Winterhoff. Der BGH müsse den Fall nun noch einmal bewerten. Das Ergebnis bleibe abzuwarten.

Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof begründete das Urteil damit, dass die Gerichte der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung getragen hätten. Er verwies auch auf die Kürze der Sequenz. Daraus sei ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden - ohne dass Kraftwerk dadurch wirtschaftlichen Schaden habe. Ein Verbot würde "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen", sagte er. (Az. 1 BvR 1585/13)

Die BGH-Richter waren der Ansicht, dass ein fremder Beat - und sei er noch so kurz - nur einfach kopiert werden darf, wenn er nicht gleichwertig nachgespielt werden kann. Dieses Kriterium halten die Verfassungsrichter für ungeeignet. Für die Benutzung müsse auch nicht unbedingt Geld fließen. Die Richter weisen aber darauf hin, dass der Gesetzgeber auch eine Bezahlpflicht einführen könnte. Außerdem schlagen sie dem BGH vor, den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weil das Urheberrecht seit 2002 EU-weit harmonisiert ist.

Diese EU-Richtlinie berücksichtige die Interessen der Tonträgerhersteller eher als das deutsche Recht, sagte Kraftwerk-Anwalt Winterhoff. Insofern habe er durchaus Hoffnung, dass der BGH am Ende in Hütters Sinne entscheide. Sein Kollege Hermann Lindhorst betonte, dass Hütter den umstrittenen Beat vor langer Zeit "mit seiner Kreativität, mit seinem Einsatz, auch mit seinem Investment" entwickelt und eingespielt habe. "Er möchte diese Leistung auch berücksichtigt sehen."