Neue Drogenpolitik

Rauch über dem Brandenburger Tor: Cannabis jetzt legal


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An zahlreichen Orten in Deutschland feiern Aktivistinnen und Aktivisten heute die Legalisierung.

Von dpa

Der Sahara-Staub hatte sich kaum verzogen, da stiegen rund um Berlins berühmtestes Wahrzeichen in der Nacht zu Ostermontag dicke Rauchschwaden auf: Rund 1500 Menschen feierten nach Polizeiangaben am Brandenburger Tor die zum 1. April in Kraft getretene Legalisierung von Cannabis für Erwachsene. Demonstrativ wurden pünktlich um Mitternacht Joints angezündet, Teilnehmer tanzten in ausgelassener Stimmung zu Reggae-Musik.

Mit der Legalisierung schlägt Deutschland nach jahrzehntelangen Diskussionen einen neuen Weg in der Drogenpolitik ein. Gegner erneuerten zum Inkrafttreten ihre scharfe Kritik daran. Regierungsvertreter verteidigten die Neuregelungen.

"Heute beenden wir eine gescheiterte Verbotspolitik", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach der Deutschen Presse-Agentur in Berlin und sprach von einer historischen Chance. "Ab jetzt kombinieren wir eine echte Alternative zum Schwarzmarkt mit besserem Kinder- und Jugendschutz. So wie bisher konnte es nicht weitergehen", fügte der SPD-Politiker hinzu.

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Das Rauchen von Marihuana oder Haschisch ist seit heute erlaubt.

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Wer 18 Jahre oder älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen.

Gegner der Legalisierung bekräftigten zum Start ihre scharfe Kritik. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte die neuen Regeln: "Heute beenden wir eine gescheiterte Verbotspolitik", sagte der SPD-Politiker der dpa in Berlin. Das sei eine historische Chance. "Ab jetzt kombinieren wir eine echte Alternative zum Schwarzmarkt mit besserem Kinder- und Jugendschutz. So wie bisher konnte es nicht weitergehen", fügte der Minister hinzu.

Die Regierung argumentiert damit, dass der Cannabis-Konsum trotz Verbots zugenommen habe, der Schwarzmarkt wachse und Cannabis, das dort bezogen werde, mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden sein könne. Der Wirkstoffgehalt sei dabei unbekannt und es könnten giftige Beimengungen und Verunreinigungen enthalten sein.

Nun wird in einem ersten Schritt zunächst der Besitz, private Anbau und Konsum bestimmter Mengen Cannabis für Erwachsene erlaubt. Ab Juli sollen in einem zweiten Schritt sogenannte Anbauvereine staatlich kontrolliert unter strengen Auflagen Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Gleichzeitig sieht das Gesetz Maßnahmen zur Suchtprävention vor.

Mit Inkrafttreten der Änderungen ist Cannabis von der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz verschwunden. Erwachsene dürfen jetzt in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm der Droge mit sich führen, zu Hause sind maximal 50 Gramm erlaubt. Außerdem ist es gestattet, bis zu drei Cannabis-Pflanzen im Wohnbereich zu haben. In der Öffentlichkeit darf gekifft werden, aber nicht in der Nähe von Kindern und Jugendlichen, Schulen, Kitas, Spiel- und Sportplätzen und am Tage auch nicht in Fußgängerzonen.

Verstöße können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden. Die Weitergabe der Droge - mit Ausnahme im Rahmen der Vereine - bleibt strafbar, besonders bei Weitergabe an Minderjährige droht Gefängnis. Wer jünger als 18 Jahre ist, darf Cannabis nicht konsumieren.

CDU und CSU bekräftigten ihre strikte Ablehnung der Legalisierung. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der dpa: "In der Tat ist der 1. April ein historischer Tag. Er wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die Ampel ein nie dagewesenes Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt ins Rollen gebracht hat. In den kommenden Wochen wird illegales Cannabis aus Altbeständen den Markt fluten." Sorge nannte die Legalisierung in ihrer jetzigen Form ein Risiko für die innere Sicherheit. "Wir werden sie nach einem Regierungswechsel rückgängig machen."

CSU-Generalsekretär Martin Huber nannte die Legalisierung einen schweren Fehler. Der 1. April sei ein Glückstag für Dealer und ein schwarzer Tag für den Jugendschutz. Für Bayern kündigte er eine "maximal strenge Auslegung der Cannabis-Regeln und intensive Kontrollen" an. "Wir wollen keine Kiffer-Hochburg werden." Ähnlich hatte sich auch schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geäußert.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert das. Behörden und Polizei würden dadurch in eine Position gebracht, in der sie ganz genau kontrollieren müssten, sagte der bayerische Landesvorsitzende Jürgen Köhnlein. Es fehlten aber genaue Verwaltungsvorschriften und Personal. Es gebe im Cannabisgesetz bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten deutlich mehr Tatbestände als bisher. "Das wird ganz, ganz kompliziert", sagte Köhnlein.

Der Legalisierung ging eine jahrzehntelange Debatte voraus. Im Beratungsverfahren zum nun in Kraft getretenen Gesetz hatten auch Medizinerverbände große Bedenken angemeldet, vor allem mit Blick auf Gesundheitsgefahren für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Zwar bleibt Cannabis rechtlich für Personen unter 18 Jahren tabu. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie zum Beispiel hatte aber darauf hingewiesen, dass die Hirnreifung erst mit Mitte 20 abgeschlossen sei und ein früherer Cannabis-Konsum das Risiko für Psychosen erhöhe.

Das Gesetz schreibt vor, die Auswirkungen der Cannabis-Freigabe durch "unabhängige Dritte" untersuchen zu lassen. Ein erster Bericht, der speziell die Auswirkungen auf den Kinder- und Jugendschutz und das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen betrachtet, soll demnach bereits im Herbst nächsten Jahres vorgelegt werden.

Die Legalisierung fällt mit der Öffnung für den Privatanbau von Cannabis und den ab Juli möglichen Anbauvereinen insgesamt deutlich schmaler aus, als von der Ampel ursprünglich geplant. Auf Eis liegt erst einmal das Vorhaben, auch den freien Verkauf von Cannabis und Cannabis-Produkten in speziellen Geschäften zu ermöglichen, so wie etwa in den USA oder Kanada. EU-rechtliche Bedenken stehen dem entgegen.


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