Neue Drogen

Sei kein Versuchskaninchen: Legal Highs sind unberechenbar


Hersteller von Legal Highs versprechen Entspannung und eine Auszeit vom Alltagsstress. Doch die neuen Drogen sind extrem gefährlich. Denn die Stoffe, die in den bunt verpackten Produkten versteckt sind, können tödlich sein. Was sich hinter dem harmlosen Namen verbirgt...

Das sind Legal Highs


Kräutermischungen, Badesalze und Düngerpillen - wenn es um den Verkauf von Legal Highs geht, sind die Hersteller kreativ. "Das Angebot auf dem Markt ist sehr unübersichtlich und es kommen ständig wieder neue Produkte dazu", erklärt Diplom-Sozialpädagogin Johanna Kuban von "Mindzone". Das ist ein Projekt zur Suchtprävention vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Von den Warnungen, die sich meist auf den Verpackungen der Legal Highs befinden, lassen sich die Konsumenten nicht abschrecken. Sie suchen den Rausch, wollen abschalten und vergessen.

"Manche Stoffe sollen wie Ecstasy wirken, andere wie Speed oder Kokain", beschreibt die Expertin. Damit sie so wirken können, enthalten sie "Research Chemicals", meist Abfallprodukte der Pharma-Forschung. "Das sind synthetische, also künstlich hergestellte, Reinsubstanzen. Auch in den klassischen Drogen wie Speed und Ecstasy werden sie als Streckmittel oder günstiger Ersatzstoff verwendet", fügt die Fachfrau hinzu. "Ob die Substanzen wirklich rein sind und was tatsächlich enthalten ist, lässt sich allerdings nicht beurteilen", ergänzt Sozialpädagogin Stefanie Kolbeck, die für das Landshuter Netzwerk, einen Verein zur Aufklärung über Drogen, arbeitet.

Die Kräuter, die zum Beispiel in den Mischungen enthalten sind, dienen nur als Trägersubstanz. Beides - Research Chemicals und Legal Highs - werden auch als Neue Psychoaktive Substanzen bezeichnet. Sie kommen vorwiegend aus China. "Das klingt zwar seltsam, denn die Strafen für Drogenbesitz und -verkauf sind dort sehr hart, aber der Verkauf in andere Länder wird nur lasch verfolgt", klärt Expertin Johanna Kuban auf. "Aus keinem anderen Land der Welt lassen sich die synthetischen Drogen so einfach beziehen wie aus China. Das Land gilt als größter Anbieter dieser Stoffe weltweit."

Das bewirken die neuen Drogen

Sie sind unberechenbar und was sie bewirken, ist oft nicht erforscht. "Wer Legal Highs konsumiert, macht sich sozusagen zum Versuchskaninchen. Die Einnahme kann einmal gut verlaufen, beim nächsten Mal auch katastrophal", betont Diplom-Sozialpädagogin Johanna Kuban. Das liegt daran, dass keiner weiß, welche Wirkstoffe in den Kräutermischungen, Badesalzen und Co. enthalten sind und wie hoch sie dosiert sind. Eine Überdosierung kommt da viel häufiger vor als bei klassischen Drogen. "Und gerade durch Kräutermischungen gab es in letzter Zeit viele Vorfälle - sogar Todesfälle", fügt die 37-Jährige hinzu.

Wie die Legal Highs wirken, hängt stark von den Inhaltsstoffen ab. So bestehen zum Beispiel Kräutermischungen meist aus synthetischem Cannabis, "das bis zu 113 Mal stärker wirkt als pflanzliches Cannabis", warnt Stefanie Kolbeck. Die Stimmung hebt sich an, ein Gefühl der Entspannung tritt ein. Konsumenten sprechen gerne und ihre Sinne können sich intensivieren. Doch nicht nur angenehm erlebte Wirkungen können eintreten: Auch eine niedergedrückte Stimmung, Unruhe, Angst, Panik und Verwirrung mit Verfolgungswahn können die Drogen auslösen. Legal Highs, die wie Speed oder Kokain wirken, können dagegen für Herzrasen, ein Beklemmungsgefühl in der Brust und Paranoia sorgen. "Dazu kommt ein ganz starker Drang, die Droge weiter zu konsumieren. In der Fachsprache heißt das ‚Craving', ein ganz immenser Suchtdruck", klärt Johanna Kuban auf.

Wichtig ist auch die Frage: Wer nimmt das Rauschmittel und in welcher Verfassung ist er? "Die aktuelle Stimmung, die körperliche und psychische Verfassung und das Umfeld können die Wirkung einer Droge beeinflussen", erklärt die Diplom-Sozialpädagogin. Auch über die Langzeitwirkung der Neuen Psychoaktiven Stoffe ist oft nichts bekannt. "Es können sich Kreislaufversagen, Ohnmachtsanfälle, Psychosen, Muskelzerfall, Nierenversagen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Herzrhythmusstörungen und vieles mehr einstellen", zählt Stefanie Kolbeck auf.

Was in den Legal Highs steckt, ändert sich schnell und häufig. Deshalb können Konsumenten auch nie mit derselben Wirkung rechnen. Expertin Johanna Kuban fasst dieses Problem in Worte: "Einmal ergibt sich das gewünschte Rauscherlebnis, beim nächsten Mal landet man aber im Krankenhaus."

Legal Highs - klingt legal? So ist es wirklich

Nur teilweise sind Legal Highs dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt. Damit ist schon der Besitz solcher Stoffe strafbar, wie die Pressestelle des bayerischen Landeskriminalamts mitteilt. Sie können mit einer Geldstrafe oder mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Die Hersteller reagieren aber schnell, wenn ein von ihnen entwickelter Stoff verboten wird: "Sie verändern die Zusammensetzung ihrer Substanzen und erzeugen dadurch neue. Die Zeit, bis diese Stoffe verboten werden, nutzen sie, um sie zu verkaufen", sagt Johanna Kuban. "Das ist wie ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Produzenten und der Gesetzgebung." Damit eine Neue Psychoaktive Substanz verboten wird, muss ein aufwändiges Verfahren eingeleitet werden. Zweimal jährlich trifft sich dazu ein Ausschuss für Betäubungsmittel.

Legal Highs konsumiert: Vorfälle in Bayern

Endstation Krankenhaus

Bogen im Landkreis Straubing-Bogen: Ein 17-Jähriger wird Anfang Dezember 2015 bewusstlos auf einer Treppe liegend gefunden. Er hat eine Kräutermischung bei sich, von der er etwas geraucht hat. Er wird ins Krankenhaus eingeliefert.

Kräutermischung wird zum Verhängnis

Ein 22-Jähriger raucht Anfang Dezember 2015 Legal Highs in seiner Wohnung im Landkreis Rhön-Grabfeld in Unterfranken. Sein Vater findet ihn kurze Zeit später bewusstlos in der Wohnung. Er alarmiert die Polizei, doch für den jungen Mann kommt jede Hilfe zu spät. Ein Gutachten ergibt: Die Kräutermischung, die er im Internet bestellt hatte, ist der Grund für seinen Tod.

Aggressiv und zeitweise bewusstlos

Anfang Februar 2016: Kurz vor Mitternacht wählt eine junge Frau den Notruf. Ein Bekannter von ihr habe eine Kräutermischung geraucht, sich mehrfach übergeben und sei zeitweise bewusstlos. Notarzt und Sanitäter treffen kurze Zeit später ein. Der 20-Jährige wird gegenüber den Helfern aggressiv. Zur Unterstützung werden Polizeibeamte in die Wohnung in Schweinfurt gerufen. Mit ihrer Hilfe kann der junge Mann behandelt und ins Krankenhaus gebracht werden.

Discobesuch endet in Katastrophe

Anfang Januar 2016: Zehn Discobesucher im unterfränkischen Schweinfurt rauchen eine Kräutermischung. Ein paar Beteiligte verlieren das Bewusstsein, ein Teil von ihnen flüchtet. Die Polizei leitet eine Suchaktion mit Hubschrauber ein. Doch sie können sie nicht finden. Die Suche wird abgebrochen. Die Verbliebenen werden dagegen ins Krankenhaus eingeliefert, das sie am nächsten Tag wieder verlassen dürfen.

Azubi fährt Schlangenlinie

Ein Donnerstag im Januar 2016 in Plattling im Landkreis Deggendorf: Ein Zeuge informiert die Polizei über einen vor ihm fahrenden Ford, der deutliche Schlangenlinien fährt. Polizeibeamte kontrollieren den Beschuldigten, einen 18-jährigen Azubi, und durchsuchen sein Auto. Dabei finden sie eine Tüte mit Spice, einer Kräutermischung. Dem jungen Mann wird der Fahrzeugschlüssel abgenommen.

Jugendliche landen auf der Intensivstation

Kurz nach 11.30 Uhr an einem Freitag im Februar 2016: Zwei Schüler aus Schweinfurt in Unterfranken sperren sich auf der Schultoilette ein und übergeben sich. Als die beiden die Türe nicht öffnen wollten, ruft die Schulleitung die Polizei. Die Beamten finden zwei 16-Jährige in schlechtem Zustand. Sie haben eine Kräutermischung geraucht und werden ins Krankenhaus gebracht. Sie landen auf der Intensivstation.

Hilfe, ein Freund von mir konsumiert Legal Highs! Was kann ich tun?

Verschiedene Anzeichen könnten darauf hinweisen, dass ein Freund/in von dir regelmäßig Drogen nimmt. Hier einige Beispiele von Diplom-Sozialpädagogin Johanna Kuban:

+ Das Verhalten der Person verändert sich grundsätzlich.
+ Die Person ist häufig auffallend müde oder hyperaktiv.
+ Ein fröhlicher Mensch wird von einem Tag auf den anderen depressiv oder aggressiv.
+ Schlafgewohnheiten verändern sich: Der Betroffene ist nachts wach und verschläft den Tag.
+ Der Betroffene neigt zu übermäßigem Rededrang, auch "Laberflash" genannt.
+ Er wechselt seinen Freundeskreis.
+ Die Person vernachlässigt ihre Interessen und "alte" Freunde.
+ Der Betroffene verstrickt sich oft in Widersprüche, Ausreden und Lügen.
+ Die Schulleistungen werden immer schlechter.
+ Man schwänzt zum Teil den Unterricht.
+ Er lehnt seine Familie ab.
+ Die Person hat Probleme, sich zu konzentrieren.

Achtung: Sozialpädagogin Stefanie Kolbeck vom Landshuter Netzwerk warnt davor, Anzeichen zu pauschalisieren: "Das ist individuell unterschiedlich!" Johanna Kuban ergänzt: "Viele Konsumenten verheimlichen ihren Drogenkonsum viele Jahre. Man muss schon wirklich genau hinsehen!"

Vielleicht fragst du dich jetzt, wie du eingreifen kannst. "Am besten sprichst du die Person direkt darauf an und sagst, dass du dir Sorgen um sie machst", rät Diplom-Sozialpädagogin Johanna Kuban. Dabei ist wichtig, dass du dich ruhig und sachlich verhältst. "Sonst flüchtet sich die betroffene Person schnell in eine Abwehrhaltung und meidet deinen Kontakt", erklärt sie. Ganz wichtig: den Kontakt zur Person aufrecht halten und nicht abreißen lassen. Außerdem solltest du auf allzu große Empörung und Dramatisierungen verzichten. Informiere dich vor dem Gespräch genau über die Risiken von Legal Highs, damit du gut argumentieren kannst. "Du kannst deine Hilfe und Unterstützung anbieten. Aber du solltest dich nicht aufdrängen, falls die Person in dem Moment noch nicht bereit ist, deine Hilfe anzunehmen. Dann musst du das akzeptieren, abwarten und es vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt nochmal versuchen", betont die 37-Jährige. Es kann sein, dass die Person erst einige negative Erfahrungen machen muss, bevor sie deine Hilfe annimmt.

So redest du am besten mit einem Betroffenen

Wichtig ist: Der Rahmen muss passen. "Ein Gespräch sollte nicht zwischen Tür und Angel stattfinden. Außerdem sollten keine anderen Freunde dabei sein, sondern die Unterhaltung sollte unter vier Augen sein", empfiehlt Johanna Kuban. Hilfreich ist auch, wenn dein Freund während eures Gesprächs nicht unter dem Einfluss von Drogen steht. "Wenn gerade alles toll ist, weil man sich gut fühlt, ist die Einsicht, etwas ändern zu müssen, am geringsten. Der beste Zeitpunkt für ein Gespräch ist beim Runterkommen oder in den Tagen nach dem Konsum. Dann ist dein Freund vielleicht schlecht drauf, depressiv, hat Selbstzweifel und ist zugänglicher für Hilfsangebote", ergänzt sie. Expertin Stefanie Kolbeck gibt außerdem den Tipp, alles in Ich-Botschaften zu formulieren: "Man sagt zum Beispiel: Mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit oft gereizt bist und ich mache mir Sorgen." Sinnvoll ist es übrigens nicht, als Freund bei so einem Problem sofort zu den Eltern zu rennen. Schließlich weißt du oft nicht, wie dessen Eltern auf das Thema reagieren. "Das kann wie ein Vertrauensbruch wirken", warnt Johanna Kuban. Sollten deine Versuche zu helfen mehrfach scheitern und sich der Zustand deines Freundes verschlechtern, kannst du dich natürlich an die Eltern wenden.

Wo finde ich Hilfe?

Erste Anlaufstellen sind die Suchtberatungsstellen vor Ort. Hier können sich Betroffene, deren Freunde oder Eltern Hilfe holen. "Die Beratung ist kostenlos und die Berater haben Schweigepflicht", sagt Johanna Kuban. Wer nicht persönlich zu einem Beratungsgespräch gehen will, kann sich auch an die Online-Beratung des Projekts "Mindzone" unter www.onlineberatung.mindzone.info wenden.