NRW

Nach Tod beim CSD: Angeklagter räumt Vorwürfe ein

Seinen couragierten Einsatz beim Christopher Street Day in Münster bezahlte der Transmann Malte C. mit dem Leben. Vor Gericht muss sich nun ein 20-Jähriger wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten.


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Der 20 Jahre alte Angeklagte zwischen seinen Rechtsbeiständen im Gerichtssaal in Münster.

Ganz in Schwarz gekleidet sitzt der Angeklagte zwischen seiner Pflichtverteidigerin und seinem Anwalt. Nervös hört er zu, als der Staatsanwalt am Montag vor dem Landgericht Münster die Anklage verliest. Der 20-Jährige beugt sich mal nach vorne, dann rutscht er auf seinem Stuhl wieder zurück. Die Anklage ist sich sicher: Der erfahrene Boxer wollte beim Christoper Street Day (CSD) 2022 in Münster zwar nicht töten, aber mit seinen Schlägen verletzen. Deshalb lautet die Anklage gegen ihn auf Körperverletzung mit Todesfolge.

Bundesweit hatte der Fall vor sechs Monaten für Entsetzen gesorgt: Der 20-Jährige soll beim CSD zuerst mehrere Teilnehmer im Vorbeigehen beleidigt haben. Leicht alkoholisiert sei er gewesen. "Er war aus Neugier auf den CSD gekommen", sagt der Vertreter der Anklage.

Malte C. bewies laut Anklage Zivilcourage und stellte sich zwischen den Angeklagten und die CSD-Teilnehmer. Demnach waren drei Frauen betroffen, von denen eine später gegenüber der Polizei ihr Geschlecht als männlich angab. Sie wurden vom Angeklagten zuerst beschimpft und nach einer Abweisung aggressiv beleidigt.

Der 20-Jährige habe Malte C. dann auf die Brust und mehrfach gegen den Kopf geschlagen. Er schlug nach dem Angriff mit dem Hinterkopf aufs Pflaster auf und starb Tage später im Krankenhaus an den Folgen eines Schädelhirntraumas.

Der Anwalt des Angeklagten, Siegmund Benecken, beantragte kurz nach Prozessbeginn, die Öffentlichkeit auszuschließen, weil sein Mandant sich zur Sache einlassen und dabei möglicherweise auch zu seiner sexuellen Orientierung äußern werde. Und so mussten Zuschauer und Medien den Verhandlungssaal verlassen.

Zur Fragen der sexuellen Orientierung machte ein Sprecher des Landgerichts zum Schutz des heranwachsenden Angeklagten keine Angaben. Ansonsten habe der 20-Jährige alle Vorwürfe aus der Anklage eingeräumt. An Beleidungen von Teilnehmerinnen konnte er sich nicht mehr erinnern. Wenn die Zeuginnen das so angegeben hätten, würde es aber wohl stimmen, sagte der Angeklagte demnach laut Sprecher.

Warum er die Frauen, von denen eine später gegenüber der Polizei ihr Geschlecht als männlich angab, beleidigt hatte, wisse er nicht mehr. Bevor er Malte C. mit Schlägen angegriffen habe, sei der 25-Jährige mit freiem Oberkörper auf ihn zugekommen. Der Angeklagte habe sich da schon vorgestellt, mit ihm zu kämpfen.

Der angeklagte Russe gilt als erfahrener Boxer. Von seiner Statur her wirkt er im Gerichtssaal normal groß, nicht besonders kräftig. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom November hatte der Angeklagte nach seiner Festnahme gegenüber einer Gutachterin Fragen beantwortet. Der Psychiaterin sagte er, die ihm vorgeworfene Tat sei "nicht einmal ansatzweise Ausdruck einer feindseligen Haltung gegenüber Homosexuellen". Laut der Gutachterin ist die Tat nicht auf eine homophobe oder queerfeindliche Einstellung des Mannes zurückzuführen.

Die Anklage führt die Tat auf eine Persönlichkeitsstörung zurück, bei der die Rechte anderer generell missachtet und verletzt würden. Auch alkoholbedingt sei der Mann aggressiv und gewaltbereit gewesen. Aber: Seine Steuerungsfähigkeit war laut Gutachterin nicht erheblich beeinträchtigt.

Ob der 20-Jährige als Heranwachsender nach Jugend- oder nach Erwachsenenstrafrecht (ab 21 Jahren) verurteilt wird, will das Gericht nach den Zeugen- und Gutachteraussagen entscheiden. Die Frage ist, ob bei dem Angeklagten eine Entwicklungsverzögerung vorliegt.

Im Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund, nicht die Strafe. So unterscheiden sich die Unterbringungen in der Jugendhaft erheblich von einem Erwachsenengefängnis.

Bei einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge drohen dem Angeklagten mindestens drei Jahre Gefängnis. Im Jugendstrafrecht gilt auch bei Straftaten wie Totschlag oder Mord eine Obergrenze von zehn Jahren.

Das Landgericht hat bis Mitte April neun weitere Verhandlungstermine angesetzt.